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Chronik und Quellen
1938
November 1938

Brand in Synagoge durch Brandstiftung

Am 10. November 1938 berichtet der Ortspolizist dem Landrat in Siegburg Folgendes über den Brand der Synagoge in Ruppichteroth:

Gend.-Amtsbereich                                     Ruppichteroth, den 10.11.38
Ruppichteroth
(Siegkreis, Bez. Köln.)

Heute früh um 7 ¼ Uhr brach in der Synagoge ein Feuer aus. Zunächst habe ich die Ortspolizeibehörde von diesem Brand telef. in Kenntnis gesetzt. Als ich zur Brandstelle kam, legte auch schon die Feuerlöschpolizei die Rohrleitung zum Brandherd. Hierauf löschte die Wehr aus sich heraus das Feuer. Diese Maßnahme war auch notwendig, um die gegenüber liegenden Häuser zu schützen, da auf diesen die Windrichtung lag. Ich selbst stellte fest, daß die Synagoge vorsätzlich in Brand gesteckt wurde, die vorher mit einem Nachschlüssel geöffnet wurde. Es brannte die Inneneinrichtung; der Dachstuhl war noch nicht von den Flammen erfaßt. Der Arbeiter Christian Steimel aus Ruppichteroth meldete mir auf der Brandstelle, daß 2 Mann kurz nach 7 Uhr die Synagoge angesteckt haben, die mit dem Kraftwagen I Z 86897 gekommen waren.

Als das Feuer gelöscht war, waren einige Leute mit dem Einwerfen der Fensterscheiben und mit der Zerstörung der Inneneinrichtung beschäftigt. Als ich hinzu kam, sagte ein Mann zu mir: „Sie haben hier das Feuer löschen lassen, ich möchte den Namen von Ihnen wissen, das übrige wird sich finden.” Ich erwiderte ihm darauf, „zunächst weisen Sie sich einmal aus, wer Sie eigentlich sind.” Da antwortete er mir: „Das habe ich nicht nötig.” Ich entgegnete ihm: „Wenn Sie mir die

 

die Namensangabe verweigern, so muß ich Sie zur Festestellung der Personalien polizeil. festnehmen.” Er zeigte mir hierauf von weitem einen Ausweis. Ich konnte aber auf die große Entfernung hin nicht einmal das Paßbild erkennen und bat ihn für die Einsichtnahme um Aushändigung des Passes. Er steckte aber den Ausweis wieder ein und verweigerte die Aushändigung. Er sagte zu mir, er hätte für die Zerstörung einen Befehl von Herrn Reichsführer der SS. und bemerkte, daß sie von der SS wären. Ich verlangte den Befehl zur Einsicht. Hierauf erwiderte er mir: „Es ist ein Funkspruch gekommen”. Dieserhalb sagte ich zu ihm: „Dann kommen Sie mit mir zu der nächsten Telefonstelle, wir werden bei der Ortspolizeibehörde anfragen, ob dort ein solcher Funktspruch bekannt ist.” Wir sind dann auch zu der in der Nähe liegenden Geschäftsstelle der N.S.D.A.P. gegangen und ich habe von dort die Ortspolizeibehörde angerufen. Herr Bürgermeister Manner erwiderte mir, daß ein solcher Funkspruch dort nicht vorliege, wir sollten aber warten, er wolle das Landratsamt anrufen. Hierauf bekam ich die Nachricht, daß auch dort von einem Funkspruch nichts bekannt sei, es wird die Auskunft von der Regierung eingeholt.

Ich habe dann die Papiere des Kraftwagenführers, der den fremden Zerstörungstrupp nach Ruppichteroth brachte nachgesehen: Erich Jünger, geb. am 24.7.09, wohnhaft in Gummersbach, Kraftwagen I Z 32699. Alle trugen Zivilkleidung niemand war in Uniform. Hierauf fuhren sie zum Verwalter Lövenich in Ruppichteroth, der auch der SS angehört. Dort erfuhr ich auch, daß der Führer des

 

des Trupps Schauderer hieß. Er rief auch von dort die S.A. in Siegburg an und beschwerte sich über mich. Die S.A. verlangte mich an den Apparat. Als ich meinen Namen am Apparat nannte, schrie mich einer an, wie ich dazu käme, die S.S. zu stören. Ich erwiderte: „Ich könne nur nach meinen Dienstvorschriften und nach den Anweisungen der zuständigen Behörden handeln und habe mit Ihnen in diesem Falle nichts zu tun. Heil Hitler!” wobei ich den Hörer einhängte.

