Menü
Chronik und Quellen
1941
September 1941

Situation in Gettohäusern

Julius Jacoby berichtet der Reichsvereinigung am 7. September 1941 über die Situation in den „Judenhäusern“ in Hannover:

Reise-Bericht

Betr.: Umsiedlungsaktion der jüdischen Bevölkerung in Hannover.

Am 6-/7. September d. Js. fuhr ich auf Veranlassung der Reichsvereinigung nach Hannover und habe folgendes zu berichten: Die Umsiedlungsaktion ist abgeschlossen. Sämtliche hannoverschen Juden (rund 1600) sind jetzt in 15 Häusern zusammengeballt. Von diesen 15 Unterkünften besichtigte ich mit Herrn Dr. Schleisner und zum Teil mit dem Gemeindesekretär Herskovitz 6 Stellen verschiedener Rangstufen, um mir ein objektives Bild zu verschaffen.

Bergstraße 8 (bislang Büroräume der Reichsvereinigung, Bezirksstelle Hannover, Synagoge und gleichzeitig Turnhalle).

Übermäßige Anhäufung, Bett neben Bett, kein Platz für Gänge. Keine Geschlechter-Tren-nung, Verheiratete und Unverheiratete, alte und junge Menschen, Kinder und Säuglinge unterschiedslos in der Turnhalle und auf schmalen Galerien untergebracht. Notausgänge versperrt. Tische und Stühle fehlen wegen Platzmangels. Menschen hocken zumeist auf den Betten und nehmen auch dort ihre Mahlzeiten ein. In einer 4 m unter der Straße liegenden Waschküche wird das Essen zubereitet. Vorratsräume unhygienisch. Luftschutzkeller fehlen, weil diese für Küche und Vorräte in Anspruch genommen. 4 Wasserzapfstellen und 5 Toiletten für die ganze Belegschaft, einschließlich der Angestellten der Reichsvereinigung. Keine Möglichkeit zum Waschen der Wäsche. 134 Menschen sind dort eingewiesen, untergebracht sind bislang 90, damit aber bereits überbelegt. Lützowstr. 3 (früheres Gemeindehaus und Schule).

Wiederum übermäßige Belegung, pro Person keine 3 qm Grundfläche. Zum Beispiel sind in einem Raum von 42 qm Grundfläche 5 Erwachsene, eine fünfköpfige Familie und eine vierköpfige Familie, zusammen 14 Personen. Ebenfalls befinden sich Menschen im offenen Dachstuhl, außerordentlich feuergefährlich. Mehrere Menschen liegen in einem Bett. Tuberkulose-Kranke. Toiletten ausreichend, weil auf dem Hof 6 frühere Schul-Klosetts vorhanden. 95 Personen sind eingewiesen, mit den früheren Bewohnern zusammen 125 Personen.

Schelvinstr. 12 (älteres Wohngebäude, mit arischen Familien gemischt).

Gekocht wird in kleinen Küchen, in denen sogar Menschen wohnen müssen. Wanzen, sonst wie vorher. 58 Personen eingewiesen, mit denen, die dort schon wohnten, 76 Personen.

Knochenhauerstr. 61 (altes, im Inneren zerfallenes Fachwerkgebäude).

Wanzen, Ratten, Toiletten vom hygienischen Standpunkt aus unmöglich. In einem nur 15 qm großen Raum 4 Personen und 1 Kind. Unter der Belegschaft ein schwer gelähmter Mann. 2 arische Familien im Hause. 29 Personen eingewiesen, mit den früheren Personen, die dort wohnten, zusammen 35 Menschen.

Körnerstr. 24

An sich gutes Wohngebäude in guter Wohngegend, nur dieselbe Überfüllung wie vorhergesagt. Beispiel: in einem 30 qm großen Raum 10 Menschen und 1 Kind. Auf 30 Personen 1 Abortsitz. Fenster zum Teil mit Möbeln verstellt. Lüftung behindert. Arische Familien in demselben Haus. 90 Personen eingewiesen. Mit den früheren 19 Bewohnern 109 Personen.

Israelitisches Krankenhaus und Altersheim. Ellernstr. 14

gehört zu den besten Unterkünften, erklärlich, weil die sanitären Einrichtungen des Krankenhauses zur Verfügung stehen. Kranken-Abteilung ist nicht berührt worden. Im allgemeinen Versuch, Geschlechter-Trennung vorzunehmen, ließ sich nicht ganz durchführen. In 3 Zimmern je 2 Ehepaare und Einzelpersonen untergebracht. Das Krankenhaus ist bereits jetzt durch notwendige Aufnahmen überfüllt.

Zusammenfassung:

Bei der Zusammenballung und den unhygienischen Verhältnissen besteht Epidemiegefahr. Eine umgehende Verbesserung erscheint notwendig. Diese ließe sich nur dadurch erzielen, daß mehr Wohnraum für die jüdische Bevölkerung freigegeben wird. Von Herrn Dr. Schleisner werden die Häuser Körnerstr. 5 (früheres Altersheim), Wisemannstr. 11 und 12 (ebenfalls Eigentum der Reichsvereinigung, früher Simonsche Stiftung) in Vorschlag gebracht. Außerdem wäre es zweckmäßig, wenn der Gemeinde die Unterbringung der jüdischen Bevölkerung bezw. die Verteilung des Wohnraumes überlassen werden könnte und ihr bei Neu-Verteilung längere Fristen gewährt werden.

Baum wird geladen...