Letzte Hoffnung: Auswanderung
Die Eheleute Malsch aus Düsseldorf berichten ihrem Sohn Willy in den USA am 5. Mai 1939 von ihrer wachsenden Verzweiflung und der Hoffnung auszuwandern:
Mein geliebter Willy!
Am 1. ds. [Monats] schrieben wir Dir mit der Queen, den Brief hast du ja wohl inzwischen bekommen. Hoffentlich hast Du den uns angezeigten Brief auch geschrieben, wir warten dann immer so sehr darauf. Heute vor einem Jahr waren wir in Stuttgart, was wäre uns alles erspart geblieben, wenn es dort geklappt hätte. Wir dürfen gar nicht mehr daran denken. Alfred schrieb uns gestern wieder, er beschwerte sich, daß Du ihm noch immer nicht die Muster zurückgeschickt hast, es wäre ihm vor seiner Firma sehr unangenehm. Hole es aber sofort nach, wir schrieben Dir aber auch schon öfter deswegen, hast uns auch noch nicht mal darauf geantwortet. Wir haben ihm schon öfter geschrieben, wir hätten es Dir mitgeteilt. Hast Du etwas wegen Krüger3 dort gehört? Es wird hier gesagt, in Stuttgart wären Ferien, bestimmt weiß ich es aber nicht. So vergeht Monat um Monat, und wir sitzen immer noch hier und kommen & kommen nicht heraus, es ist oft zum Verzweifeln. Jetzt kommt der Sommer, kein Gas, kein Wasser, immer muß ich den Herd anmachen, so was kennt man doch nicht. Wenn doch nur Stuttgart klappen wollte, dann wäre mit einem Schlage alles erledigt. Die Reise kriegen wir dann auch vom Hilfs-Verein, verschiedene Leute hier haben es auch bekommen. Im August vorigen Jahres hätten wir bestimmt anders reisen können, aber der 1. Gott mag doch geben, daß es doch auch so recht bald geht. Wir sind ja mit allem zufrieden, wir wollen nur bei Dir sein, dann ist alles in Ordnung, und für Dich, 1. Männele, wäre es bestimmt auch viel besser. Gib’ uns doch bitte gleich Nachricht, ob Du etwas wegen Krüger gehört hast. Von Stuttgart auf unsere Anfrage haben wir noch keine Nachricht, die lassen sich Zeit, wenn, wie gesagt, überhaupt dort geöffnet ist. Hat Herr Wolff dort den Brief ins Geschäft erhalten? Dir war er bestimmt nicht recht, wir waren aber ganz verzweifelt, wenn Du Wochen nicht schreibst. Also schreib uns bald einen recht ausführlichen Brief, damit wir auch privat etwas von Dir wissen.
Also für heute will ich schließen, bleib gesund und sei vielmals herzl. gegrüßt, immer deine Dich sehr liebende Mutter.
Mein lieb Männe, laß Dir doch bitte von Deinen Chefs sagen, wann sie das angezeigte Geld haben anweisen lassen, durch welche Bank. Wochen wird es immerhin dauern. Alfred bemüht sich auch für uns, um wenigstens vorläufig nach England uns zu bringen (schon deshalb mußt Du ihm die Mustersachen in Ordnung bringen). Jeder Tag Warten mehr wird zur unerträglichen Qual. Du darfst Dich glücklich schätzen, dort zu sein. Hast Du zusätzlich noch etwas in W. (D.C.) unternommen? - Das neueste Kinderspiel hier ist: Wie viele der Staaten von U.S.A. kannst Du nennen? Wer am meisten weiß, hat gewonnen! Das gäbe einen Zeitungsartikel. Wir erwarten ungeheuer bald ausführlichen Brief von Dir
Herzl. Gruß & Kuß Dein Dich liebender Papa