Richtlinien zur Auswanderung
Das Reichssicherheitshauptamt erlässt am 20. Mai 1941 Richtlinien für die Auswanderung von Juden:
Betrifft: Auswanderung von Juden aus Belgien, dem besetzten und unbesetzten Frankreich - Auswanderung von Juden aus dem Reichsgebiet in das unbesetzte Frankreich. Bezug: Ohne.
Juden deutscher Staatsangehörigkeit, die sich z. Zt. in Frankreich und Belgien aufhalten, suchen bei verschiedenen Behörden im Reichsgebiet um Nachsendung von Urkunden, z. B. Reisepässe, Führungszeugnisse usw., zum Zwecke der Auswanderung an.
Gemäß einer Mitteilung des Reichsmarschalls des Großdeutschen Reiches ist die Judenauswanderung aus dem Reichsgebiet einschließlich Protektorat Böhmen und Mähren auch während des Krieges verstärkt im Rahmen der gegebenen Möglichkeiten unter Beachtung der aufgestellten Richtlinien für die Judenauswanderung durchzuführen. Da für die Juden aus dem Reichsgebiet z. Zt. nur ungenügend Ausreisemöglichkeiten, in der Hauptsache über Spanien und Portugal, vorhanden sind, würde aber eine Auswanderung von Juden aus Frankreich und Belgien eine erneute Schmälerung derselben bedeuten. Unter Berücksichtigung dieser Tatsachen und im Hinblick auf die zweifellos kommende Endlösung der Judenfrage ist daher die Auswanderung von Juden aus Frankreich und Belgien zu verhindern. Ich bitte, die in Frage kommenden innerdeutschen Behörden des dortigen Dienstbereiches zu unterrichten, daß eine Nachsendung von Urkunden an Juden in Frankreich und Belgien zum Zwecke der Auswanderung nicht erfolgen soll. Bezüglich der Auswanderung von Juden aus dem Reichsgebiet einschließlich Protektorat Böhmen und Mähren in das unbesetzte Frankreich teile ich mit, daß im allgemeinen in besonders gelagerten Fällen, z. B. Übersiedlung mittelloser Juden zu Verwandten im unbesetzten Frankreich, falls kein sicherheitspolizeiliches Interesse an einer Verhinderung der Auswanderung besteht, nach Vorliegen der Auswanderungsbewilligung der französischen Regierung der Auswanderung stattgegeben werden kann. Maßgebend hierbei ist die Feststellung, daß durch die Genehmigung der Auswanderung von Juden in das unbesetzte Frankreich ein Vorteil des Deutschen Reiches entsteht, u. sei es auch nur durch die Tatsache, daß ein Jude das Reichsgebiet verläßt.
Sollte es sich in Einzelfällen zeigen, daß die Einwanderungsbewilligung seitens der französischen Regierung nur im Hinblick auf gewisse Vorteile, die Frankreich durch die Einwanderung dieser Juden entstehen würden, erteilt wurde, so ist in diesen Fällen die Auswanderungsgenehmigung zu versagen. In jedem Einzelfall ist jedoch die vorherige Stellungnahme des Reichssicherheitshauptamtes einzuholen.
Eine Einwanderung von Juden aus den besetzten übrigen europäischen Ländern in das unbesetzte Frankreich ist nicht erwünscht, wenngleich diese nicht immer verhindert werden kann. Eine Einwanderung von Juden in die von uns besetzten Gebiete ist im Hinblick auf die zweifellos kommende Endlösung der Judenfrage zu verhindern.