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Chronik und Quellen
1940
April 1940

Misshandlung im KZ

Marianne Wachstein schildert Hofrat Wilhelm am 12. April 1940, wie sie und andere Frauen im Konzentrationslager Ravensbrück misshandelt wurden:

Sr. Hochwohlgeboren Herrn Hofrat Dr. Wilhelm,

In obiger Angelegenheit erlaubt sich ergebenst Gefertigte folgendes vorzubringen:

Einleitend muß ich, zum besseren Verständnis, folgendes sagen. Das Konzentrationslager Ravensbrück bei Fürstenberg in Mecklenburg ist ein Zwangsarbeitslager. Die Arbeiten, die ich Frauen dort verrichten sah - ich selbst bin nervenkrank und arbeitsunfähig sind z. B.: Es sind 2 steinerne Straßenwalzen, eine sogenannte kleine und eine große; um diese Straßenwalzen sind Seile, jedes Seil hat einen Quergriff, diesen Quergriff mußten die Frauen packen und die Straßenwalzen ziehen, auch Sand schippen, wieder andere den Sand in Holzkisten, die auf 2 Holzunterlagen sind, wegtragen etc. Im Sommer war die Arbeitszeit 9 Stunden täglich, Samstag bis Mittag.

Es ist 3 x täglich u. nur Samstag und Sonntag 2 x - sogenannter „Zählappell“, d. h. das ganze Lager muß sich, jeder Block (ein Block umfaßt ca. 140 -150 Personen u. sind diese in einer Holzbaracke untergebracht) vor seiner Baracke, in je 4 hintereinander, nebeneinander soldatisch strammen, die Hände am Leib aufstellen u. ruhigstehen bleiben, bis das gesamte Lager von der Frau Oberin u. einer Frau Aufseherin gezählt ist, d. h. jeder Blockwart (die Aufsicht über den gesamten Block) meldet der Vorgenannten die Belegstärke. Jeder Zählappell dauert 20 Minuten immer.

Das Lager umfaßt 17 Baracken, mit ca. 150 Personen Platz, wovon eine Baracke Judenbaracke ist. Außerdem ist ein im Sommer 1940 ausgeführter Kerkerbau, der noch sehr feucht ist. Ich war z. B. unter anderem in Einzelhaft in diesem Bau in Zelle 15, die so feucht war, daß die Wand, wo das Fenster war, mit schwarzen Schimmelstücken bedeckt war. In Einzelhaft darf man mit Ausnahme des einen oder anderen Häftlings keinerlei Beschäftigung nachgehen, auch nicht lesen noch schreiben, gar nichts, nur den ganzen Tag am Schemel sitzen, es gibt auch keinen Spaziergang.

Ich habe, kurz bevor ich (am 23. Februar 1940) meinen Transport von Ravensbrück hierher nach Wien ins L.G. antrat, wieder Arrest diktiert bekommen, u. zw. 28 Tage, wieder vollständig unberechtigt (Arrest besteht in Ravensbrück aus folgendem: 1.) Aus täglich hartem Lager. 2.) Nur jeden 4ten Tag Essen (u. da nur die gleiche Ration wie die, die täglich Essen bekommen, was ungefähr in Quantität u. Qualität dem hiesigen täglichen Essen gleichkommt), die 3 Zwischentage nur die Brotration allein (ungefähr soviel als wir hier neben Essen bekommen), u. 2x täglich schwarzen Kaffee (das Wasser dort ist verboten zu trinken, weil Durchfall erzeugend).

3.) In einer feuchten, stockfinsteren Kerkerzelle, ein Stock unter Niveau, des vorerwähnten im Sommer 1940 erbauten Kerkers. Bei vorgeschrittener Tageszeit erkennt man Clo u. Waschbecken. 4.) Unbeheizt (wobei dort noch sehr rauhes Klima ist u. der heurige Winter besonders streng). Ich habe von den 28 Tagen nur 4 abgebüßt, am 5ten hat mich Gott durch den Transport hieher herausgeführt; die ersten 2 Tage war überhaupt nicht geheizt, den dritten u. vierten Tag, einschließlich Abflauen der Heizung meiner Schätzung nach insgesamt 1 Stunde, also vollständig ungenügend. 5.) Ohne jegliche, auch nur die geringste Beschäftigungsmöglichkeit. 6.) Ohne Spaziergang. Dies alles zusammen wird mit dem einfachen Wörtchen „Arrest“ bezeichnet.

