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Chronik und Quellen
1938
April 1938

Bericht aus Calw

Am 28. April 1938 berichtet die Gendarmerie Calw über den lokalen Viehhandel:

Zum Auftrag vom 19.4.38 wird gemeldet:

Außer in Neubulach sind die jüdischen Viehhändler auf allen Viehmärkten des Kreises noch zugelassen. In Calw selbst seit etwa einem Jahr allerdings nur noch diejenigen, welche den Markt schon jahrelang besuchen. Und schon einige Jahre mit der Einschränkung, daß sie nur auf einem bestimmten Teil des Marktplatzes, abgesondert von dem übrigen Markt ihre Geschäfte betreiben dürfen.

Die Viehmärkte in den Marktflecken des Kreises sind fast völlig unbedeutend. Eine wahrnehmbare Auswirkung beim Ausschluß der jüdischen Viehhändler tritt da nicht ein. Solch unbedeutende Märkte besuchen höchstens unbedeutende jüdische Händler, wenn es überhaupt einer für lohnend hält einen solchen Markt aufzusuchen. In Calw dagegen macht vorwiegend der jüdische Viehhändler den Markt. Er ist zwar auch nicht sehr bedeutend. Wenn aber der jüdische Viehhändler vollends ausgeschaltet wird, sinkt vollends zur Bedeutungslosigkeit herab, wenn nicht arische Viehhändler als Ersatz an ihre Stelle treten. Zur Zeit findet insbesondere von Kleinlandwirten immer noch ein reger Handel mit den Juden statt, weil er borgt. Der Vieh verkaufende Landwirt borgt in der Regel nicht und die arischen Viehhändler fehlen, die borgen könnten. Ein weiterer Grund ist, daß beim Juden noch verhältnismäßig gerne gekauft wird, weil er in der Hauptsache Nutzvieh zuführt und die Zufuhr von solchen durch die Landwirte gering ist.

Bereits am 23. April hatte der örtliche Bürgermeister gemeldet:

Diejenigen jüdischen Viehhändler , die vor der Machtergreifung die hiesigen Viehmärkte besucht haben, sind hier nach wie vor zu den Märkten zugelassen. Ihre Zahl ist jedoch nennenswert zurückgegangen.

Durch das Verbot des Marktbesuches in anderen Gemeinden drohte die Zahl der jüdischen Händler auf dem Calwer Viehmarkt übermäßig anzuwachsen. Da dies in der Bevölkerung, und vor allem in Parteikreisen Ärgernis erregte, habe ich die neu hinzugekommenen jüdischen Händler veranlaßt, dem Calwer Viehmarkt fern zu bleiben. Diese Einwirkung scheint mir angebracht und nationalsozialistischen Grundsätzen zu entsprechen. Ich war mir dabei klar, daß mir eine gesetzliche Grundlage hierfür nicht zur Verfügung stand, habe deshalb auch kein direktes Verbot des Besuchs für jüdische Händler erlassen. Der gewünschte Erfolg wurde jedoch auch auf dem gewählten Weg erreicht.

Und am 26. April 1938 der Calwer Landrat:

1) Viehmärkte werden abgehalten von den Gemeinden: Calw, Deckenpfronn, Neubulach, Neuweiler, Unterreichenbach.

2) Calw, Deckenpfronn und Neuweiler haben ein Marktverbot für jüdische Viehhändler nicht erlassen, jedoch treten diese in den beiden letzten Gemeinden nicht mehr in Erscheinung. In Calw kommen auf den Markt nur solche, die schon jahrelang regelmäßig vertreten sind.

3) Besondere Auswirkungen hat die Ausschließung der jüdischen Händler nicht mit sich gebracht. Nach Mitteilung [...] zeigt sich jedoch jetzt deutlicher, daß noch ein starker Mangel an arischen Nutzviehhändlern besteht, der allmählich behoben werden sollte. Eine entsprechende Einwirkung bei den maßgebenden Organisationen halte ich für empfehlenswert.

4) Die von den Gemeinden Neubulach und Unterreichenbach ausgesprochenen Verbote sind auf keine besondere gesetzliche Bestimmung gestützt. Sie gründen sich vielleicht mehr auf das allgemeine Volksempfinden, wonach Deutschen nicht zugemutet werden kann, an einem Platze Handel zu treiben, wenn daneben jüdische Händler dieselbe Tätigkeit ausüben.

Bereits am 21. April 1938 hatte der Bürgermeister von Egenhausen in dieser Angelegenheit seine Beobachtungen geschildert:

Jüdische Viehhändler sind auf den Märkten in Altensteig, Nagold, Wildberg immer noch, wenn auch in ganz beschränktem Maße anzutreffen. Daß es bis jetzt noch nicht möglich war, diese ganz auszuschalten, rührt hauptsächlich daher, daß zu wenig arische Viehhändler sich bereit erklären, den immerhin mit einem gewissen Risiko verbundenen Nutzviehhandel auszuüben. Das Bedürfnis für Nutzvieh ist aber gegenwärtig sehr stark und wird es auch bleiben. Nun ist aber die leidige Tatsache vorhanden, daß der Landwirt und Bauer deshalb in vielen Fällen lieber mit dem Juden handelt, weil er für Tiere, die eigentlich zur Schlachtbank gehören, vom jüdischen Händler etwas mehr bekommt als vom arischen, weil der Jude so geschäftsgewandt ist, daß er, ohne mit den Strafbestimmungen in Konflikt zu kommen, das meistens fehlerhafte Vieh mit Gewinn absetzen kann.

Aus diesem Grunde ist es auch sehr schwer, die Juden ganz auszuschalten, wenn nicht dafür gesorgt wird, daß so rasch als möglich zuverlässige arische Händler aufgestellt und gewonnen werden. Ferner ist dringend notwendig, daß bei jeder Gelegenheit, von sämtlichen dazu berufenen Stellen daraufhin hingewirkt wird, daß zuverlässige Volksgenossen sich bereit erklären, daß sie sich dem Viehhandel mit Nutzvieh widmen. Der Andrang zum Schlachtviehhandel ist deshalb so stark, weil hier viel weniger Sachkenntnis und Kapital erforderlich ist als beim Nutzviehhandel. Als Kreisbauernführer habe ich in dieser Hinsicht, trotzdem ich bei jeder Gelegenheit auf diesen wunden Punkt hinweise, keine guten Erfahrungen gemacht.

Nach den zur Zeit geltenden gesetzlichen Bestimmungen kann die Ausschließung jüdischer Händler nur dann erfolgen, wenn sie sich Verfehlungen in Bezug auf nicht einwandfreien Handel schuldig gemacht haben. Die Herrschaften sind aber in diesem Kapitel so gewieft, daß es in den seltensten Fällen möglich ist, ihnen beizukommen, weil meistens die bäuerlichen Zeugen im entscheidenden Moment nicht Stand halten.

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