Wenn die SS-Leute, die aus einem andern Kreise und in Zivil kamen, sich mit mir oder mit der Ortsgruppe der N.S.D.A.P. in Verbindung gesetzt hätten, so wäre jede Auseinandersetzung vermieden worden. Denn auch dem Ortsgruppenleiter von Ruppichteroth war nichts bekannt. Auch die Bemerkung der Leute, daß nach der Zerstörung der Synagoge auch die andern beiden Kirchen bald an die Reihe kommen, konnte ausbleiben. Denn unter der arischen Bevölkerung hatte sich darüber eine große Erregung bemächtigt.

Laddach
Gend.-Meister u. Amtsführer.

Polizeiführer West fordert Konsequenzen

Am 15. November 1938 teilt der Inspekteur der Ordnungspolizei beim Oberpräsidenten dem Landrat in Siegburg Folgendes mit:

Siegburg, den 15. November 1938.

Anruf von Major Schmedding, Inspekteur der Ordnungspolizei beim Oberpräsidenten.

Major Schmedding teilte um 16.30 Uhr fernmündlich mit, daß ein erneuter Funkspruch des höheren Polizeiführers West, SS-Obergruppenführer Weitzel vorliege, wonach der Gend.-Meister Laddach sofort zu beurlauben sei, widrigenfalls er durch die SS. festgenommen werden würde. Major Schmedding teilte dazu mit, daß es ihm bisher nicht möglich gewesen sei, den Herrn Regierungspräsidenten oder Vizepräsidenten zu erreichen. Er gebe daher den Auftrag unmittelbar an den Landrat weiter. Vom Unterzeichneten wurde auf die Bedenken hingewiesen, die gegen die Beurlaubung bestehen. Der Major teilte diese, sagte aber dabei, daß er die Beurlaubung immer noch für besser halte als die evtl. Festnahme des Laddach durch die SS. Der Unterzeichnete hat daraufhin gesagt, daß Laddach zur Vernehmung hierher bestellt sei und bereits unterwegs sei. Die Beurlaubung werde ihm gegenüber ausgesprochen werden. Allerdings solle L. veranlaßt werden, sich zunächst in Siegburg aufzuhalten, damit ein weiteres Bekanntwerden der Beurlaubung des L. für den Fall, daß es dem Herrn Regierungspräsidenten gelingen sollte, die Beurlaubung rückgängig zu machen, vermieden würde. Der Major, der ausdrücklich betonte, als Vertreter des Oberpräsidenten zu sprechen, war mit diesem Vorschlag einverstanden.

Vernehmung des Polizisten

In seiner Vernehmung in Siegburg sagte der Ortspolizist am 15. November Folgendes aus:

Siegburg, den 15. November 1938.

Gegenwärtig: Regierungsassessor Dr. Vietor,
                         Bürgermeister Manner, Schönenberg,
                           Büroangestellte Möres als Protokollführerin.

Es erscheint der Gend.-Meister Laddach aus Ruppichteroth und erklärt:

