Menü
Chronik und Quellen
1940
Mai 1940

Neues zur Zwangsarbeit

Paul Eppstein protokolliert eine Vorladung zur Gestapo am 30. Mai 1940, bei der die Zwangsarbeit von Juden erörtert wurde:

1. Arbeitseinsatz

Es wird vorgetragen, daß heute um 12 Uhr eine Rücksprache im Reichsarbeitsministerium (Oberregierungsrat Letzsch), vorgesehen sei, bei der Schwierigkeiten, die sich bisher beim Arbeitseinsatz von Juden außerhalb Berlins ergeben haben, zur Erörterung gelangen sollen. Ass. Jagusch erklärt, daß gegen diese Erörterung Bedenken nicht bestehen, daß bei der Erörterung darauf hingewiesen werden soll, daß bei der Aufsichtsbehörde Vorgänge über den Arbeitseinsatz vorliegen und daß eine generelle Regelung des Arbeitseinsatzes und der Berufsausbildung erhoben werde, über die ein unmittelbares Einvernehmen zwischen dem Reichssicherheitshauptamt und dem Reichsarbeitsministerium noch erfolgen werde. Eine Erörterung über diese generelle Regelung wird aufgeschoben. Es wird dargelegt, daß die arbeitseinsatzfähigen Juden zur Arbeit herangezogen werden sollen, sei es im Arbeitseinsatz, sei es in den Einrichtungen zur Berufsausbildung. Ass. Jagusch ersucht um einen schriftlichen Bericht über das Ergebnis der Rücksprache im Reichsarbeitsministerium.

2. Kennzeichnung von Juden im Arbeitseinsatz

Der Sachverhalt wird vorgetragen. Ass. Jagusch bemerkt, daß ihm ein ähnlicher Vorgang aus Köln bekannt geworden sei. Er ersucht um Vorlage eines Berichts, aus dem sich auch die Äußerung der zentralen Dienststelle für luden beim Arbeitsamt Berlin ergebe, damit eine Nachprüfung seitens der Behörde veranlaßt werden kann. Es wird dargelegt, daß eine solche Kennzeichnung im Widerspruch stehe zu der Erklärung, die anläßlich der vorübergehenden Anwendung der Kennzeichnungsmaßnahmen für Juden in den Ostgebieten in Peiskretscham abgegeben worden war, wonach eine Kennzeichnung von Juden im Altreich nicht erfolgen sollte. Da die Juden im Arbeitseinsatz ohnehin in besonderen Gruppen und getrennt von den übrigen Arbeitern zu arbeiten pflegen, erscheine die Kennzeichnung, zumal in der Form eines gelben Davidsterns, der auf Brust und Rücken getragen werden müsse, nicht erforderlich. Es werde daher um Abhilfe gebeten. Ass. Ja-gusch wird sich zunächst mit dem Arbeitsamt in Verbindung setzen.

3. Betreuung der Juden in Eupen und Malmedy

Die Anfrage der Bezirksstelle Köln wird vorgetragen. Nachdem das Gebiet von Eupen und Malmedy gesetzlich eingegliedert ist, äußert Ass. Jagusch keine Bedenken dagegen, daß die dort wohnhaften Juden durch die Reichsvereinigung bezw. durch die Bezirksstelle Köln betreut werden.

4. Berichtsauflagen von Staatspolizeibehörden über die Auswandererabgabe

Es wird vorgetragen, daß eine Reihe von jüdischen Kultusvereinigungen seitens der Staatspolizeistellen in bezug auf die Auswandererabgabe Auflagen erhalten hat. In Köln soll z. B. jede Freigabe aus der Auswandererabgabe, die die Gemeinde bei der Reichsvereinigung beantragt, vorher durch die Stapo genehmigt werden. In Bremen soll auf Veranlassung der Stapo ein Fonds von RM 10 000.- der Kultusvereinigung seitens der Reichsvereinigung zur Verfügung gestellt werden, aus dem sich die Stapo Bewilligungen vorbehält, obwohl Bremen nicht Erhebungsstelle für die Auswandererabgabe ist. In Magdeburg und Chemnitz sollte ein Sonderfonds neben der Auswandererabgabe auf Veranlassung der Stapo errichtet werden. Weitere Berichte liegen bisher aus Leipzig, Hannover und Stolp vor. Ass. Jagusch ersucht um einen zusammenfassenden schriftlichen Bericht, der gleichzeitig an das Referat IV D 4 gehen soll.

5. Einstellung einer Säuglingsschwester aus Kattowitz

Es wird vorgetragen, daß die Jüdische Gemeinde Berlin in ihrem Säuglings- und Kleinkinderheim Berlin-Niederschönhausen eine staatlich geprüfte Säuglingsschwester, die zurzeit ihren Wohnsitz in Kattowitz hat, einzustellen beabsichtigt, da geeignete Fachkräfte im Altreich nicht zur Verfügung stehen. Ass. Jagusch erhebt in diesem Ausnahmefall gegen die Einstellung keine Bedenken.