Ich erhielt diesen Arrest wie folgt. Zur Zeit, als ich ins Lager eingeliefert wurde, war ein Arzt, der mich, wie jeden Neu-Ankömmling, untersuchte und mir auf Grund der Untersuchung einen Dispens vom Zählappell-Stehen gab. Ich durfte diesen sitzend mitmachen und mußte auch nicht arbeiten. Dieser Arzt war sogar so menschlich, mir 3X täglich kalte Abwaschungen zu verordnen, da ich damals, infolge der Aufregungen, fast überhaupt nicht gehen u. stehen konnte. Eines Tages wurde ich einem neuen Arzt vorgeführt, der unter anderem die Dispenskarten wegnahm. Damals blieben diejenigen mit Dispens im Block u. nahmen an dem Zählappell, der im Freien stattfand, überhaupt nicht teil. Es war tiefster Winter. Dieser Arzt fuhr mich, ohne mich auch nur im geringsten zu untersuchen, sofort bei meinem Eintritt ins Ärztezimmer barsch an: „Sie müssen ihren Zählappell machen.“ Dies war Samstag, den 10. Feber 1940. Da ich nervenkrank bin, kann ich unmöglich so lange stehen, denn 3X, dies ist ja ca. 1 Stunde am Tag, ich kann nicht einmal 20 Minuten. Ich bat daher den Arzt, mich zu untersuchen, da ich dies unmöglich machen könne. Seine Antwort war, daß er mich wieder anfuhr: „Sie werden Ihren Zählappell machen.“ Ich erwiderte, daß Leistungsunmöglichkeit vorliege, und bat nochmals um Untersuchung. Trotz meines Bittens um Untersuchung beharrte er, ohne auch nur im geringsten zu prüfen, darauf, daß ich stehen müsse, und sagte grob etwas Abfälliges von „Juden“, und die am Schreibtisch im Arztzimmer anwesende Schwester sekundierte durch höhnisches Lächeln. Hierauf erwiderte ich in meiner Not: „Noch im Ausland werde ich erzählen, wie man hier im KZ behandelt wird.“ Da packte der schwarze Militärarzt mich beim Rücken und warf mich handgreiflich aus dem Ärztezimmer heraus, ohne auch nur die geringste Untersuchung vorgenommen zu haben. Mir taten die Rippen weh, aber ich sagte ruhig: „Auch das werde ich melden.“ Draußen, im Vorraum, habe ich allerdings dann in meinem Schmerz über die Behandlung und meinem Schmerz in den Rippen laut geschrien, daß ich dies überall erzählen werde. Der Hinauswurf geschah vor einer Unmenge Gefangener, da es in Ravensbrück üblich ist, daß sich jeden Samstag diejenigen, die sich zum Arzt melden, anstellen müssen, bis sie an die Reihe kommen. Ich machte z. B. so einen Samstag mit - ich saß wohl - über eine Menge Gefangener war angestellt von ca. 8 Uhr früh bis Mittag, wonach noch ein großer Teil unerledigt blieb, die Schwester ganz einfach herauskam u. sagte: „Geht nach Hause u. kommt nächsten Samstag wieder.“

Eine Gefangene, die im B-Saal des Judenblocks war und „Rike“ gerufen wird, sagte mir, daß sie das Vorgefallene gehört habe. Wer die vielen angestellten Gefangenen waren, weiß ich nicht.

Ich wurde dann in den Block zurückgeführt u. erzählte vor einer Anzahl Gefangener im B-Saal des Judenblocks u. auch der Stubenältesten Frl. Hertl (oder so ähnlich) sowie der Blockältesten Frl. Paula Kemmelmayer, beide Arierinnen, den Vorfall, mit dem Beifügen: „Der Arzt hat ein Spondeum geschworen u. muß mich, die Jüdin, genauso untersuchen wie eine Arierin, ob Leistungsunmöglichkeit vorliegt oder nicht.“ Ich war deswegen in begreiflicher Aufregung, weil es mir einmal passiert war, daß, als ich in Einzelhaft zusammenfiel, die Aufseherin Frau Zimmer bei der Öffnung, wo man das Essen hineinschiebt, Wasser auf mich schütten ließ, und als dies nicht nützte, der Gefangenen Frau Kaiser (jeder kennt diese, sie zählte jeden Tag bei Arbeitsantritt alle Gefangenen), welche jetzt nicht mehr im Lager ist, den Auftrag gab, mit einem besenstielähnlichen Stock durch erwähnte Öffnung mich aufzuschlagen. Ich war dann, als ich durch den Stockhieb zu mir kam - wieviele ich bekam, weiß ich nicht -, ganz naß u. mußte damals im tiefsten Winter in nassem Kleid u. nassen Patschen (Schuhe gibt es in Einzelzellen nicht mehr) einige Tage verbleiben, da der Ofen kaputt war, daher vollständig unbeheizt u. nichts trocknete. Übrigens hat Frau Zimmer auch übersehen, bei mir die Heizung tagelang aufzudrehen, ich wußte gar nicht, daß [sie] funktioniert u. erst bei Wechsel der Frau Aufseherinnen, als Frl. Mandl kam, frug sie mich, ob ich [es] warm hätte, u. drehte die Heizung auf. Auch mußte ich oft sehen, wie ein junges Mädchen vom Nebenblock (Zigeunerin) trotz fortlaufender, meiner Ansicht Art epileptischer, Anfälle immer wieder stehen mußte, und auch bei uns im Judenblock fiel Frau Schenk öfters in schwere Zuckungsanfälle mit nach-herigem Steifwerden der Glieder u. mußte doch immer wieder stehen. Da ich, seit ich lebe, bei längerem Stehen in Ohnmacht falle, hatte ich natürlich große Angst vor dem Zählappellstehen, um so mehr, als ich jetzt, durch alles Mitgemachte seit dem Umsturz noch viel schlechter stehe, weil die Knie nicht halten.