Am Donnerstag, den 10. November 1938 brach morgens in der Synagoge in Ruppichteroth ein Feuer aus. Sobald ich von dem Brand Kenntnis erhielt, begab ich mich zur Brandstelle. Die Feuerwehr war gerade damit beschäftigt, die Rohrleitungen zu legen und das Feuer wurde sehr bald gelöscht. Als das Feuer gelöscht war, sah ich, daß einige Personen in Zivil die Fenster der Synagoge einwarfen. Ich begab mich dorthin, um zu sehen, wer das wäre. Da trat einer von diesen Zivilisten auf mich zu und sagte: „Sie haben hier das Feuer löschen lassen. Ich will Ihren Namen wissen. Das Weitere wird sich finden.” Ich sagte darauf: „Weisen Sie sich zunächst einmal aus.” Er sagte darauf: „Das habe ich nicht nötig.” Ich sagte darauf, daß ich ihn dann zur Feststellung der Personalien polizeilich festnehmen müsse. Er zog dann einen Ausweis aus der Tasche, den er mir aber nur von weitem zeigte. Er hielt ihn so weit entfernt von mir, daß ich nicht einmal feststellen konnte, ob er in Uniform oder in Zivil auf dem Lichtbild war. Ich forderte ihn auf, mir den Ausweis auszuhändigen. Darauf steckte er den Ausweis wieder ein. Er sagte dann, er handele auf Befehl des Reichsführers SS. Ich forderte ihn auf, mir den Befehl vorzuzeigen. Er sagte, er habe keinen schriftlichen Befehl, es liege ein Funkspruch vor. Daraufhin sagte ich, er solle mit zur nächsten Telefonzelle kommen, um bei der Ortspolizeibehörde festzustellen, ob ein solcher Funkspruch dort vorliege. Wir gingen dann zusammen in das Geschäftszimmer der Ortsgruppe des NSDAP. Ich habe dann alsbald mit Herrn Bürgermeister
                                                                 

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Manner gesprochen. Auf der Ortspolizeibehörde war der Funkspruch nicht bekannt. Der Bürgermeister sagte, er wolle sofort das Landratsamt anrufen. Nach kurzer Zeit rief der Bürgermeister wieder an und sagte, das Landratsamt sei auch nicht unterrichtet. Die Regierung werde angerufen. Die Leute sollten in Ruppichteroth bleiben.

In der Zwischenzeit habe ich die Papiere des Fahrers des Kraftwagens eingesehen. Bei dieser Gelegenheit sagte mir der Fahrer, daß sie von der SS. seien. Bald darauf rief der Bürgermeister mich an und sagte, daß ich nicht weiter polizeilich einschreiten sollte. Ich habe dann die Leute aufgesucht und ihnen gesagt, daß ich inzwischen über die Aktion unterrichtet worden sei.

Als ich die SS-Angehörigen im Erholungsheim der Landesversicherungsanstalt traf, riefen sie mich an den Apparat. Ich sprach mit einem Herrn von der SA. in Siegburg. Dieser fragte mich in schroffem Ton und mit lauter Stimme, wie ich dazu komme, der SS. Schwierigkeiten zu machen. Ich sagte daraufhin: „Ich handele nach den Weisungen meiner vorgesetzten Dienstbehörde und nach meinen Dienstvorschriften; mit Ihnen habe ich in diesem Falle nichts zu tun. Heil Hitler!” Darauf hängte ich den Hörer ein.

Auf Vorhalt: Ich habe keinesfalls gesagt: „Die SS. hat hier nichts zu sagen.”

Ich möchte betonen, daß ich niemanden festgenommen habe, sondern nur aufgefordert, zur nächsten Telefongelegenheit mitzugehen. Auch später haben sich die SS-Angehörigen nicht die ganze Zeit in meiner Nähe aufgehalten, sondern haben sich in Ruppichteroth frei bewegt.

Auf Vorhalt: Abgesehen von dem geschilderten Tatbestand ist mir nicht bekannt geworden, daß diese Aktion polizeilicherseits geduldet werden sollte.

Ich möchte noch betonen, daß ich die SS-Angehörigen bei der Zerstörung der Synagoge in keiner Weise gehindert habe. Die gesamte Unterhaltung begann wie gesagt damit, daß ich von dem Führer des Trupps zur Nennung
                                                                      

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meines Namens aufgefordert wurde.

Ich habe nicht gesehen, daß die Zivilisten ein SS-Abzeichen trugen.

