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Chronik und Quellen
1941
März 1941

Fortschreitende Ausgrenzung

Das Schwarze Korps: Artikel vom 6. März 1941 über die fortschreitende Ausgrenzung der Juden zunächst im Reich und dann in Europa:

Langsam - aber sicher

Wir, die wir den großen Umbruch des Lebens und Denkens selbst miterleben, vergessen allzu leicht die einzelnen Meilensteine und Wegmarken an der zurückgelegten Straße. Es ist das heilige Recht des Revolutionärs, daß er der ewig Fordernde ist. Die Gedanken des deutschen Volkes eilen der Zeit voraus und befassen sich heute bereits mit den Dingen, die kommen werden: mit der Gestaltung des friedlichen Aufbaus, mit Wohnbau- und Siedlungsfragen, mit Fragen der Lebenshaltung und Bedarfslenkung, mit der Abstreifung der letzten liberalen Eierschalen, die unserm Volkskörper noch anhaften. Es gibt genug zu tun, genug zu arbeiten und genug zu fordern für viele Jahre und Jahrzehnte und solange das Leben der Gegenwärtigen währt. Aber es wird immer guttun, das Gesetz der Entwicklung am zurückgelegten Wege abzulesen. Sonst werden wir allzu leicht undankbar, und unser besorgtes Fordern gleicht sich dem bloß verneinenden Gemecker der ewig Unzufriedenen an.

Ein gutes Beispiel bietet uns im großen wie im kleinen die Judenfrage. Im Jahre 1933 mögen es noch einige wenige kühne Phantasten gewesen sein, die ernsthaß daran glaubten, man könne ein Land wie Deutschland tatsächlich entjuden. Heute sehen wir die Entjudung ganz Europas bereits als eine Gewißheit an. 1933 reichte noch manch guter Deutscher einem Juden die Hand, ohne sie hinterher in heißer Lauge zu baden. Heute ist die Trennung so gründlich vollzogen, daß der bloße Gedanke an einen wie immer gearteten „Umgang“ mit Juden einfach unvorstellbar ist.

Das sind Äußerlichkeiten, aber wie riesengroß ist die geistige Entwicklung, die vom bloßen Antisemitismus zur totalen Ausmerzung führt! Und wie schwer war das Ringen um jede einzelne, noch so geringfügige Position! Es waren ja nicht ausgemachte Judenfreunde, die sich der Entwicklung entgegenstemmten - das hätte einen offenen Kampf und eine schnelle Entscheidung gegeben. Es war die geistige Trägheit derer, die einen begonnenen Gedanken nicht zu Ende denken können, wenn er nicht bereits vorgekaut ist.

Im größeren Beispiel ein kleines: Noch vor Jahresfrist gab es vor den Gerichten ein zähes Ringen um die Frage, ob ein Jude einer Betriebsgemeinschaft angehören könne. Eine ganz abwegige Frage - sollte man meinen, denn die Betriebsgemeinschaff ist ein Teil der Volksgemeinschaft, der deutschen Volksfamilie, wie sollte der Jude da hineingehören! Aber es fehlten die Vorgänge, die Bestimmungen und Gesetze, und so kam es immer wieder vor, daß manche Arbeitsgerichte den Juden Rechte auf soziale Errungenschaften zubilligten, die der Nationalsozialismus für die Gefolgschaften erkämpft, nicht zuletzt gegen den jüdischen Ungeist erkämpft hatte.

Heute ist es bereits ganz selbstverständlich, es fällt gar nicht weiter auf, es wird kaum noch vermerkt, wenn das Arbeitsgericht in Köln die Klage eines jüdischen Arbeitnehmers mit dem schönen Namen Hirsch Israel Hirsch auf Gewährung einer Urlaubsvergütung abweist. Der Jude beruft sich auf eine Bestimmung der Betriebsordnung: „Der Anspruch auf Urlaub entsteht nach einer ununterbrochenen Zugehörigkeit von sechs Monaten zur Betriebsgemeinschaft. “ Das Gericht sagt in der Begründung des abweisenden Urteils: „Der Kläger ist Jude. Er hat als solcher grundsätzlich an der Betriebsgemeinschaft keinen Anteil. Kann der Jude nicht der Betriebsgemeinschaft angehören, so muß ihm der Genuß aller Rechte versagt werden, die ihren Ursprung unmittelbar aus der Betriebsgemeinschaft herleiten, also aus der deutschrechtlichen Auffassung, daß das Arbeitsverhältnis ein von dem Gedanken der gegenseitigen Treue, der Fürsorgepflicht des Unternehmers und der sozialen Ehre durchzogenes Gemeinschaftsverhältnis zwischen Führer und Gefolgschaft ist..."

Das ist selbstverständlich? Es ist selbstverständlich, daß ein Jude nicht zur Gefolgschaft zählen kann, es ist selbstverständlich, daß er ein Recht nicht genießt, dessen Gewährung das Judentum als politischer Faktor stets bekämpft und hintertrieben hat? Ja, das ist selbstverständlich seit heute. Gestern war es noch nicht selbstverständlich, gestern war man im Denken noch nicht so weit. Und so kann man die Entwicklung rückläufig Schritt für Schritt verfolgen, was heute selbstverständlich ist, war gestern noch Forderung, galt vorgestern gar als Utopie.

Rückschauend erkennen wir, wie die Macht der Lauen und Trägen und Phantasielosen jeweils um vieles größer war, wie sie mit jedem Zuge der Entwicklung, mit jeder verwirklichten Forderung immer mehr zusammenschrumpfte, wie nach dem Durchbruch der politischen Revolution auch der Revolution des Denkens Schritt für Schritt die Säuberung des erkämpften Raumes gelingt.

Heute stehen andere europäische Völker in den Anfängen des Umbruchs. Wer da meint, es ginge zu langsam, mag am deutschen Beispiel erkennen, daß die innere Wandlung der Menschen zwar nur langsam, dafür aber auch unbeirrbar vor sich geht, wenn nur die wegbereitenden Fahnenträger nicht müde werden.

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