Als Zeugen, daß es sich damals am 10. II. 1940 nach meiner Vorführung beim Arzt in meinen Äußerungen nur darum handelte, daß ich, wie vorerwähnt, Vorfall erzählte u. Spondeum erwähnte, führe ich: Frl. Paula Kemmelmayer, Frl. Hertl, beide Arierinnen, ferner die Gefangenen Ida Steinhardt, Else Boschwitz, Edith Weiss, Blumenthal Modesta Finkeistein, Kaufmann, Leont u. Kastenbaum, Rike und sonstige Gefangene, welche im B-Saal des Judenblocks waren. Es ist möglich, daß eine oder die andere der aufgezählten Gefangenen gerade nicht im Saal war, jedoch sind dies die, die mir am nächsten saßen. Die vorerwähnten Äußerungen bezw. Erzählen des Vorfalles wurden mir als Beschimpfung des Staates ausgelegt u., ich glaube, auch der Führung, eine „Kollegin“ ging zur Aufseherin, diese verhörte mich, dann verhörte mich die Frau Oberin, und ich wurde noch am gleichen Tag in Einzelhaft gebracht. Um zu beweisen, daß ich nicht vielleicht mich vor dem Frost drücken will, erklärte ich mich der Blockältesten, Frl. Kemmelmayer, gegenüber bereit, die Zählappelle draußen sitzend mitzumachen.

Circa eine Woche nachher wurde ich aus der Einzelhaft Herrn Direktor vorgefiihrt. Da ich, nervenkrank in nach Aufregung noch schlechterem Zustand, mit Pantoffel nicht schnell gehen konnte, packte mich die Aufseherin (Name unbekannt, die welche mich am 10.II.40 in Einzelhaft übernahm u. die folgende Zeit Aufseherin in Einzelhaft u. Arrest war) rückwärts u. stieß mich fortlaufend vor, schnell zu gehen, ich stolperte, verlor die Pantoffel, hielt mich gerade noch vom Fallen aufrecht u. bat: „Ich kann nicht so schnell, langsamer bitte.“ Der Herr Direktor schrie mich gleich an: „Was haben Sie so geschrien?“, obwohl ich nur in sehr ruhigem Tone gebeten hatte, denn dort hatte ich immer Angst. Der Weg führte nur über den Gang. Ich antwortete ruhig, daß ich nicht geschrien hätte. Der Herr Direktor las mir nun einen Zettel vor, daß ich am 10. II. 40 im Block den Staat beschimpft hätte u., ich glaube, auch die Führung. Ich erwiderte höflich, daß ich nur den Vorfall wie vorerwähnt u. das eine Spondeum gesagt hätte. Da nahm der Herr Direktor den vor sich habenden Akt u. haute mir einige Male auf die Hände damit. Ich sah, daß ich mich nicht verteidigen dürfe. 2 Tage darauf ließ mich Frau Oberin zu sich vorführen, las mir so vor wie der Herr Direktor und daß ich dafür 28 Tage Arrest bekomme. Ich sagte: „Richtig ist es nicht, daß ich den Staat bezw. Führung beschimpft hätte, aber ich kann mich ja nicht wehren.“ Darauf erwiderte mir Frau Oberin: „Das haben Sie vom Herrn Direktor“, und ich wurde sofort in den Arrest abgeführt, ohne Rücksicht darauf, daß ich blutende gefrorene Füße hatte, daß ich schon so abgemagert war, daß jede Rippe an mir zu zählen ist, die Flaut mir stellenweise wie ein entleerter Sack hängt, meine Beine morgens beim Aufstehen schlank, kurz darauf ganz dick sind - (ich weiß nicht, ist das Fleisch schon flüssig oder ist es Gewebsflüssigkeit), mein Fleisch löst sich direkt von den Knochen, u. auch im Gesicht und Halspartie sieht man mir sofort das Heruntergekommensein an.

Ich saß 4 Tage von diesen 28 Tagen Arrest ab, am 5ten mußte ich, Gott dem Allmächtigen sei es gedankt, nach Wien transportiert werden. Die ersten 2 Tage war überhaupt nicht geheizt, den 3ten und 4ten Tag meiner Schätzung nach einschließlich Abflauen der Heizung circa eine Stunde, was natürlich vollständig ungenügend war; trotzdem ich ein sehr abgehärteter Mensch bin, fror ich jämmerlich, mit aneinander klappernden Zähnen, ausgehungert saß ich im Stockfinsteren mit blutenden Füßen den ganzen Tag. Von draußen kann man jeden Moment elektr. Licht aufdrehen.