Nach den ganzen Umständen war ich mir in unklaren darüber, ob es sich hier um SS-Männer handelte, die im Auftrag von höherer Stelle handelten oder um Provokateure, die absichtlich dem Ansehen der Partei Schaden zufügen wollten. Ich habe mich deswegen auf der einen Seite sehr zurückhaltend gezeigt, auf der anderen Seite aber entscheidenden Wert darauf gelegt, den Namen der Beteiligten einwandfrei festzustellen, da ich ja auf alle Fälle über diese Vorfälle berichten mußte.

Bericht des Landrats

Am 15. November 1938 übermittelte der Siegburger Landrat dem Regierungspräsidenten das Vernehmungsprotokoll mit folgendem Kommentar:

Der Landrat des Siegkreises.                                         Siegburg, den 15. November 1938.
I. L

1.) An den Herrn Regierungs-Präsidenten in Köln.

Betrifft: Verhalten des Gend.-Meisters Laddach in Schönenberg.

In der Anlage überreiche ich das Protokoll über die Vernehmung des Laddach und Abschrift des Berichtes des Laddach vom 10. November ds. Js. Ich möchte feststellen, daß, wenn die Angaben des Beamten richtig sind, dieser lediglich seine Pflicht getan hat, und ich halte es für unbedingt erforderlich, daß der Beamte in vollem Umfang gedeckt wird. Als der Amtsbürgermeister von Schönenberg mich morgens um 8,05 Uhr anrief, habe ich dem Bürgermeister ausdrückliche Weisung gegeben, daß der Beamte die Leute festhalten solle, bis ich mit dem Herrn Regierungspräsidenten gesprochen hätte.

Besonders im Zusammenhang mit dem „Fall Odenspiel” sind die Polizeiverwalter und Beamten immer wieder in schärfster Form darauf hingewiesen worden, daß sie gegen alle Einzelaktionen mit aller Energie vorzugehen hätten. Weder mir noch irgend einer Stelle im Kreise war bekannt, daß es sich hier nicht um „Einzelaktionen” handelte. Der Beamte hätte sich also einer schweren Pflichtverletzung schuldig gemacht, wenn er nicht eingegriffen hätte. Durch die Unkenntnis über die wahren Verhältnisse ist der Beamte in eine sehr schwierige Lage geraten. Ich habe nach seiner Vernehmung den Eindruck, daß er das Richtigste ge-
                                                                                                  

tan hat, was er überhaupt tun konnte. Ein Eingreifen war unter allen Umständen erforderlich. Die Form des Eingreifens war so zurückhaltend, als es nach den Umständen sein konnte.

Ich habe in meinem Bericht vom heutigen Tage über die Judenaktonen im allgemeinen darauf hingewiesen, welche bedenklichen Folgen derartige Handlungen ohne Vorwissen der Polizei für die Schlagkraft der Polizei haben müssen. Ich gestatte mir nochmals nachdrücklichst zu betonen, daß ich als verantwortlicher Polizeiverwalter in meinem Kreise mich nicht damit einverstanden erklären kann, daß der Beamte in irgendeiner Form gemaßregelt wird.

Auf Grund fernmündlicher Anweisung des Inspekteurs der Ordnungspolizei beim Herrn Oberpräsidenten, Major Schmedding, habe ich L. heute auf weiteres beurlaubt. Ich habe, wie ich aus dem beigefügten Vermerk zu entnehmen bitte, meine Bedenken gegen diese Beurlaubung zum Ausdruck gebracht. Ich möchte auch hier noch einem betonen, daß ich auch die Beurlaubung für bedenklich halte. Wenn in nächster Zeit Provokateure ähnliche Handlungen vornehmen, so kann ich für ein entschlossenes Eingreifen meiner Beamten nicht garantieren. Die Beurlaubung des Laddach spricht sich unvermeidlich unter den Polizeibeamten herum und es steht zu befürchten, daß die Beamten in anderen schwierigen Situationen sich dieses Vorfalls erinnern.

Ich bitte daher dringendst dahin zu wirken, daß die Beurlaubung so schnell wie möglich aufgehoben wird und eine weitere Bestrafung des L. nicht erfolgt.

