Ankaufsstellen für jüdische Wertgegenstände
Am 25. Januar 1939 versendet der Reichswirtschaftsminister folgendes Schreiben an die städtischen Pfandleihanstalten:
Der Reichswirtschaftsminister Berlin W 8, den 25. Januar 1939
III Jd. 1965/39 Behrenstr. 43
Betr.: Errichtung öffentlicher Ankaufsstellen nach § 14 der Verordnung über den Einsatz des
jüdischen Vermögens vom 3. Dezember 1938 - Reichsgesetzbl. I S. 1709 - und § 4 der
Durchführungsverordnung hierzu vom 16. Januar 1939 - Reichsgesetzbl. I S. 37 -.
1. Durch § 14 der Verordnung über den Einsatz des jüdischen Vermögens ist es Juden verboten, Gegenstände aus Gold, Platin oder Silber, sowie Edelsteine und Perlen zu erwerben, zu verpfänden oder freihändig zu veräußern. Solche Gegenstände dürfen, abgesehen von der Verwertung eines bei Inkrafttreten dieser Verordnung zu Gunsten eines nicht jüdischen Pfandgläubigers bereits bestehenden Pfandrechts, aus jüdischem Besitz nur von den vom Reich eingerichteten öffentlichen Ankaufsstellen erworben werden. Das gleiche gilt für sonstige Schmuck- und Kunstgegenstände, soweit der Preis für den einzelnen Gegenstand 1.000 Reichsmark übersteigt.
Diese Vorschriften gelten nicht für Juden ausländischer Staatsangehörigkeit.
In § 3 Absatz 1 der Durchführungsverordnung vom 16. Januar 1939 - Reichsgesetzbl. I S. 37 - sind als öffentliche Ankaufsstellen für Gegenstände aus Gold, Platin oder Silber sowie Edelsteine und Perlen im Sinne des § 14 der Verordnung über den Einsatz des jüdischen Vermögens die öffentlichen, von Gemeinden (Gemeindeverbänden) betrie-
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benen Pfandleihanstalten bestimmt worden.
Für den Erwerb von sonstigen Schmuck- und Kunstgegenständen aus jüdischem Besitz, deren Einzelpreis den Betrag von 1.000.- RM übersteigt, wird für das gesamte Reichsgebiet in Berlin eine Ankaufsstelle für Kulturgut eingerichtet.
2. Die kommunalen Pfandleihanstalten sind hierdurch über ihr bisheriges Arbeitsgebiet hinaus damit beauftragt worden, Gegenstände aus Gold, Platin und Silber sowie Edelsteine und Perlen aus jüdischem Besitz zu erwerben oder zu vermitteln. Diese Gegenstände können bis zu einem Auszahlungspreis von 300.-- RM von den Ankaufsstellen grundsätzlich für eigene Rechnung erworben werden. Gegenstände aus Gold mit einem Gewicht von 20 g und darüber und einem Feingehalt von 333/1000 Gold und darüber sind jedoch in allen Fällen einer Zentralstelle in Berlin zuzuleiten, die in meinem Auftrag durch die Industrie- und Handelskammer in Berlin eingerichtet wird.
Die Ankaufsstellen sind verpflichtet, die von ihnen für eigene Rechnung erworbenen Werte den örtlichen Fachgruppen des Handels und Handwerks zum Verkauf anzubieten. Wird der Verkauf von diesen abgelehnt, so erfolgt die Veräußerung im Wege der öffentlichen Versteigerung.
3. Gegenstände mit einem wahrscheinlichen Auszahlungswert von mehr als 300 RM sind von den Ankaufsstellen der Zentralstelle in Berlin zu überweisen. Die Industrie- und Handelskammer in Berlin wird den Ankaufsstellen die Anschrift dieser Zentralstelle demnächst mitteilen.
Die örtliche Ankaufsstelle hat dem Einlieferer eine Bescheinigung über die Einlieferung unter Bezeichnung der eingelieferten Gegenstände auszuhändigen. Der Einlieferer ist hierbei darauf aufmerksam zu machen, daß die Gegenstände einer Zentralstelle in Berlin zur Abschätzung übersandt werden und daß er von dieser ein Angebot erhalten wird. Er ist ferner darüber zu unterrichten, daß im Falle einer Ablehnung dieses Angebots die Rücksendung der Gegenstände an ihn unter Erhebung einer Nachnahmegebühr von mindestens RM 20.-- für entstandene Kosten erfolgt.
Die Zentralstelle ermittelt den Ankaufswert. Ihr stehen hierbei die vereidigten Sachverständigen der Industrie- und Handelskammer zu Berlin zur Verfügung. Der ermittelte Auszahlungswert wird von der Zentralstelle dem Einlieferer unmittelbar mitgeteilt. Der Einlieferer hat sich innerhalb einer Frist von einer Woche, gerechnet ab Erhalt der Benachrichtigung, über die Annahme dieses Angebots
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zu entscheiden. Im Falle der Annahme erfolgt alsbald die Auszahlung an den Einlieferer. Im Falle der Ablehnung des Angebots werden die Gegenstände dem Einlieferer unter Nachnahme eines Kostensatzes von mindestens RM 20.-- mit der Post zurückgesandt.
4. Als Auszahlungswert für die von den örtlichen Ankaufsstellen für eigene Rechnung erworbenen Gegenstände ist der auf dem Weltmarkt im Großhandel übliche Preis abzüglich 10 % für entstehende Kosten zugrundezulegen.
5. Bei der Veräußerung durch die örtlichen Ankaufsstellen ist davon auszugehen, daß der Erwerber in jedem Falle mindestens den Preis zu zahlen hat, der erfahrungsgemäß bei öffentlichen Versteigerungen erzielt wird. Dieser Preis wird festgesetzt vom Leiter der Ankaufsstelle.
Etwa sich ergebende Überschüsse stehen dem Reich zu Verfügung.
6. Mit dem in Ziffer 4) benannten Abschlag von 10 % auf den Auszahlungspreis sind alle der Ankaufsstelle entstehenden Kosten erstattet einschließlich der ihr durch die Geschäftsabwicklung mit der Zentralstelle in Berlin entstehenden Kosten. Dies gilt nicht für die Kosten der Versendung, Überbringung usw. von Gegenständen nach der Zentralstelle.
7. Die Art der Veräußerung durch die Zentralstelle wird besonders geregelt.
8. Soweit einem auswandernden Juden nach diesem Verfahren in angemessener Frist von den Ankaufsstellen Barmittel zur Verfügung gestellt werden können, fällt die Notwendigkeit fort, auf Grund meines Erlasses vom 16. Januar 1939 - V Dev. 3/1774/39 - Schmuck- und Wertsachen in Verwahrung zu nehmen. Im übrigen können diese Gegenstände in besonders eiligen Fällen weiter in Verwahrung genommen werden.