Als ich am Transport 3½ Tage in Berlin im Polengefangenenhaus am Alexanderplatz war und 14 Tage in Plauen im Vogtland warten mußte, weil kein Gefängnis-Wagen war bezw. kein Platz, hatte ich das Glück, auf edle Ärzte u. Aufseherinnen zu treffen, durch den Arzt in Berlin erhielt ich Frostsalbenverbände von der Frau Aufseherin für beide Füße, in Plauen ebenfalls durch den Arzt Salbenverbände von Fr. Aufseherin und außerdem sogar täglich Wechsel-Fußbäder, alle 14 Tage hindurch. Die Zehen u. der Fuß schlossen sich dadurch wieder, u. heute ist nur mehr die Haut empfindlich u. an einzelnen Stellen kleine Krusten.

Ich bekam auch in Berlin u. besonders in Plauen (dort war ich im gerichtlichen Gefängnis scheinbar) reichlich sehr gutes Essen, sogar täglich zum Frühstück zum echten Roggen-Doppelbrot entweder Butter oder feine Zuckermarmelade, soviel, daß es noch für Pausenbrot zum Kaffee reichte. Trotzdem kann ich mich nicht mehr erholen.

Ich hatte bereits - ich glaube am 28. August 1939 (das Datum merkte ich mir, weil ich 2 Tage vorher noch im Block vom Nicht-Angriffspakt mit Rußland in der Zeitung las) -42 Tage Einzel-Arrest mit 2 V2 Tagen Unterbrechung abzubüßen, nachdem ich gleich anschließend vorher 4 Tage Arrest im Block hatte; letztere eine Strafe, die der ganze Block hatte, wie mir eine Kollegin sagte, weil 2 nicht Weiterarbeiten wollten. Es ist in Ravensbrück auch Usus, für die Tat von einzelnen öfters den ganzen Block zu strafen. Die 42 Tage Arrest (der damals noch ohne hartes Lager u. in einer Holzbaracke, die an beiden Seiten durch Holzwände in Zellen geteilt war, mit einem Mittelgang, war) bekam ich wie folgt. Ich wurde ins Büro vorgeführt, wo man mir eine Anzahl Druckseitenblätter vorlegte u. deren Empfang durch meine Unterschrift bestätigt verlangte. Ich ersuchte mir, diese vor Unterschrift lesen zu können, es wurde mir erwidert, daß es sich nur um Ausweise handle, trotzdem wollte ich nicht unterschreiben, ohne zu lesen, und da ich zur Unterschrift gedrängt wurde, sagte ich klipp u. klar, daß ich nicht unterschreibe, ohne zu lesen, daß ich [...] durch sie keine Hilfe wolle. Gott werde mir helfen, daß die Kommunisten schon rächen werden, was an uns geschehe. Darauf wurde ich in den Dunkel-Arrest geführt, der damals noch halbfinster (kurz darauf wurde er durch Verschalung des Fensters mit Brettern von außen ganz finster gemacht) war, u. in der Holzbaracke wie vorerwähnt. Es war das erste Mal, daß ich in Arrest kam, u. ich wußte noch nicht, was das zu bedeuten hatte. Kurze Weile, nachdem ich drinnen saß, öffnete die Frau Aufseherin Zimmer wieder die Türe, ein Mann in Uniform war neben ihr u. schrie [zu] mir herein: „Da werden Sie jetzt krepieren, verhungern, da kommen Sie nicht mehr lebend heraus.“ (Wie ich später hörte, dürfte dies der Chauffeur der im Lager befindlichen Männer (Soldaten) gewesen sein.) Da ich gläubig bin, antwortete ich ruhig: „Wenn Gott will, daß ich sterbe, so werde ich eben hier sterben.“ Da ging der Mann, u. die Aufseherin sperrte zu. Ungefähr eine Stunde später öffnete Frau Aufseherin Zimmer wieder die Türe, forderte mich auf, herauszukommen, am Gang hieß sie mich, mich bis auf das Taghemd vollständig zu entkleiden, ich tat so, worauf ich in eine Zwangsjacke hineinschlüpfen mußte (mir damals noch unbekannt; Zwangsjacke ist in Ravensbrück eine beliebte Strafverschärfung). Es wurden mir die Hände so fest geschnürt, daß meine rechte Hand ca. 14 Tage geschwollen war u. der Körper auch sehr fest geschnürt auch beim Hals, dann wurde ich wieder in die Zelle zurückgeführt und lag als festgeschnürtes Paket am Boden. Ich hatte nicht im geringsten getobt, sondern war gottergeben still die Stunde in meiner Zelle gesessen, was in der Folge angeführte Zeugen bestätigen werden. Durch die feste Schnürung wurde mir sehr übel, ich verlor das Bewußtsein, nun soll ich einen Schreikrampf gehabt haben. Durch Aufrütteln kam ich zu mir, vor mir stand Herr Sill in Uniform (soll Hauptsturmführer sein, ich kenne mich in Uniform nicht aus), ich in einem kurzen Taghemdchen u. darüber nur Zwangsjacke am Boden liegend, da hörte ich, wie die in der Nachbarzelle befindliche Arrestantin (später erfuhr [ich], daß sie Annemarie Vancotic (oder Vankotic) heißt) herüberrief: „Die lebt ja nur für Religion und Kommunismus“, dazu Herr Sill: „Das wissen wir ja“, und seine Faust sauste hart herunter auf meine Nase, die ich lange Wochen nachher noch spürte, sein Fuß trat mich 2 oder 3 Mal fest in den nackten Unterschenkel, dabei riß mich von rückwärts die Aufseherin Frau Zimmer grob bei den Haaren, der Leib, die Hände schmerzten von der festen Einschnürung - all das mir wehrlos geschnürtem Paket. Ich fiel wieder in Bewußtlosigkeit, spät abends erwachte ich, von Schmerzen gepeinigt, mit meinem eigenen Kot beschmutzt. Dann kam man mich auspacken. Insgesamt dürfte ich ca. 6 Stunden in der Zwangsjacke gelegen sein. Die darauf folgende Nacht mußte ich, nur mit einem Nachthemd bekleidet (Kleider, Schuhe, Strümpfe hatte ich ja ausziehen u. draußen lassen müssen), ohne Decken, ohne Strohsack, ohne Polster, nur am nackten Boden liegend, zähneklappernd vor Kälte, verbringen. Die Sommernächte sind dort auch sehr kalt, das Lager liegt teils im Tannenwald, von einer Seite ein See, u. soll sehr tief liegen. Die nächste Nacht bekam ich bereits Decken, ab der dritten Strohsack, Polster, Überzug. Die ersten 2 Tage war angeordnet, daß ich überhaupt nichts zu essen bekomme, nur 2X täglich schwarzen Kaffee, auch kein Brot. (Das Wasser ist dort nicht trinkbar, weil Durchfall erzeugend.) Man hatte mir aber kein Wort gesagt, daß nur 3 Tage. Nun kann man sich vorstellen, wie das auf einen unerfahrenen Menschen wirkt, wenn er das erste Mal in so eine dunkle Zelle kommt, man ihn anschreit: „Da werden Sie jetzt krepieren, verhungern, da kommen Sie nicht mehr lebend heraus“, und man bringt ihm dann 3 Tage nichts zu essen, auch kein Brot, ohne ihm zu sagen, daß er ab dem 4. Tag jeden Tag Brot u. jeden 4ten Tag Wasser bekommt.

