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Chronik und Quellen
1941
Oktober 1941

Zeitzeugenbericht über Deportation aus Köln

Einen Eindruck von der Angst der Menschen, denen eine Deportation drohte, gibt der detaillierte Bericht der damals 64 Jahre alten Melanie Leffmann. Sie wohnte Am Hunnenrücken 42, in einem der Ghettohäuser, und hatte am 16. Oktober 1941 eine Zuweisung für den Transport nach Lodz am 21. Oktober bekommen. Mit dem Mut der Verzweiflung versuchte sie in den wenigen Tagen, die ihr blieben, eine Zurückstellung zu erreichen:

„Es war der erste Transport, der von Köln ging; in der Gemeinde sprach es sich herum, dass man nach Polen käme, man ließ sich auch Rucksäcke machen, aber ernstlich glaubten es doch wenige, dass es mal soweit kommen könnte. Ich war wie zerschlagen; ich hatte nur einen Gedanken, was machen, um nicht mitzugehen; vielleicht krank sein; ich ging zu Dr. K., Benesisstr. 7, der mich mal an Grippe behandelt hatte, zeigte ihm meinen Ausweisungsbefehl und bat ihn, mich ins Krankenhaus Israelitisches Asyl in Köln-Ehrenfeld, Ottostr. 85, zu überweisen, was er auch tat, ebenso auf meine Bitte ein Attest für die Gestapo mit der Post zu schicken, das kam zu spät an, und so ging ich selbst zur Gestapo in die Elisenstraße. Ich klingelte, es wurde aufgedrückt, in der Halle saß hinter Glas ein SS-Mann, ich hatte den Judenstern an, er sagte nichts, deutete mit dem Finger auf ein Plakat, darauf stand: Juden haben keinen Zutritt; ich sagte, ich wusste das nicht, er möchte bitte den Brief abgeben, ich sei krank und könnte mit dem Transport nicht mit; er sagte: ‚Das gibt es nicht, Sie können doch gehen und wenn nicht, werden Sie mit der Bahre abgeholt. Der Herr, der den Transport leitet, ist verreist, machen Sie, dass Sie weiter kommen. Ich weiß selbst nicht, wie ich die Courage hatte, ich nahm aus meiner Tasche einen Geldschein, legte das Geld auf den Brief und sagte noch mal: ‚Bitte nehmen Sie ihn doch an’. Er sah das Geld und sagte: ‚Geben Sie ihn her‘. Ich legte ihn auf den Schreibtisch, er steckte das Geld in einen Behälter, der auf dem Tisch stand.

Ehe ich ins Krankenhaus ging, musste ich meine Einweisung noch vom Amtsarzt bestätigen lassen, doch der war auch verreist und so ging ich Montag, den 20. Oktober abends ins Krankenhaus Israelitisches Asyl. Es wurden meine Personalien aufgenommen, doch der Oberarzt Dr. Falkenstein war nicht da, er kam sehr spät und sagte, sie dürften nur Sterbende vor einem Transport aufnehmen und ohne Bescheinigung vom Amtsarzt auch nicht, es käme Kontrolle. Es tat ihm leid, aber ich könnte nicht da bleiben und solle morgen früh um 7 Uhr zum Transport in der Messehalle sein, ich weinte und bat, ich durfte um 8 Uhr nicht mehr auf der Straße sein. Es half alles nichts, die anderen Ärzte waren auch zugegen und so ließ ich mir den Krankenwagen kommen und fuhr wieder zurück nach Hunnenrücken 42.

Es wohnten zehn Familien dort in dem Haus und der Arzt Dr. Otto Weidemann behandelte sie, er wohnte in nächster Nähe, ich ließ ihn rufen und erzählte ihm den Vorgang und dass ich mir die Pulsadern öffne, wenn ich hörte, dass die Gestapo mich holen käme, denn ich müsste schon in der Messehalle sein. Er sprach mit seiner Frau, die auch Ärztin war, um zu überlegen; er versprach, er komme doch bestimmt, ich solle nichts tun und meiner Gesundheit nicht schaden. Abends 6 Uhr kam Dr. Weidemann und sagte, er spricht mit Dr. K., dass er gerufen wurde, ich sei in einer todähnlichen Ohnmacht gelegen. Er beruhigte mich, er habe sich erkundigt, der Transport ginge erst Mittwochnacht 10 Uhr ab, und der Buchstabe L sei nicht so früh daran. Es war aber doch eine furchtbare angstvolle Nacht.

Mittwochvormittag kam Dr. Weidemann und sagte, er habe den Krankenwagen bestellt, ich wurde sofort abgeholt, ich war auch mehr tot wie lebendig, wurde auf die Bahre gelegt und im Krankenhaus kamen die Ärzte Dr. Falkenstein, Dr. Aufrecht, Dr. Plato, Dr. Bischofswerder, Frl. Dr. Hermann fühlten mir den Puls und ich kam direkt ins Sterbezimmer. Da lag eine Frau Dessauer aus Hagen, 80 Jahre alt, und sagte: ‚Wollen Sie auch sterben? Mir haben sie meinen Sohn mitgenommen. Eine andere Frau war am Sterben und auch Fr. Dessauer starb kurz nachher. Ich wurde behandelt, geröntgt, und kam später in den großen Saal mit 40 Kranken. Es war das einzige jüdische Krankenhaus im Rheinland und daher überfüllt, andere Krankenhäuser nahmen keine Juden auf.

Nun ging wieder ein Transport, der Amtsarzt kam und ging von Bett zu Bett, nachsehen, wer soweit war mitzugehen. Dr. Falkenstein sagte nachher zu mir: ‚Sie hatten Glück, dass Sie im Bett waren, diesmal hätten Sie von hier aus mitgehen müssen“.

Bei jedem Transport versuchten Leute, sich das Leben zu nehmen. Immer mehr Kranke wurden eingeliefert, es war kein Platz und so wurde ich auch entlassen. Ich hatte alles versucht zu bleiben, es war mir geglückt bis 24. November, aber da musste ich raus. Ich ließ mir noch bescheinigen, dass ich noch ärztlicher Behandlung bedarf, und zu Hause blieb ich immer zu Bett und in Behandlung von Dr. Weidemann. Am 6. Dezember 1941 kam meine Ausweisung nach Riga. Der Herr von der jüdischen Gemeinde sah, dass ich krank war. Ich gab ihm ein Attest von Dr. Weidemann und er stellte mich für den nächsten Transport zurück.“

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