Menü
Chronik und Quellen
1938
Mai 1938

Bericht aus Haibach

Am 6. Mai 1938 ereignete sich in Haibach ein Vorfall, über den die örtliche Gendarmerie zwei Tage später folgenden Bericht verfasste:

Der verheiratete Weinreisende Lasser Salo von Aschaffenburg Herstallstr. 30 kam vor etwa 4 Wochen nach Haibach und suchte Bestellungen auf Wein. Das Jungvolk von Haibach brachte in Erfahrung, daß Lasser ein Jude ist. Hierauf gingen etwa 50 Angehörige des JV dem Juden nach und riefen diesem ''Judenstinker usw.'' zu. Der Jude warf hierauf mit Steinen gegen die Nachläufer. Da die Angehörigen des JV immer mehr wurden, mußte der Jude die Ortschaft verlassen.

Am Freitag den 6. Mai 1938 war der Jude Lasser wieder in Haibach und suchte Bestellungen auf Wein. Das Jungvolk wurde dies wieder gewahr. Als der Jude gegen 13 Uhr in der Gastwirtschaft zur Post in Haibach einkehrte gingen wieder etwa 50 Angehörige des JV zur Gastwirtschaft Post und riefen: ''Judenstinker raus mußt Du. Du hast in Haibach nichts zu suchen. Wenn Du nochmals kommst, gehen wir Dir nach.'' Hier ertönten immer wieder die Rufe Judenstinker usw. Ich ließ hierauf dem Juden ausrichten, daß er sofort Haibach zu verlassen habe um die öffentliche Ordnung aufrecht erhalten zu können. Der Jude ging hierauf gegen Aschaffenburg zu. Das JV lief dem Juden immer noch nach und rief ihm Judenstinker zu. Der Jude hob einen Stein auf und warf diesen gegen die Angehörigen des Jungvolkes. Ich sah dies und ging auf den Juden zu. Der Jude grüßte hier mit ''Heil Hitler''. Als ich ihm dies verbat, erklärte er, daß er nur eine Handbewegung gemacht habe. Ich stellte die Personalien des Juden Lasser hierauf fest und erklärte diesem, daß er die Ortschaft Haibach zu verlassen habe um die öffentliche Ruhe und Ordnung aufrecht erhalten zu können. Der Jude ging hierauf auch gegen Aschaffenburg zu. Es liefen diesem immer noch Buben nach.

Der elf Jahre alte Schüler [N.N.a] von Haibach kam später zur Gendarmeriestation und gab an: ''Ich bin dem Juden ebenfalls bis zum Dörrenberg nach. Ich habe auch Judenstinker gerufen. Am Dörrenberg hat der Jude zu uns gesagt, daß er kein Deutscher sein möchte. Es gehe uns doch noch schlecht.''

Der 11 Jahre alte Schüler [N.N.b] von Haibach Fischergasse 22 wohnhaft machte dieselben Angaben.

Der verheiratete Arbeiter [N.N.c] von Haibach, 35 Jahre alt, Gartenstr. 25 wohnhaft, erschien bei der hiesigen Gendarmeriestation, erstatte gegen den Juden Lasser Anzeige wegen Betrugs und gab an:

''Ich war am 6. Mai 1938 in Gemeindezimmer zu Haibach und habe schriftliche Arbeiten für die NSV erledigt. Gegen 12 Uhr bin ich nach Hause gekommen. Als ich meine Küche betreten, habe ich in dieser eine Mannsperson gesehen. Ich habe mit Heil Hitler gegrüßt. Die in meiner Küche anwesende Person hat den Gruß mit ''Heil Hitler'' erwidert. Die Mannsperson ist auf mich zu, hat mir die Hand gegeben und hat sich als Reisender der Fa. Schweickert vorgestellt. Hierauf hat dieser mich gefragt, ob der Wein gut gewesen sei. Er hat auch einige Kostproben eingeschenkt. Bevor ich schon gekommen bin, hat dieser Jude meiner Ehefrau sowie anderen Frauen schon Kostproben gegeben gehabt. Ich habe hierauf mit diesem Reisenden auch eine Bestellung abgeschlossen. Nach Abschluß habe ich den Reisenden noch gefragt, ob das Geschäft auch nicht jüdisch sei. Der Reisende hat mir erwidert, daß das Geschäft sehr gut katholisch sei.

Baum wird geladen...