Einige Tage darauf wurde mir verlesen, daß ich für meine Äußerungen im Büro 3 Wochen Arrest bekomme und weitere 3 Wochen Arrest wegen meines Schreiens u. mich mit meinem Kot Beschmutzens. Daß dies beides in Bewußtlosigkeit geschah, wurde nicht berücksichtigt.

Die 2 ½ Tage, mit der die 2x3 Wochen, also 42 Tage Einzel-Arrest unterbrochen wurden, und nach Verbüßung der 42 Tage wurde ich zu einer Irren namens Apfel in eine Zelle gesperrt. Vor Überleitung von Einzel-Arrest-Zelle in die Zelle der Irren, die gleich darüber war, wurde mir von Frau Aufseherin Zimmer vorgelesen, daß ich für mein Leben lang Einzelhaft bekomme. Ich hatte sofort das Gefühl, daß Gott dies nicht zulassen wird, und antwortete: „Bitte schön“, worauf sie sich korrigierte: „Das heißt, solange Sie leben u. gesund sind und hier sind!“ Auch eine schöne Aussicht, wenn man nicht gläubig wäre, wenn man weiß, daß die Leute auch Jahre dort sitzen, denn man sitzt dort auf unbestimmte Zeit ohne Gerichtsverfahren, ohne Urteil, ohne zu wissen, wann man herauskommt. Nicht lange, bevor ich nach Wien kam, wurde z. B. eine gewisse Silberberg (oder so ähnlich) entlassen, die 5 Jahre gesessen sein soll. Sie war Jüdin.

