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Chronik und Quellen
1944
Januar 1944

Januar 1944

In seiner Neujahrsansprache stimmte Adolf Hitler die deutsche Bevölkerung auf neuerliche „ungeheure Kriegsgeschehen“ ein, die sich 1944 „der Krise nähern“ und „harte und schwere Forderungen an alle Deutschen“ stellen würden. Auch Joseph Goebbels gab sich deutlich gedämpfter als in den Vorjahren und bereitete die Hörer seiner Radioansprache auf ein hartes Jahr vor. Zwar betonte er entgegen besseren Wissens und der realen Entwicklung, 1943 sei zwar ein hartes, aber auch ein „stolzes“ Jahr gewesen, sah für 1944 aber zusätzliche Kriegsschauplätze heraufziehen: „Wir vermuten, dass die Engländer und Amerikaner im kommenden Frühjahr in einer Westinvasion die Probe aufs Exempel machen wollen.“

Nach Beobachtungen des Sicherheitsdienstes der SS war die Stimmung der Bevölkerung tatsächlich noch immer gedämpft optimistisch. Am 6. Januar berichtete er: „Die vorliegenden Meldungen bringen übereinstimmend den großen Ernst zum Ausdruck, der aus allen Meinungsäußerungen der Bevölkerung zur Gesamtlage am Jahresbeginn spreche. Wenn auch von einem unbedingten Siegeswille nicht gesprochen werden könne, so herrsche doch der Gedanke vor, dass wir ‚die Zähne zusammenbeißen‘ und die Nerven behalten müssten.“ Trotz aller Befürchtungen hinsichtlich der begrenzten verfügbaren Kräfte zeige die Bevölkerung „allgemein einen unbedingten Durchhaltewillen“. „Die meisten Erwartungen gingen dahin, dass das Jahr 1944 eine kriegsentscheidende Wendung zu unseren Gunsten bringen müsse, und dass es das Jahr der Vergeltung und Beendigung des Luftterrors werden würde.“ Außerdem machten die SS-Beobachter eine ausgeprägte „Friedenssehnsucht“, allerdings „keine Tendenzen für einen Kompromissfrieden“ aus.

Dabei sah es an der Ostfront aus deutscher Sicht alles andere als hoffnungsvoll aus. Das galt umso mehr, als am 4. Januar der Versuch von Generalfeldmarschall Erich von Manstein scheiterte, Hitler davon zu überzeugen, dass der Dnjeprbogen an der Ostfront nicht zu halten sei. Auch in diesem Fall lehnte der die Räumung des Gebietes kategorisch ab. Zehn Tage später eröffneten sowjetische Truppen eine Großoffensive gegen die deutsche Heeresgruppe Nord und drängten die deutschen Verbände immer weiter zurück. Weitere drei Tage später startete die Rote Armee am 17. auch im Norden eine erfolgreiche Großoffensive zur endgültigen Befreiung Leningrads, die am 28. Januar mit der Zerschlagung der seit 900 Tage andauernden deutschen Blockade der Stadt endete.

Am 22. Januar landeten alliierte Verbände mit 70.000 Mann südlich von Rom überraschend im Rücken der deutschen Truppen. Diese konnten eine Ausweitung des feindlichen Brückenkopfes vorerst aber noch verhindern.

Auch hinsichtlich des Luftkriegs begann das neue Jahr alles andere als verheißungsvoll. In der Nacht vom 2. auf den 3. Januar flog die Royal Air Force einen ersten schweren Angriff gegen die Reichshauptstadt, dem im Rahmen des „Kampfes um Berlin“ bis zum Ende des Monats noch fünf weitere nächtlichen Großangriffen folgen sollten. Wegen dieser Bombardierungen ordnete das Berliner Hauptschulamt am 19. Januar die Verlegung aller allgemeinbildenden Schulen aus dem Stadtgebiet in Aufnahme- und Ausweichgebiete an und forderte alle Eltern nachdrücklich auf, ihre Kinder aufs Land zu verschicken. Auch andere Städte standen im Fokus der alliierten Bomberflotten, so am 5. Januar Stettin mit dem größten deutschen Hafen an der Ostseeküste oder am 30. dann Braunschweig und Hannover. Insgesamt wurden allein in diesem Monat 15.741 Tonnen an Bomben auf deutsche Städte abgeworfen.

Die deutsche Luftwaffe ihrerseits begann am 21. Januar mit einem Angriff auf London eine letzte Luftoffensive gegen Großbritannien. In deren Rahmen kamen in den folgenden Wochen und Monate aber nie mehr als 100 Flugzeuge zum Einsatz – auch das ein Zeichen der eklatanten und wachsenden Unterlegenheit der Luftwaffe. Die propagandistisch angekündigte „Vergeltung“ jedenfalls blieb aus.

Stark nachgefragt war alles, was von den Kriegsgeschehnissen ablenkte. Besonderen Erfolg zeitigte dabei der am 28. Januar uraufgeführte Film „Die Feuerzangenbowle“. Die Lausbubengeschichte mit Heinz Rühmann als Hauptdarsteller wurde – auch über das Kriegsende hinaus - zu einem der beliebtesten deutschen Unterhaltungsfilme.

Martin Bormann, der einflussreiche Sekretär Hitlers, veröffentlichte am 29. Januar eine Denkschrift, in der er für die Zeit nach dem – natürlich gewonnenen – Krieg die Zeugung außerehelicher Kinder und die Einführung einer „Ehe zu dritt“ propagierte. Die Probleme lagen aber eher auf anderem Gebiet: Durch die jahrelange Abwesenheit der an den Fronten eingesetzten Männer veränderte sich der Umgang zwischen männlichem und weiblichem Geschlecht und in vielen Fällen wohl auch das Eheleben nachhaltig. Die Partner entfremdeten sich zunehmend, was dann nahezu zwangsläufig eine von den NS-Machthabern scharf verurteilte „Lockerung der Sexualmoral“ nach sich ziehen konnte.

 

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