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Chronik und Quellen
1939
Oktober 1939

Weitere Entrechtung der Juden im Krieg

Friedrich Kellner entrüstet sich am 13. Oktober 1939 über völkerrechtswidrig begonnene Kriege und die Entrechtung der Juden:

Der Mensch ist doch ein gar eigenartiges Geschöpf. Wenn heute, da der Krieg im Gange ist, über Krieg u. Frieden im engen Kreis gesprochen wird, ist überhaupt kein Befürworter des Krieges zu finden. Ist aber Frieden, so sind immer Kriegsschreier in großer Zahl vorhanden. Die Staatsmänner sagen: Die Völker sehnen sich nach Frieden oder die Völker wollen keinen Krieg. Wer zum Teufel macht dann nun überhaupt den Krieg? Das muß doch festzustellen sein. Wird er von einem einzigen Gewalthaber in die Wege geleitet? Das ist gewiß nicht der Fall. Wenn ich etwas Außergewöhnliches vorhabe, z. B. eine große Reise machen will, werde ich mich stets erst mit Menschen besprechen, die auf diesem Gebiete die nötige Erfahrung besitzen. So wird es auch im Falle „Krieg“ sein. Die Spezialisten sind die Offiziere. Im engeren Sinne der Generalstab. Hier sitzen die maßgebenden Leute. Hier werden die Pläne ausgeheckt. Und von hier aus kann ein verantwortungsloser, kriegslüsterner Tyrann gelenkt und geleitet werden zum Guten wie zum Bösen.

Es ist durchaus nicht notwendig, daß sich jeder Friedensfreund auf den Generalstab stürzt und diesem den Garaus macht, in der Annahme, daß durch dessen Beseitigung für alle Zeiten Frieden herrsche. Zu Zwecken der Verteidigung gegen einen irrsinnig gewordenen Angreifer muß jedenfalls eine Einrichtung vorhanden sein, die sich mit den Dingen einer eventuellen Wehr beschäftigt.

Der Weg aus der Wirrnis weist also zwingend auf 2 Punkte: Angriff und Verteidigung. Kann ein einziges Land oder Volk darüber entscheiden, ob ein Angriff oder eine Verteidigung vorliegt? Nein! Denn die Verdrehungskünste machen aus einem Angriff eine Verteidigung oder umgekehrt. Bei einem Rechtsstreit glaubt jede Partei, sich im Rechte zu befinden.

Es entscheidet nicht die Partei, sondern der Richter. Was im Leben des einzelnen ausschlaggebend ist, muß auch für ein Volk bestimmend sein. Die sogenannte „Ehre“ oder das „Nationalgefühl“ müssen sich bequemen, der Weltordnung den Vorrang zu lassen. Das ist der springende Punkt.

Will die Welt im ganzen gesehen nicht aus den Fugen geraten, so muß unter allen Umständen der oder die Störer des Friedens vor ein Völkergericht gestellt werden. Dieses Gericht hat die Gründe zu prüfen, die das betr. Land veranlassen, den Versuch zu machen, durch die Gewalt eine Änderung bestehender Verhältnisse herbeizuführen. Wird bei der Prüfung festgestellt, daß alles nur einem Eroberungsversuch oder einer krankhaften Ruhmsucht entspringt, dann werden sich alle Völker gegen diesen neuen Störenfried wenden. Alle Völker sind verpflichtet, im Verhältnis zu ihrer Größe Beistand zu leisten. Militärisch, wirtschaftlich u. finanziell.

Es kann nicht angehen, daß ein Volk (z. B. Japaner) für sich in Anspruch nimmt, seiner uneingeschränkten Bevölkerungszunahme dadurch abzuhelfen, daß es einfach über ein anderes Volk (Chinesen) herfällt, und dann dieses Volk beherrschen oder beseitigen will zu eigenem Nutzen. Dieser Eigennutz ist eine Unmöglichkeit.

Diese Japaner haben sich in erster Linie Beschränkungen aufzuerlegen. Verstand u. Vernunft dürfen einer zügellosen Vermehrung ihren Beistand nicht leisten. Es ist Sache der Japaner, in dieser Beziehung Mittel u. Wege zu finden. Die Natur hat ihnen jedenfalls die Insel zum Wohnplatz angewiesen. Eine Änderung dieser Sachlage ist nur auffriedlichem Wege in Verbindung u. im Einverständnis mit anderen Völkern zu erreichen. Die Gewalt hat vollkommen auszuscheiden. Ich kann doch auch nicht mit Gewalt mir eine Wohnung in irgendeinem mir fremden Hause „erobern“. Die vertragliche Zustimmung des Eigentümers oder Besitzers ist doch die erste Voraussetzung für den Gebrauch der Wohnung. Insbesondere dann, wenn ich Wert darauf lege, länger als 1 Tag in den Räumen zu verbleiben. Eine Selbstverständlichkeit für jeden Kulturmenschen. Aber warum wird von der Summe solcher Menschen, die sich dann als „Volk“ bezeichnen, gegen die einfachsten Rechtsbegriffe verstoßen? Jedenfalls deshalb, weil sie sich als Masse stärker fühlen. Daraus entsteht dann die These: Gewalt geht vor Recht.

Die Zivilisation u. der Fortschritt der Menschheit hängt aber von der Achtung des Rechtes ab. Das ist derart wichtig, daß es täglich als Gebet in die Köpfe eingehämmert werden müßte. Jede Volksgemeinschaft, der Staat, hat natürlich mit gutem Beispiel voranzugehen. Er muß die Grundrechte seiner Bürger unantastbar garantieren. Das müssen geheiligte Rechte sein und ewig bleiben!!!

Wie steht es in diesem Punkte heute (1939) in Deutschland? Erbärmlich! Ein Volk ohne Verfassung! Ein Sklavenvolk! Knechte ohne Rechte!! Wann wird Deutschland auferstehen?? Aus dem Dunkel in das Licht einer besseren Zukunft?

Ich wage noch nicht, mir den Ablauf der Dinge, die da kommen werden, vorzustellen. Es sind zuviel Probleme in den vergangenen 6 Jahren angegriffen worden. Aber nicht ein einziges wurde gelöst. Die Judenfrage wurde mit brutaler Einseitigkeit u. in rigoroser Form zu regeln versucht. Wo die Juden aber wohnen sollen, darüber haben sich die Nazis keine Gedanken gemacht. Das überlassen sie großzügig den anderen Staaten. Der Jude wird nach allen Regeln einer Räuberbande ausgeplündert u. dann kann er gehen. Noch nicht einmal bei den Zigeunern ist man so verfahren. Diesen sind wenigstens feste Plätze angewiesen worden. Dagegen ist vom Standpunkte eines geordneten Staatswesens nichts einzuwenden. Wenn aber die Juden, die durch Jahrhunderte in dem Wirtschaftsleben nachweisbar für die Gesamtentwicklung Leistungen vollbracht haben, rechtlos gemacht werden, so ist das eine Tat, die einer Kulturnation unwürdig ist. Der Fluch dieser bösen Tat wird auf der ganzen deutschen Nation unauslöschlich ruhen. Die Täter (die Nationalsozialisten) werden eines Tages verschwunden sein, ihre Taten werden aber weiterleben.

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