Ich wurde, wie bereits erwähnt, nach Abbüßung der 42 Tage Arrest zu der Irrsinnigen Apfel in die Zelle gesperrt. Meine Reklamation u. Bitten, mich herauszunehmen, da sie dort irrsinnig sei, half nichts. Nach der ersten Nacht (das war noch bei den 2 Vi Tagen Arrest-Unterbrechung) frug Frau Aufseherin Zimmer, als sie zum Kaffee-Hereinreichen die Türe aufsperrte (Öffnungen für Esseneinschub gab es dort nicht, dieser Arrest war nur ein Provisorium bis zur Fertigstellung des Kerkerbaues): „Na, habt Ihr Euch fest geprügelt?“ Die Irre begrüßte mich vor allem damit, daß sie mich hinterrücks mit einem großen Lavoir Wasser anschüttete, sie spuckte alle paar Minuten irgendwohin, aufs Fenster, auf meinen Strohsack, Türe, Boden, wo sie hintraf, sie - ich bitte um Verzeihung - verunreinigte sich mit Diarrhö, die sie nicht wegwusch, sondern einfach die Füße hinunterrinnen ließ, sie wusch sich nicht, sondern spuckte in die Flände u. verrieb die Spucke im Gesicht u. in die Hände - das war ihr Sich-Waschen. Sie setzte sich nachts auf das Bett zu mir, wetzte fortlaufend herum, was ich mir eine Stunde gefallen ließ, u. als ich sie dann bat, doch aufzustehen, ich könne nicht schlafen, da riß sie mir die Decken, den Polster, das Leintuch unter mir heraus. Sie zerstückelte ihr Brot u. warf es zum Fenster heraus, sie schüttete ihren Kaffee am Boden u. wartete, daß ich ausrutschen solle, sie hielt in den Nächten stundenlang Vorträge, wüste Reden, sie lästerte Tag und Nacht Gott, sie hatte schon Hände bezw. Arme und Beine so dünn wie eine Spinne. Durch den stundenlang von ihr in den Nächten verursachten Lärm konnte der ganze Arrest bezw. Einzelhaft -was in gleicher Baracke untergebracht war - nicht schlafen. Es war alles fürchterlich. Die Frau Aufseherin hat sich nicht in die Zelle hereinzukommen getraut. Am 3ten Tag der Unterbrechung meines Arrestes vollführte die Irre ein solches Gebrüll, daß die Aufseherin hiedurch hereinkam in die Baracke - nicht in die Zelle. - Die Irrsinnige saß auf ihrem Oberbett (so wie im Schlafwagen, sie hatte das obere, ich das untere Bett), hatte mir ihren Kaffee über den Kopf gegossen und war gerade dabei, mit Wurfgeschossen, die sie sich hinaufgenommen hatte - Essenschüssel, Blechteller, Kaffeehäferl -, auf mich zu zielen, ich hatte mir ein Wasserlavoir als Schild vorgehalten u. war in die äußerste Ecke der Zelle geflüchtet - die Irre stieß Drohungen aus, verlangte, daß ich den Lavoir-Schild weggebe. Frau Aufseherin Zimmer, die die Türe aufgesperrt hatte, blieb selbst vor der Türe u. befahl mir, das Lavoir wegzugeben. Frau Kaiser kam auch hinzu. Ich mußte mein Schild weggeben, dann sperrte Frau Zimmer wieder zu, u. ich blieb in der Zelle. Einige Minuten nachher kam sie zurück u. führte mich aus der Zelle - ich vermute auf Betreiben Frau Kaisers. Trotz all dem, und trotzdem Apfel damals, nach Mitteilungen der Kolleginnen, bereits ein Jahr in Einzelhaft war, allen als verrückt bekannt war, wurde ich nach Verbüßung der zweiten 3 Wochen Arrest von Frau Zimmer wieder mit Apfel eingesperrt und war, ich glaube, noch 10-14 Tage mit ihr in [einer] Zelle. Noch wie ich von Ravensbrück wegkam, war Apfel in Einzelhaft. Ich war, wie bereits erwähnt, vor meiner Herreise wieder in Arrest, vorher wieder in Einzelhaft in dem neuen Kerkerbau und hörte nachts Apfel schon nicht mehr wie einen Menschen, sondern wie ein Tier schreien. Ich vermute aber, daß noch eine 2te Irre dort ist, denn man hörte noch eine andere Stimme, die nichts Menschenähnliches mehr an sich hatte - ich glaube nicht, daß dies auch die Stimme der Apfel war.

Für alles, was sich im alten Arrest bezw. Einzelhaft abspielte, u. alles, was ich vom neuen Arrest bezw. Einzelhaft schrieb, führe ich als Zeugen: Die Bibelforscherinnen u. Arierinnen: Toni Hahn, Anny Schmauser, Luise Olschewsky, Käthe Riskal, ferner die Kommunistin u. Arierin Suse Benesch, die Arierinnen Annemarie Vancotic, Pepi Koppelhuber, Anny Kraushaar (die letzten 3 nur über teilweise, sie alle werden noch viel Interessantes wissen). Zur Wahrheitsfindung wäre es jedoch notwendig, daß man die Zeugen von Ravensbrück wegführt, um sie einzuvernehmen, da sich dort keine trauen dürfte, die Wahrheit zu sagen, denn es sind dort mittelalterliche Strafen, z. B. wie geschildert die Zwangsjacke, ferner Prügelstrafe 25 Hiebe, Strafstehen. Letzteres besteht aus 4 Stunden täglich (nach Arbeitszeit und Zählappell) abends ohne Nachtmahl stramm im Freien stehen. Ich glaube nicht, daß ein Tag ohne Straftsteherinnen vergeht. Ich sah im strömenden Regen Strafstehen. Im allergrößten Frost war eine Zeitlang das Strafstehen nicht im Freien, sondern im Raum. Eine Jüdin namens Rosenberg, die szt. im B-Flügel des Judenblocks untergebracht war, sagte, daß sie trotz ihrer eitrigen Brust in diesem Raum, in dem Fenster u. Türen im Frost geöffnet waren, im Zug Strafstehen muß.

