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Chronik und Quellen
1939
Juni 1939

Abwälzung der Fürsorgekosten

Die Stadt Frankfurt a.M. wälzt am 7. Juni 1939 die Fürsorgekosten für Juden auf die Jüdische Gemeinde ab:

Betr.: Zusammenarbeit mit der Jüdischen Wohlfahrtspflege
Vorg.: Niederschrift über die am 27.3.1939 beim Herrn Oberbürgermeister stattgefundene Besprechung
Dort.Vfg.v. 16.5.1939 -III/E/str.-
Sachbearbeiter: Verw.Insp. Nahm, Selbstanschl.: 2693

In der Durchführung der Fürsorge für Juden sind bisher keine neuen Gesichtspunkte in Erscheinung getreten. Es besteht nach wie vor die Regelung, dass hilfsbedürftige Juden vom Fürsorgeamt unterstützt werden. Die Entwicklung seit Januar 1939 zeigt folgendes Bild:

Zahl der Fälle:

                                in öffentl.     Altersfürsorge     Krankenhauspflege   Pflege-Kinder
                                   Fürsorge

Januar 39                 1077                     35                             111                             47
Februar 39               1123                   180                             135                             47
März 39                   1152                   125                             104                             49

Die Gesamtfürsorgekosten betragen       im Januar 1939 = RM     55260.25
                                                                               Februar 39   = RM     59755.97
                                                                               März 39         = RM    61706.24
                                                                               Zusammen =     RM 176 722.46

Hierauf wurden von der Jüd. Wohlfahrtspflege erstattet:

im Januar 1939     = RM 25000.-
im Februar 1939   = RM     35000.-
                                  RM     60000.-
Verbleiben               RM   116 722.46

Die geldliche Leistungsfähigkeit der jüdischen Gemeinde und ihrer Wohlfahrtseinrichtungen ist durch das Rechnungsprüfungsamt nachgeprüft worden. Es wird hierzu auf den diesbezüglichen Prüfungsbericht vom 23.3.1939 verwiesen. Nach dem Ergebnis dieser Prüfung ist die Vermögenslage der jüdischen Gemeinde schwierig. Nur durch Veräusse-rungen ihres Grundbesitzes und durch Flüssigmachung festangelegter Werte wird es der jüdischen Gemeinde möglich sein, ihren Verpflichtungen, insbesondere auch auf dem Gebiete der Wohlfahrtspflege, nachzukommen.

Trotz alledem haben wir uns veranlasst gesehen, von der jüdischen Wohlfahrtspflege mit Wirkung vom Januar 1939 ab die Erstattung der gesamten für die Juden aufgewendeten Fürsorgekosten zu fordern. Es geschah dies hauptsächlich im Hinblick darauf, dass auf Grund der sogenannten Auswanderungsabgabe erhebliche Mittel (etwa 1V2 Millionen) angesammelt worden sind, die zwar nicht unmittelbar der jüdischen Wohlfahrtspflege zur Verfügung stehen, die aber neben der Förderung der jüdischen Auswanderung auch fürsorgerischen Zwecken zu dienen bestimmt sind.

Die jüdische Wohlfahrtspflege hat sich inzwischen bereit erklärt, die gesamten Fürsorgekosten vom genannten Zeitpunkt ab zu erstatten. Zur Sicherung dieses Anspruches werden die Kaufgelder, die die Stadt auf Grund getätigter Grundstücksverkäufe an die jüdische Gemeinde schuldet, auf ein Sperrkonto bei der Stadtsparkasse angelegt mit der Massgabe, dass nur Zahlungen an das Fürsorgeamt zur Deckung der Fürsorgekosten für Juden geleistet werden dürfen.

Ueber die Bestellung des Beauftragten für die jüdischen Wohlfahrtseinrichtungen zum Bevollmächtigten für den Bereich des Regierungsbezirks durch den Herrn Regierungspräsidenten ist bis jetzt noch nichts Näheres bekanntgeworden.

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