 

Bericht des Ortsbürgermeisters

Ebenfalls am 15. November 1938 übermittelte der Ruppichterother Amtsbürgermeister dem Landrat in Siegburg folgenden Bericht über die Geschehnisse am 10. November 1938:

Der Amtsbürgermeister                                       Schönenberg, den 15. November 1938.
von Ruppichteroth

Tgb. Nr. II.

An
den Landrat des Siegkreises
in Siegburg.

Betrifft: Judenaktion am 10. November 1938.

Verfügung vom telef. Anruf vom 14.11.1938.

Am 10. November 1938 etwa 7,35 Uhr teilte Gend. Meister Laddach fernmündlich mit, dass in der Synagoge in Ruppichteroth ein Brand ausgebrochen sei. Er habe die Feuerwehr alarmiert. Ich habe Laddach die Anweisung für die Feuerwehr, die Wehr habe dafür zu sorgen, dass durch den Brand der Synagoge die Nachbarhäuser unter keinen Umständen in Mitleidenschaft gezogen werden, sodass die Wehr ihr Hauptaugenmerk auf die Nachbargebäude zu legen habe. Kurz darauf rief der Brandmeister Willach Löschzug Ruppichteroth an und habe ich denselben Befehl wiederholt.

Gegen 8,05 Uhr rief Gend. Meister Laddach erneut an und erklärte, es seien einige ihm ungekannte Herrn bei ihm, welche erklärten der SS anzugehören. Sie hätten den Befehl des höheren Polizeiführers West, Obergruppenführer, Polizeirpräsident Weitzel, die Synagoge zu zerstören. Da er die Leute, die in Zivil seien, nicht kenne, habe er ihre Legitimation verlangt. Die Leute hätten ihn darauf angefahren und Laddach habe mit polizeilicher Festnahme gedroht, solange bis sie sich sich legitimierten, da Laddach einen Tarnung 

 

vermutete. Es soll nun eine Auseinandersetzung zwischen Laddach und dem Sturmführer Schlauderer aus Gummersbach stattgefunden haben. Dieserhalb nehme ich Bezug auf den der dortigen Stelle eingereichten Bericht des Gend.Meisters Laddach. Später soll sich der Sturmführer Schlauderer legitimiert haben. Laddach bezweckte mit seinem Anruf, ob der hiesigen Stelle etwas von einem Befehl der Zerstörung der Synagoge bekannt sei. Ich habe Laddach erklärt, dass vom Landratsamt dieserhalb nichts durchgegeben worden sei und der hiesigen Stelle von einem derartigen Befehl nichts bekannt sei. Ich würde sofort den Herrn Landrat dieserhalb anrufen. Er solle den Leuten sagen, sie möchten sich in Ruppichteroth aufhalten und würden, sobald ich Nachricht vom Herrn Landrat hätte, informiert, ebenso Laddach. Daraufhin kam der Sturmführer Schlauderer an den Apparat und erklärte mir, dass er obigen Befehl habe und diesen auszuführen habe. Er sei von den Gendarm daran gehindert worden, der ihn verhaftet habe. Ich habe Schlauderer erklärt, dass er nicht verhaftet sei, er solle sich legitimieren und warten, da ich meine vorgesetzte Dienstbehörde anrufen wolle, um Klarheit zu schaffen. Ich erklärte ihm weiter, dass er, wenn er den Befehl des höheren Polizeiführers West, Obergruppenführer Weitzel, welcher mir nicht bekannt sei, ausführe, ja auch die Verantwortung trage. Gegen 8,15 Uhr habe ich versucht, den Herrn Landrat fernmündlich zu erreichen, was mir nicht gelungen ist. Ich wurde mit Herrn Oberinspektor Meyer zurückverbunden. Herrn Oberinspektor Meyer war von der Aktion nichts bekannt. Er erklärte mir, die Leute sollen vorläufig verhaftet werden. Ich habe Herrn Oberinspektor Meyer erklärt, dass ich die Leute nicht verhaften würde, sondern den Auftrage gegeben hätte, dass dieselben in Ruppichteroth verbleiben sollten, bis ich Nachricht vom Herrn Landrat hätte. Dies wurde etwa 8,25 Uhr Laddach weitergegeben. Etwa 8,50 Uhr hat Herr Oberinspektor Meyer angerufen und mitgeteilt, dass die Aktion von oben angeordnet sei und die Polizei sollte die Leute in Ruhe lassen und sich nicht weiter drum kümmern. Ich habe nun versucht den Gend.Meister Laddach zu erreichen was mir gegen etwa 9,00 Uhr gelang. Laddach befand sich bei den Leuten, die sich im Erholungsheim der Landesversicherungsanstalt in Ruppichteroth aufhielten. Ich habe ihm die Anordnung der vorgesetzten Behörde mitgeteilt. Laddach hat den Leuten diese Anordnung bekannt gegeben. Die Feuerwehr hat zwischenzeitlich den Brand in der Synagoge gelöscht, um die Nachbargebäude nicht zu gefährden. Nunmehr ist die Synagoge von den SS. Männern erneut angezündet worden und habe ich auf Anruf von Hauptbrandmeister Altwicker, diesem den Auftrag gegeben, die Nachbargebäude unter allen Umständen zu schützen, evtl. eine Wasserwand zu ziehen, damit das Feuer nicht überspringen könne.
                                                               

