„Verschärfung des Judenbegriffs“?
Unter Vorsitz Eichmanns diskutieren Vertreter von Ministerien und Sicherheitspolizei am 13. August 1941 in Berlin über eine „Verschärfung des Judenbegriffs“:
Verschärfung des Judenbegriffs.
Erster Vermerk: An einer heute unter dem Vorsitz des Sturmbannführers Eichmann im Hauptamt Sicherheitspolizei, Kurfürstenstr. 116, über Fragen des europäischen Blutschutzes stattgefundenen Sitzung haben außer dem Unterzeichneten und mehreren Herren des Sicherheitshauptamtes Ob.Reg.Rat Reischauer als Vertreter der Partei-Kanzlei und Landgerichtsrat Massfeller als Vertreter des Justizministeriums teilgenommen. Sturmbannführer Eichmann verlas eingangs den vom Herrn Reichsmarschall dem Herrn SS-Gruppenführer Heydrich erteilten Auftrag, die Endlösung der europäischen Judenfrage vorzubereiten. Im Anschluß daran bat er Herrn ORR Reischauer, wie offenbar vorher vorbereitet, kurz die Fragestellung zu umreißen, da ORR Reischauer durch Verhandlungen mit anderen Stellen (?) bereits einige Erfahrungen gewonnen habe.
ORR Reischauer führte aus, daß im Reich durch die Einheitlichkeit der Rassenauffassung und infolge der Erziehungsarbeit in den vergangenen Jahren manches durchführbar sei, ohne daß eine gesetzgeberische Maßnahme erforderlich wäre, was in anderen Ländern Europas ohne den klaren gesetzgeberischen Befehl nicht durchgeführt werden könnte. Es sei darum notwendig, in erster Linie den Personenkreis jüdischen Blutes, der aus den europäischen Völkern herausgenommen werden soll, eindeutig zu bestimmen. Die wichtigste und zunächst zu erörternde Frage sei also die des Judenbegriffes. Die Auffassung der Partei-Kanzlei über den im Reich geltenden Judenbegriff sei bekannt. Sie halte ihn für nicht befriedigend. Insbesondere erstrebe sie, die jüdischen Mischlinge 1. Grades zu den Juden abzudrängen. Es sei nun die Frage aufzuwerfen, ob man dem übrigen Europa einen anderen Judenbegriff empfehlen wolle, als er gegenwärtig im Reich gilt. In diesem Falle würde man, wenn man den reichsrechtlichen Judenbegriff bestehen läßt, den durch ihn zum Unterschied von dem übrigen Europa nicht erfaßten Personenkreis jüdischen Blutes im Verwaltungswege den Juden gleichstellen, d. h. sie ebenfalls evakuieren können.
Im Verlaufe einer sich hieran anschließenden unverbindlichen Unterhaltung wurde auch die Frage aufgeworfen, ob es in unserem Interesse liegen kann, den erstrebten schärferen Judenbegriff in allen Ländern Europas zur Anwendung zu bringen, oder ob es nicht wünschenswert sei, je nach den Volkstumsverhältnissen die Intensität der Herauslösung jüdischen Blutes abzustufen.
Sturmbannführer Eichmann schlug vor, zur Vorbereitung und Prüfung dieser Fragen eine Arbeitsgemeinschaft zu bilden, an der außer den oben aufgeführten Teilnehmern je nach der zu erörternden Frage auch andere Ressorts beteiligt werden sollen. Diesem Vorschlage wurde allseitig zugestimmt. Diese Arbeitsgemeinschaft soll die mit dem Blutschutz in Europa zusammenhängenden Fragen prüfen und Vorschläge ausarbeiten, die dem eingangs erwähnten Auftrag zugrunde gelegt werden sollen. Abgesehen von der Judenfrage wird auch der Schutz vor nichtjüdischen Fremdblütigen zur Erörterung stehen.
Im Mittelpunkt der für Dienstag, den 19. August, um 16 Uhr vereinbarten ersten Sitzung soll die Frage des Judenbegriffes stehen. (Beibehaltung im Reich und Anwendbarkeit auf das übrige Europa.)