Bericht der NSDAP-Reichsleitung
Am 15. April 1938 gibt das Hauptamt für Kommunalpolitik der NSDAP Reichsleitung folgenden Bericht des Gauamts für Kommunalpolitik Sachsen weiter:
In Leipzig wohnen von den rund 18.000 in Sachsen gezählten Juden rund 11.000. Diesen werden folgende Beschränkungen auferlegt: die Stadtverwaltung tätigt keine Geschäfte mit Juden, auch nicht die Beschaffungsstelle. Jede Verbindung mit Juden, die diesen irgendwelchen wirtschaftlichen Vorteil bieten könnte, wird unterbunden. Sie erhalten keine Darlehen, auch nicht von Spar- und Girokassen. Ausschreibungsangebote werden an Juden grundsätzlich nicht ausgegeben. Bei der Vergebung von Lieferungen werden Juden nicht berücksichtigt. Vor allen derartigen Entschließungen werden stets Handwerkskammer, Handelskammer und der Verein für Kreditreform gehört. In allen Städten und Gemeinden des Bezirks sind Juden von Gemeindeaufträgen und von der Benutzung öffentlicher Anstalten und Einrichtungen ausgeschlossen. Juden dürfen nicht betreten: Gemeinschaftsbäder (Dampf-, Schwimm- und Sommerbäder)1 , das Leihhaus und die städtischen Bücherhallen. Erscheinen sie, so werden sie gerichtlich belangt. Zu erwähnen wäre noch, daß an Juden keine Wandergewerbescheine und Legitimationskarten mehr ausgegeben werden, weil man den Standpunkt vertritt, daß die Juden unzuverlässig sind. Eine Entscheidung des Reichswirtschaftsministers, der hierfür zuständig ist, steht noch aus. Dazu kommen die schon von Reichs wegen geregelten Einschränkungen, daß Juden keine Kinderbeihilfe, Ehestandsdarlehen und Ermäßigung der Gebühren für den Rundfunk erhalten.
Ferner werden Stiftungsgelder grundsätzlich an Juden nicht gewährt. Angehörige der Israelitischen Religionsgemeinde dürfen Feiern in städtischen Friedhöfen nicht abhalten. Die Beisetzungen selbst müssen gestattet werden. Ebenso müssen Juden noch in der öffentlichen Fürsorge unterstützt werden. Jedoch werden sie hier sehr zurückhaltend behandelt. Im Bezirk der Amtshauptmannschaft ausschließlich der Stadt Leipzig ist im Jahre 1937 nur ein Jude fürsorglich betreut worden. Dieser wird in weit geringerem Umfange als deutsche Volksgenossen unterstützt. Neu hinzuziehende Juden werden, wenn sie keine Wohnung haben, nur im Obdachlosenhause untergebracht. Von Leipzig wegziehende Juden erhalten Auswandererbeihilfen. Land wird an Juden nicht verpachtet. Bei Grundstücksgeschäften mit Juden wird stets vertrauliche Mitteilung an die Geheime Staatspolizei sowie an den dafür zuständigen Oberfinanzpräsidenten erstattet. Vom land- und forstwirtschaftlichen Grundstücksverkehr sind die Juden durch die Grundstücksverkehrs-Bekanntmachung vom 26.1.1937 ausgeschlossen; bei dem übrigen Grundstücksverkehr (z.B. Wohnhäuser) besteht verwaltungsmäßig nur insoweit Einfluß, als eine Prüfung nach den Preisstopbestimmungen in Frage kommt. Auf dem Gebiete des Grundstücksverkehrs bedarf es noch gesetzlicher Regelung, da es doch zweifellos künftig ausgeschlossen sein möchte, daß ein Jude deutschen Grund und Boden erwerben kann. Auf Messen und Märkten der Stadt werden stets erst die arischen Gesuchstellen berücksichtigt. Den Vieh- und Schlachthof dürfen jüdische Viehagenten und Großschlächter nicht mehr benutzen.2 Auch ist das Schächten im Vieh- und Schlachthof untersagt. Judenkinder werden grundsätzlich von der Kinderspeisung ausgeschlossen. In allen ärztlichen und nebenärztlichen Stellen darf kein Jude mehr sein.3 Von den rund 11.000 Juden, die zur Zeit noch in Leipzig wohnen, sind noch 44 Juden Mieter stadteigener Wohnungen. Es wird dauernd versucht, die noch bestehenden Mietverträge mit den Juden zu lösen. Außerdem ist augenblicklich eine Erhebung im Gange, um die Juden zu erfassen, die Geschäftslokale in städtischen Häusern inne haben. Beachtlich ist auch, daß von der Stadt - Jugendamt - z.Z. noch 120 außereheliche Kinder betreut werden, deren Väter Juden sind, von denen die Hälfte sich aber nach der Machtübernahme durch Verzug ins Ausland der Unterhaltspflicht entzogen hat. Auf schulischem Gebiete werden ab Ostern 1938 sämtliche Judenkinder der Volksschulen in zwei Sammelklassen zusammengefaßt. - Bei Beschulung der Berufspflichtigen ist geplant, auch Klassen in einem Gebäude zusammenzufassen.