Die Synagoge gehe uns nichts an und es sei gut, dass dieser Schandfleck verschwinde. Da ich keine Beförderungsmöglichkeit zur Hand hatte, habe ich einen Reisenden mit seinem Auto angehalten. Dieser hat mich nach Ruppichteroth gebracht. An Ort und Stelle habe ich mit dem Sturmführer Schlauderer, der sich in Zivil befand, verhandelt, worüber ich am Schluß berichte. Die Synagoge war im Innern am Ausbrennen, ferner hatte sich das Feuer auf den Dachstuhl ausgedehnt und zwar an Front und linker Seite. Die Rabitzdecke der Synagoge habe ich mittels Brandhacken an verschiedenen Stellen durchstossen lassen, um feststellen zu können, welchen Umfang das Feuer im Dachstuhl hatte. Ferner habe ich aus demselben Grunde auf der rechten Dachstuhlseite von der Feuerwehr teilweise die Dachziegeln entfernen lassen. Das der Synagoge gegenüberliegende Haus des Schneidermeisters Otto, welches durch eine enge Strasse von der Synagoge getrennt liegt, habe ich unter Wasser gehalten. Nachdem ich mich überzeugt hatte, dass die Synagoge, die bis zum Dachstuhl ein Bruchsteinmauerwerk besteht, für ihre Zwecke nicht mehr verwandt werden konnte, habe ich im Einvernehmen mit Sturmführer Schlauderer der Feuerwehr den Befehl erteilt, Wasser in die Synagoge zu geben, um den Weiterbrand zu löschen, zumal der Wind in Richtung Haus Otto lag. Dem Hauptbrandmeister Altwicker, sind alsdann von mir bezgl. der Behandlung des Brandobjektes die erforderlichen Anweisungen gegeben worden. Bei meiner Ankunft habe ich die Brandstelle von Neugierigen wie von den anwesenden Juden räumen lassen. Die Synagoge steht auf dem Eigentum des Juden Gustav Gärtner. Ich habe dem Gärtner an der Brandstelle die mündliche Verfügung gegeben, dass die Synagoge polizeilich geschlossen sei, ein Betreten derselben durch ihn oder andere Personen unter schwerer Strafe stehe. Die Juden haben die Kultgeräte auf Anordnung der SS in das Erholungsheim bringen müssen. Ferner haben dieselben die Brandhacken heranholen müssen und ein Jude hat den Stern Sions, der an der Front des Gebäudes in Stein gemeißelt war, durch Meißel und Hammer entfernen müssen. Sturmführer Schlauderer richtete bei meinem Zusammentreffen mit ihm die Frage an mich, ob er verhaftet sei. Ich habe ihm geantwortet, dass er nicht verhaftet sei, er befinde sich ja vollkommen frei. Ich habe nunmehr dem Sturmführer Schlauderer und einigen SS. Männern erklärt, dass die Häuser, in denen die Juden noch wohnten, vor einigen Wochen durchweg an Arier übergangen seien. Beschädigt wurde kein Haus. Nur ein paar Fensterscheiben an dem Hause Nathan sind durch Steinwurf kaput gegangen, von welcher Seite ist unbekannt. Ferner solle ein Radiogerät bei dem Juden Heß entzwei geschlagen worden sein, weil die junge Frau Hess einen SS.-Mann beloben haben soll, da sie auf eine Frage ob der Apparat noch funktioniere wider besseres Wissen gesagt haben soll, der Apparat sei kaput. Sturmführer Schlauderer erklärte mir, sie wollten nun nach Schönenberg

