„Rassenschande“ angeprangert
Die Mansfelder Zeitung druckt am 26. Oktober 1939 folgenden Artikel über die Verurteilung von David Naruhn, der unerlaubt mit einer „Arierin“ zusammenlebte:
Halle. Jud David glaubte, er sei Arier. Der 44jährige staatenlose Jude David Naruhn in Plötz ist aus Litauen gebürtig, nahm auf russischer Seite am Weltkrieg teil und kam 1915 als Gefangener nach Deutschland. Nach Kriegsende freigelassen, kehrte er 1919 wieder nach Deutschland zurück, wo er sein gutes Auskommen fand. Der Form halber hatte er sich auch taufen lassen, und er wäre vielleicht niemals mit den Gesetzen in Berührung gekommen, wenn er eben nicht im Grunde seines Herzens doch ein echter Jude geblieben wäre.
Im April 1937 hatte er seine Frau verloren und im Mai durch eine Anzeige eine Wirtschafterin gefunden. Naruhn kümmerte sich nicht darum, daß die Frau noch nicht 45 Jahre alt war und er sie deshalb gar nicht in seinem Haushalt beschäftigen durfte. Dieser Gesetzesübertretung folgte aber bald die schwerere der Rassenschande, denn in kurzer Zeit lebten die beiden in wilder Ehe zusammen, bis Naruhn verhaftet wurde. Er hatte sich jetzt vor der Ersten großen hallischen Strafkammer zu verantworten.
David spielte den Unwissenden, der fest geglaubt habe, er sei durch seine Taufe Arier geworden, und dies um so mehr, als er stets „gegen die Juden gekämpft“ habe! Daß er selbst von reinblütigen Juden abstammte, konnte er zwar nicht ableugnen, er gab aber an, von den Nürnberger Gesetzen nichts gewußt zu haben, obgleich er seit zwanzig Jahren in Deutschland ansässig ist. Als der Jude dann merkte, daß seine Ausflüchte ihm nicht geglaubt wurden, ließ er die Maske fallen und zeigte seine wahre Rasse. Er beschuldigte die Frau, sich ihm angeboten und auch bei der Führung der Wirtschaft ihn übervorteilt zu haben. Die ganze zur Schau getragene Ruhe und Gelassenheit fiel von ihm ab; er war wieder der waschechte Jude, dem jedes Mittel recht war, um seine Haut zu retten.
Der Angeklagte wurde zu einer Gesamtstrafe von einem Jahr und vier Monaten Zuchthaus und drei Jahren Ehrverlust verurteilt bei Anrechnung der Untersuchungshaft.