Dies bekommt man für 14 Tage oder 3 Wochen hintereinander u. zum Beispiel für folgendes. Die Betten müssen genau nach Maß, faltenlos, alle gleich, die Leintücher unten ins Eisen eingeschoben, äußerst pedant gemacht werden, die Polster kantig gedrückt, die Decke darüber, eine schöne Linie, alle gleich. Wem das 3X in der hiezu zur Verfügung stehenden Zeit nicht gelingt, der kann unter Umständen schon Strafstehen. Aber auch für anderes. Sehr bitter auf meine Nerven wirkte sich auch aus, daß man in dem alten Arrest u. Einzelhaft in der Holzbaracke oft das Schreien von Arresthäff lingen hörte, die von den Gefangenen, die die Nahrung brachten oder auskübelten, im Dunkeln wegen eines Wortes oder sonstwas überfallen u. verprügelt wurden. (Frau Aufseherin Zimmer wußte dies, denn nur sie konnte die Zellentüren öffnen.) Z. B. wurde Alma Schulze, Arierin, einmal so verprügelt, daß sie fortlaufend, auch sogar in der Nacht, auch schrie: „Meine Augen, meine Augen“, und sie fürchte sich, ihr Augenlicht zu verlieren.

Hedwig Peter, die sich dort nach einem Fluchtversuch gelegentlich eines Aufenthalts im öffentlichen Krankenhause wieder im Lager befindet, bediente eine Zeitlang den alten Arrest u. Einzelhaft. Sie zu hören dürfte sehr interessant sein.

Den neuen Arrest u. Einzelhaft bedient die Gefangene Neumann, u. auch die erwähnte Gefangene Frau Kaiser, die nicht mehr jetzt im Lager ist, hat eine Zeitlang im neuen bedient.

Gelegentlich meiner Vorführung zur Ärztin vor meinem Transport hieher nach Wien hat eine Schwester, ich glaube, es war Schwester Erika im Vorraum, die mich aus dem Arrest vorführte, die Aufseherin Frau Mandl (welche nebenbei bemerkt sich mir gegenüber stets korrekt bis in die Fingerspitzen und gerecht benommen hat) gefragt: „Wie fühlt man sich bei Ihnen?“ Illustrativ führe ich noch an: Frau Aufseherin Kolb hatte am Frei-Nachmit-tag-Sonntag der Frau Aufseherin Zimmer Dienst. Sie öffnete die Türe meiner Zelle u. sagte: „Da stinkts“ u. schloß schnell die Tür. Ich darauf: „Entschuldigen Frau Aufseherin, es kann nicht stinken, ich wasche mir 3X täglich den Körper.“ Sie darauf: „Alle Juden stinken“, und ich hatte das Gefühl, noch ein Wort von mir, und sie schlägt mich. Ich schwieg wieder. Das nächste Mal, als sie zwecks Nahrung wieder öffnete, sagte sie wieder: „Da stinkts“ u. schloß schnell die Tür.

Ein Mann in Uniform kam, mir die Mitteilung einer Geldsendung für mich zu machen, zur Einzelzelle. Er warf mir den Abschnitt bei der Öffnung für Essen-Einschub hinein mit dem Wort „Saujüdin“. Ein anderes Mal wieder ein Mann in Uniform, weiß nicht, ob derselbe, verlangt von mir Unterschrift für Geldsendung mit den Worten: „Gerade schreiben, sonst schlagt’s ein.“ Kollegen sagten, dies dürfte Herr Schneider sein.

Interessant ist auch, daß ich meine Reise von Wien nach Ravensbrück nur mit einem Nachthemd und darüber einen Unterrock (Combination) und Sandalen bekleidet machte - nichts sonst, kein Kleid, keine Hose, keine Strümpfe, kein Mantel, nichts. Meine letzte Erinnerung vor meiner Reise von Wien nach Ravensbrück ist am Lauf in der Polizei Wien IX. Ich erinnere mich dort an die Frau Aufseherinnen Langer, Hahn, Borowitz, Pe-tersam, Gaisa, Lock, an Frau Oberaufseherin Mayer. Dann erinnere ich mich nur daran, plötzlich im Gefängniswagen aufgewacht zu sein, wie oben bekleidet, allein in einer 2er Zelle. Ich griff und zwickte mich in den Arm, ich glaubte zu träumen, es war aber kein Traum, sondern Wahrheit, ich reiste so bekleidet, passierte so die Bahnhöfe u. wurde in Ravensbrück so bekleidet eingeliefert, was auch aus dem dortigen Buch hervorgeht, wo eingetragen wird, was die Gefangenen abgeben, bevor sie Anstaltskleidung anziehen.

