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Chronik und Quellen
1939
April 1939

Regelungen zum Umzugsgut bei Emigration

Das „Jüdische Nachrichtenblatt“ berichtet, dass das Reichswirtschaftsministerium am 17. April 1939 Weisungen erteilt, was Emigranten bei ihrer Auswanderung mitnehmen dürfen:

Mitnahme von Umzugsgut durch Auswanderer
Runderlaß Nr. 49/39 D. St. - Ue. St. vom 17. April 1939

Umzugsgut im Sinne des § 57 DevG. ist diejenige bewegliche Habe des Auswanderers, die zu seinem Hausrat gehört, seinem persönlichen Gebrauch oder der persönlichen Ausübung seines Berufes oder Gewerbes dient. Für die Mitnahme sonstiger Sachen, die nicht Umzugsgut sind, z. B. Handelswaren und Wertpapiere, gelten nachstehende Bestimmungen nicht.

Unter Aufhebung der RE 38/38 D. St.- Ue. St., des AE 11/39 D.St. - Ue. St. Ziff. II, und des AE 49/39 D.St. - Ue. St. bestimme ich gemäß Absch. IV Nr. 63 der Richtlinien für die Devisenbewirtschaftung:

I

Sachliche Behandlung der Anträge.

Es ist zu unterscheiden zwischen Altbesitz, Neubesitz und Sachen, für die ein unbedingtes Mitnahmeverbot besteht.

1. Altbesitz

Die Mitnahme von Sachen, die dem Auswanderer nachweislich bereits vor dem 1. Januar 1933 gehört haben, kann genehmigt werden, soweit nicht einzelne Gegenstände unter das unbedingte Mitnahmeverbot der Nr. 3 fallen.

2. Neubesitz.

Die Mitnahme von Sachen, die der Auswanderer erst nach dem 31. Dezember 1932 angeschafft hat, ist grundsätzlich nicht zu genehmigen.

Ausnahmen können gemacht werden für:

a) Sachen, die Auswanderer im Rahmen des Notwendigen als Ersatz für unbrauchbar gewordene Bekleidungsstücke und Wäsche angeschafft haben (Ersatzstücke),

b) Sachen, die der Auswanderer im Rahmen des Notwendigen zum Zwecke der Auswanderung angeschafft hat (Einrichtungs- und Ausrüstungsgegenstände). Die Genehmigung kann von der Leistung einer ersatzlosen Abgabe in Elöhe des Anschaffungswertes an die Deutsche Golddiskontbank abhängig gemacht werden. Die Abgabe, die dem Auswanderer durch einen Festsetzungsbescheid der Devisenstelle auferlegt worden ist, darf ohne Genehmigung aus einem nach § 59 DevG. gesperrten Guthaben oder dem eigenen Auswandererguthaben des Pflichtigen geleistet werden, wenn die Ueberweisung unmittelbar durch die kontoführende Bank an die Deutsche Golddiskontbank, Berlin, vorgenommen wird.

3. Unbedingtes Mitnahmeverbot.

Die Mitnahmegenehmigung ist zu versagen für:

a) Gegenstände aus Gold, Platin oder Silber sowie für Edelsteine und Perlen.

Ausnahmen können gemacht werden für:

aa) die eigenen Trauringe und die verstorbener Ehegatten,
bb) silberne Armband- und Taschenuhren,
cc) gebrauchtes Tafelsilber, und zwar je Person 2 vierteilige Eßbestecke, bestehend aus Messer, Gabel, Löffel und kleinem Löffel,
dd) darüber hinaus sonstige Silbersachen bis zum Gewicht von 40 g je Stück bis zu einem Gesamtgewicht von 200 g je Person.

b) Hochwertige Ausfuhrerzeugnisse, die Neubesitz und zum Wiederverkauf geeignet sind, z. B. Photoapparate, andere optische Geräte, Musikinstrumente u. dgl. Die Mitnahme kann nur ausnahmsweise gegen Leistung einer ersatzlosen Abgabe in Flöhe des Anschaffungswertes an die Deutsche Golddiskontbank genehmigt werden, wenn der Auswanderer diese Sachen zur persönlichen Ausübung seines Berufes oder Gewerbes und zur Begründung einer bescheidenen Existenz im Ausland unbedingt benötigt. Nr. 2b letzter Satz gilt entsprechend.

c) Sachen, deren Ausfuhr nach der Verordnung über die Ausfuhr von Kunstwerken vom h. Dezember 1919 (RGBl. I, Nr. 236), durch österreichisches Bundesgesetz vom 24. Januar 1923 (RGBl, Nr. 80) oder in den sudetendeutschen Gebieten durch Verordnung vom 11. Januar 1939 (RGBl. I, S. 30) untersagt ist. Die Mitnahmegenehmigung ist ferner für sonstige Sachen von besonderer geschichtlicher, künstlerischer oder kultureller Bedeutung zu versagen.

4. Auswanderung mit fremder Staatsangehörigkeit

Bei der Entscheidung über Anträge fremder Staatsangehöriger finden vorstehende Beschränkungen keine Anwendung. Anträgen fremder Staatsangehöriger auf Mitnahme von Umzugsgut ist daher im allgemeinen zu entsprechen.