6. Unterbringung eines Kriegsbeschädigten, zurzeit Neuendorf, bei Verwandten in Berlin Es wird vorgetragen, daß unter den in Schneidemühl zusammengezogenen und dann nach Neuendorf verbrachten Juden sich der jüdische Kriegsbeschädigte Ernst Israel Levin mit Frau und Tochter befindet, der durch seine Kriegsverletzung außerordentlich reizbar ist und sich in die Gemeinschaft in Neuendorf daher nur unter großen Schwierigkeiten einzuordnen vermag. Es wird die Genehmigung zur Einzelunterbringung in Berlin erbeten. Ass. Jagusch äußert dagegen unter Würdigung der besonderen Umstände keine Bedenken, erklärt jedoch, daß dies ein Ausnahmefall bleiben müsse.

7. Stettin

Auf Befragen von Ass. Jagusch wird über den derzeitigen Stand der Übernahme von Spinnstoff und Schuhwaren aus den Wohnungen der abtransportierten Juden aus dem Regierungsbezirk Stettin berichtet, insbesondere über das Ergebnis der Verhandlungen des Beauftragten der Reichsvereinigung mit dem Treuhänder Dr. Lenz. Es wird dabei vorgetragen, daß eine käufliche Übernahme der Sachen aus den Wohnungen durch die Reichsvereinigung insoweit mit der Sammelsendung von Sachen nach Lublin grundsätzlich in Aussicht gestellt worden war, in Widerspruch stehe, als dadurch die Reichsvereinigung die Gegenstände, die nach Lublin versandt werden sollen, den Empfängern mittelbar bezahle. Aus diesem Grunde sei folgender Vorschlag in Erwägung zu ziehen: Die Taxierung der Gegenstände und die Übernahme wird wie vorgesehen beendet. Nach der Übernahme wird eine Aussonderung der Gegenstände für die Sammelsendung vorgenommen. Deren Taxwert wird an dem Gesamttaxwert abgesetzt. Seitens der Reichsvereinigung wird auf das Sperrkonto der einzelnen nach Lublin Abtransportierten dann nur der Differenzbetrag überwiesen, anteilmäßig umgelegt nach Maßgabe derjenigen Zahlungen, die bei Entrichtung des Gesamttaxwerts hätten vorgenommen werden müssen.

Ass. Jagusch hält die Durchführung dieser Regelung für möglich, wonach also die Gegenstände der Sammelsendung kostenlos von der Reichsvereinigung übernommen und nach Lublin übersandt werden sollen, sobald die hierzu erforderliche Genehmigung des Herrn Oberfinanzpräsidenten (Devisenstelle) Stettin erteilt ist. Ein schriftlicher Bericht hierüber soll eingereicht werden.

8. Treuhänder Breslau

a) Treuhänder für die Gemeinde Breslau

Ass. Jagusch erklärt, daß er den Vorgang in der erörterten Weise bereits an das Reichswirtschaftsministerium und an die Staatspolizeileitstelle Breslau weitergegeben habe. Es wird vorgetragen, daß sich inzwischen an den Funktionen des Treuhänders nichts geändert habe. Ass. Jagusch sagt eine nochmalige Rückfrage beim Reichswirtschaftsministerium zu.

b) Treuhänder für Einzelpersonen

Ass. Jagusch erklärt, daß er der Staatspolizeileitstelle Breslau Anweisung gegeben habe, daß die Bestellung von Einzeltreuhändern abgestellt werde. Es wird vorgetragen, daß nach einem gestern erstatteten Bericht des Vorstands der Jüdischen Kultusvereinigung Breslau bisher die Einsetzung von Treuhändern für Einzelpersonen nicht widerrufen worden sei. Es wird daher um eine erneute Nachprüfung gebeten.

9. Synagogengrundstücke

Ass. Jagusch erkundigt sich nach der Verwertung der Synagogengebäude, die im November 1938 abgebrannt sind bezw. nach der Verwertung der entsprechenden Grundstücke. Es wird darüber berichtet, daß im Reich zum größten Teil die Synagogen bereits abgetragen seien, in Berlin schweben Verhandlungen wegen des Verkaufs der Grundstücke.

Ass. Jagusch ersucht um einen schriftlichen Bericht über die Verwertung der Grundstücke, namentlich in Berlin. Nachdem für den Gottesdienst eine ausreichende Zahl von Synagogen wieder freigegeben worden sei, müsse nunmehr dafür Sorge getragen werden, daß die anderen Grundstücke baldmöglichst verwertet werden.

10. Haftentlassung Dr. Lamm

Der Sachverhalt wird vorgetragen und der schriftliche Bericht übergeben.

11. Jüdisches Kurhospital Warmbrunn

Der Schriftwechsel mit dem Bürgermeister der Stadt Warmbrunn wird übergeben und im einzelnen erörtert. Ass. Jagusch ist der Auffassung, daß die Ertragswertberechnung bei der Bemessung des Kaufpreises außer Betracht zu bleiben habe und daß der Verkauf zum Einheitswert erfolgen solle. Es wird eine Entscheidung bezw. eine unmittelbare Weisung an den Herrn Bürgermeister der Stadt Warmbrunn erbeten.

Die anderen laufenden Angelegenheiten (Erweiterung Neuendorf, Vertrag Berkaerstraße, Mitarbeiter-Ausweise, Kraftwagen-Benutzung, Ausgehzeit Münster, Auswandererabgabe von Ausgewanderten) werden bis zur nächsten Erörterung zurückgestellt.

Baum wird geladen...