Ich war damals in sehr schlechtem Nervenzustand. Im Gefängniswagen frug ich, was mit mir geschehe, u. erhielt die Antwort, daß ich in eine Nervenheilanstalt komme, was mich freute. Doch als ich von Salzburg weiter auf Transport gebracht wurde, erkannte ich, daß ich ins Altreich verschleppt wurde, dies regte mich fürchterlich auf, so daß ich überhaupt allein nicht mehr stehen, noch gehen konnte. Im Gefängniswagen auf der Strecke Salzburg - München - daß es in dieser Zone war, erfuhr ich von Kolleginnen - kam plötzlich einer der beiden Transporteure (der mit dem runden Gesicht u. blauen Augen) zu uns u. herrschte mich an: „Aufstehen!“ Ich sagte, daß [ich],weil nervenkrank, allein nicht könne. Nach 2inaliger Aufforderung sagte er, er wolle mich halten, untergriff tatsächlich meine Hand, [ich] stand auf, er zog sofort seine Hände zurück, ich fiel auf den Boden u. konnte mich nicht mehr erheben. Er herrschte: „Aufstehen!“ Ich: „Ich kann ja nicht.“ Er: „Aufstehen!“ u. schlug mich dabei fest fortlaufend auf den Hinterkopf, um mich so zu zwingen, aufzustehn. Ich konnte aber nicht. Da fing ich an zu brechen und brach und brach, war schon ganz naß, u. es hörte nicht auf. Da packte er mich, hob mich auf, haute mich auf die Bank hin und schlug die Türe zu (Zeugen, daß ich geschlagen wurde, die mit dem gleichen Transport nach Ravensbrück beförderten Bibelforscherinnen u. Arierinnen Stadtegger (oder Stadtecker) und Mollenhofer). Es war mir dann sehr übel, als man mich überall frug, wie ich heiße etc., konnte ich mich an nichts erinnern, nicht einmal an meinen Namen, u. als man mir diesen vorhielt, kam er mir so fremd vor u. ich bestritt, ich zu sein. So wurde ich in Ravensbrück eingeliefert. Ich konnte niemandem meiner Angehörigen schreiben, denn ich erinnerte mich keines Namens, keiner Adresse, auch nicht, wer mein Mann ist. Da kam von Wien Leontine Kestenbaum ins Lager. Sie erkannte mich vom L.G. und auch von der Polizei Wien, wo sie Fazi war: sie wußte viel von mir, sie erzählte mir allerhand und langsam, langsam kam mir die Erinnerung wieder. Sie erzählte mir auch, daß ich in bewußtlosem Zustande vom Bett weg, auf dem ich 2 Tage bewußtlos gelegen sei, auf Transport gekommen sei, daß sie mir wenigstens Strümpfe anziehen wollte, was ihr aber nicht erlaubt wurde, u. daß ich sogar geschlagen worden wäre. Ich kann mich aber daran nicht erinnern. Die Aufseherinnen waren immer sehr gut mit mir, alle.

Wie z. B. in Ravensbrück gehandelt wird, führe ich folgendes noch an, illustrativ. Das Fenster meiner Arrestzelle im alten Arrest war ein normales, unten blind, oben von außen mit einer Asbest- oder ähnlichen Materialplatte verfinstert, in der Löcher waren, durch die das bißchen Licht hineinkam u. durch die man, auf dem Schemel stehend, auf den Arbeitsplatz sehen konnte. Das war verboten. Doch eines Tages rief mich eine Bibelforscherin an, ich solle schnell zum Fenster heraussehen. Durch die vom ersten Arzt verordnete[n] u. vor dem Arrest 2 Monate hindurch genommenen kalten Abwaschungen waren meine Füße viel besser. Ich sah hinaus u. sah folgendes: Ein junges, schwaches Weib - wie ich später hörte, soll sie Langer heißen, lupuskrank sein u. bereits ein Stück der Nase durch aufgenähtes Fleisch ersetzt haben - wollte nicht Sand schippen. Sie wurde fest geschlagen, sie nahm doch die Schaufel nicht. Man packte sie - dies soll die Kolonnenführerin Gefangene Lohmann getan haben -, schleppte sie zu einem Brunnen, hielt sie fest u. ließ den dicken Wasserstrahl überall, wo er hintraf, auf sie niedersausen. Dann wurde sie ganz naß, wie sie war, in einem Sandhaufen eingegraben, nur Kopf draußen, dann wurde sie am Kopf u. Gesicht fortlaufend mit Sand bedeckt, sie machte sich immer wieder frei, und nachdem dieses Spiel längere Zeit dauerte, wurde sie ausgegraben u. mußte mit dem Gesicht zur Wand stehen. (Dies Ganze dauerte so lang, daß ich x Male inzwischen vom Schemel stieg u. mich setzte.) Die Aufseherin hat dem zugeschaut, u. ich sah auch teilweise einen Militärsmann. Zeugen: Anny Schmauser, Annemarie Vainatic, vielleicht auch Toni Hahn, Benesch. Auch das Schicksal von Resi ist interessant, die schon früher angeführten Zeugen können Auskunft geben.

Nachdem einmal eine - Else Marta (oder so ähnlich) - geflüchtet war, mußte das ganze Lager 13 Stunden hintereinander ohne Essen, ohne Unterbrechung stehen (mit Ausnahme derjenigen, die damals Dispens vom Zählappelistehen hatten), der Block, aus dem der Flüchtling war, noch ca 3. Stunden länger. Dann, [am] nächsten Tag, nur der Block, aus dem er war, nur mehr kurze Zeit, da brachte man den gefangenen Flüchtling u. die, die so lange stehen mußten ihretwegen, fielen über sie her.

Gertrud Etzel fehlen auf einem Fuß 5, am ändern 1 Zehe, Zucker, mußte Zählappelle mitmachen. J’accuse.

Bezüglich Angelegenheit 104 c Vr 2782/39 fühle ich mich schuldig, ebenso auch in Maschinenangelegenheit.

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