Menü
Chronik und Quellen
1939
Januar 1939

Hilfe bei Emigration

Herbert Nothmann aus Breslau bittet am 3. Januar 1939 einen entfernten Verwandten per Brief um Hilfe bei der Auswanderung:

Sehr geehrter Herr Nothmann!

Hoffentlich treffen Sie sowie Ihre werte Gattin meine Zeilen gesund und munter an und haben die traurige Zeit der letzten Wochen gut überstanden.

Ich bitte Sie um einige Daten, falls Sie in der Lage sein sollten, mir dieselben mitteilen zu können:

1.) Ist mein Vater Sigismund N. (9.5.1870-12.3.37) in Keltsch oder in Langendorf geboren?
2.) Am wievielten Tage des April 1879 ist mein Grossvater Julius N. gestorben?
3.) Am wievielten Tage und in welchem Monat ist mein Urgrossvater Salomon N. im Jahre 1788 geboren?
4.) Wann und wo wurde meine Grossmutter Johanna N., geb. Freund geboren? Und wann starb sie in Gleiwitzf

Ich benötige die Daten z.T. zur Erlangung eines Heimatscheines und wäre Ihnen sehr verbunden, wenn Sie mir die Fragen möglichst bald beantworten würden. Im voraus für Ihre freundlichen Bemühungen besten Dank.

Ich bin durch die letzten Wochen vollkommen ruiniert worden und befinde mich in einer entsetzlichen Lage. Bis zum 10. November war ich, das kann man ruhig sagen, wohlhabend und lebte in den geordnetesten Verhältnissen. Mein Schwiegervater verlor mit einem Schlage 3 Geschäfte und musste, um seinen sämtlichen Verpflichtungen nachzukommen, sein Grundstück verkaufen. Ihm verbleibt nichts mehr. Mein Brot verdiente ich mir aber nicht leicht, ich habe seit 1933, als man mir meine Existenz nahm, in meiner neuen Existenz 12 Stunden hinter dem Ladentisch gestanden, das war in den letzten 6 Jahren. Wenn ich in die Zukunft sehe, so muss ich fast meinen, dass für mich nur der eine Weg verbleibt - der Strick. Ich bin verpflichtet, meine Auswanderung schnellstens durchzuführen. Der grösste Teil der hierfür notwendigen Mittel fehlt mir aber, und ich bin schon ganz verzweifelt. Wissen Sie nicht irgendeinen Menschen, der mir helfen könnte? Gibt es nicht in der grossen Verwandtschaft der Nothmanns einige grossherzige Menschen, die noch in der Lage wären, mir zu helfen. [Lieber] Herr Nothmann, der Selbsterhaltungstrieb gebietet [es] nun, zu dem noch einzigen Mittel des Betteins zu greifen. Ich will nicht untergehen, das ist mein tägliches Gebet und mein Bitten zu Gott. - Ich kann durch ein Holländisches Reisebüro ein Besuchsvisum nach Peru bekommen, wofür an dieses Hfl. 150.- (das sind $ 81.-) zu zahlen sind. Ich habe mich im Ausland an 5 Stellen gewandt, um die 150 Gulden zu erhalten. Von 3 Stellen bekam ich Absagen, und 2 haben überhaupt nicht geantwortet. Wissen Sie nicht im Ausland eine Adresse, an die ich mich noch wenden könnte? Ich werde bestimmt in die Lage kommen, später den Betrag zurückzuzahlen. Wenn Sie, verehrter Herr Nothmann, falls Sie eine Beziehung im Ausland haben, sich für mich freundlichst an jemanden wenden könnten, würde ich Ihnen zu grösstem Danke verpflichtet sein. Für meine Überfahrt, die sehr teuer ist, fehlen mir auch noch M 700,-. Ich wage es kaum zu hoffen, dass ich das alles zusammenbekommen werde. Aber ich muss es doch versuchen, muss mit allen Mitteln dahinter sein, die Beträge aufzutreiben. Vielleicht können Sie mir dabei behilflich sein, sie tun damit bestimmt eine gute Tat, die Ihnen vergolten werden wird.

Seien Sie sowie Ihre werten Angehörigen herzlichst gegrüsst von Ihrem ergebenen

Baum wird geladen...