Angehörigen der ausländischen diplomatischen und konsularischen Vertretungen ist auf Verlangen eine allgemeine Genehmigung zu erteilen, das ihnen gehörende Umzugsgut in das Ausland mitzunehmen oder zu versenden, ohne daß diese Personen Verzeichnisse ihres Umzugsguts einzureichen brauchen.

II

Verfahren

1. Antrag

Der Auswanderer hat die Genehmigung zur Mitnahme von Umzugsgut drei Wochen vor seiner Auswanderung bei der zuständigen Devisenstelle zu beantragen. Er hat den bei der Devisenstelle erhältlichen Antragsvordruck nebst Fragebogen auszufüllen und nach den Vorschriften des ,,Merkblatt[s] für die Mitnahme von Umzugsgut durch Auswanderer“ Verzeichnisse der zur Mitnahme bestimmten Sachen gemäß Vordruck in Schreibmaschinenschrift anzufertigen.

Es ist je ein besonderes Verzeichnis aufzustellen, je nachdem [wie] die Sachen befördert werden sollen:

a) in Möbelwagen, in besonders gedeckten Güterwagen, als geschlossene Sendung in anderen Beförderungsmitteln oder in Behältern bzw. Liftvans, die zollsicher verschlossen werden können;
b) als Reisegepäck, Expreß-, Eil- oder Frachtstückgut;
c) als Handgepäck.

Im Falle b) ist für jedes Stück ein besonderes Verzeichnis anzufertigen, Sachen aus Edelmetallen und dgl. (vgl. Ziffer I Nr. 3a) sind stets im Handgepäck zu befördern und daher im Verzeichnis des als Handgepäck mitgeführten Umzugsguts aufzuführen. Im übrigen ist das Handgepäck auf die zum persönlichen Gebrauch auf der Reise unbedingt erforderlichen Sachen zu beschränken.

Innerhalb der einzelnen Verzeichnisse sind die einzelnen Sachen getrennt in folgenden 3 Abschnitten aufzuführen:

1. Abschnitt
Sachen, die vor dem 1. Januar 1933 angeschafft worden sind (Altbesitz vgl. I Nr. 1).

2. Abschnitt
Sachen, die im Rahmen des Notwendigen von dem Auswanderer als Ersatz für unbrauchbar gewordene Bekleidungsstücke und Wäsche erworben sind (Ersatzstücke vgl. I 2 a).

3. Abschnitt
Sachen, die der Auswanderer im Rahmen des Notwendigen zum Zwecke der Auswanderung angeschafft hat (Einrichtungs- und Ausrüstungsgegenstände vgl. 1.2b).

2. Prüfung

Die Devisenstellen haben die Anträge und Verzeichnisse im allgemeinen an Gerichtsvollzieher als Sachverständige zur Prüfung weiterzuleiten. Das Umzugsgut muß stets vor der Auswanderung und grundsätzlich in der Wohnung des Auswanderers und in dessen Anwesenheit geprüft werden. Ausnahmen sind nur mit Zustimmung der Devisenstelle zulässig.

Der Auswanderer hat sich in dem Antrag zu verpflichten, die Kosten der Prüfung und Schätzung seines Umzugsguts zu tragen. Wird das Umzugsgut durch einen Gerichtsvollzieher geprüft, so kann dieser unmittelbar Gebühren nach Maßgabe der „Gebührenord nung für die Prüfung von Umzugsgut durch die Gerichtsvollzieher als Sachverständige der Devisenstellen“ einziehen. Werden Sachen durch Spezialsachverständige geprüft, so erheben diese Gebühren, die von der Industrie- und Handelskammer festgesetzt werden. Der Antragsteller kann gegen die Schätzung einer Sache Einspruch erheben. Der Sachverständige hat die Vorgänge dann an die Devisenstelle zurückzugeben, die sie an die zuständige Industrie- und Handelskammer weiterleitet. Diese bestellt gegebenenfalls nach Erhebung eines Kostenvorschusses einen Obergutachter zur Nachprüfung der angefochtenen Schätzung.

3. Genehmigung

Nach Abschluß der Prüfung entscheidet die Devisenstelle endgültig darüber, welche Sachen mitgenommen werden dürfen und in welcher Höhe Abgaben an die Deutsche Golddiskontbank zu leisten sind.

Die Genehmigung darf gegebenenfalls erst ausgehändigt werden, wenn

a) der Auswanderer durch Vorlage einer Quittung der Deutschen Golddiskontbank, einer Reichsbankanstalt oder der Preußischen Staatsbank (Seehandlung) nachweist, daß er die ihm auferlegte Abgabe an die Deutsche Golddiskontbank geleistet hat und

b) ausländische Vermögenswerte sowie ausländische Schutzrechte des Antragstellers (vgl. Erklärung auf der Rückseite des Antragsvordrucks) sichergestellt sind, sofern sie nicht freigegeben werden.

Der Reichswirtschaftsminister
Im Auftrag
gez. Dr. Schlotterer

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