 

um das sogenannte Jüdische Übernachtungsheim „Bröltalhaus” in Flammen aufgehen zu lassen. Ich habe Schlauderer darauf hingewiesen, dass an diesem Hause die Partei wie auch die Gemeine ein Interesse habe, da wir hofften, dass dieses in unseren Besitz übergehe und wir dasselbe für Parteizwecke oder HJ. verwenden wollten, er möge daher nichts beschädigen. Schlauderer sagte mir, es ist gut, dass ich Bescheid weiß, es wird nichts beschädigt. Es ist auch nichts beschädigt worden. Nur die Jüdischen Schriften wurden verbrannt. Die in diesem Hause vorhandenen Lebensmittel wurden durch die SS. dem Bürgermeisteramt zugeführt. Ich habe diese sichergestellt. Ein Betrag von 407,- RM wurde ebenfalls seitens der SS. beschlagnahmt. Dieserhalb habe ich dem Sturmführer Schlauderer den Rat gegeben, das Geld auf der Spar- und Darlehnskasse Ruppichteroth in Schönenberg auf ein Sparbuch einzuzahlen und dieses Sparbuch der Polizeiverwaltung abzuliefern, damit man später der SS. nichts nachsagen könne. Dies ist auch geschehen und ist das Sparbuch sichergestellt.

Schlauderer und seine Leute waren über die Auseinandersetzung mit Gend.Meister Laddach erregt. Ich haben ihnen vor Augen geführt, dass der hiesigen Stelle wie auch dem Gend.Meister Laddach nichts von der Aktion bekannt gewesen sei und Laddach somit als Beamter der Ordnungspolizei seine Pflicht getan habe, die ihm durch seine Dienstvorschriften gewiesen sei, zumal die SS. Männer ihm ja vollkommen unbekannt gewesen seien, da sie aus Gummersbach wären.

Der Befehl zur Festnahme der Juden erfolgte am 10.11.1938, 11,50 Uhr vormittags, fernmündlich durch Herrn Reg.Insp. Esser und zwar:

1.) Beschädigungen der Häuser und Geschäfte sind mit Holz zu verkleiden,
2.) Sämtliche männliche Juden im Alter von 18 bis einschließlich 50. Lebensjahr sind zu verhaften.
3.) Nach Verhaftung Gestapo. anrufen und von Verhaftung in Kenntnis setzen, diese ordnet an,
     wohin die Juden transportiert werden sollen.
   Ausführungsmeldung an Herrn Landrat.

Ich habe sofort den Gend.Meister Laddach beauftragt, die Juden Walter Nathan, Willy Gärtner, Harry Regensburger und Oskar Hess alle in Ruppichteroth zu verhaften und im Polizeigefängnis in Schönenberg einzusperren. Polizeihauptwachtmeister Schmitt erhielt den Auftrag den Juden Georg Simson in Schönenberg zu verhaften. Die Juden waren zum Teil nicht anwesend: Willy Gärtner musste aus einem Steinbruch bei Nümbrecht, wo er in Arbeit stand, durch Laddach geholt werden. Nathan kam von Kassel, traf in Schönenberg ein und wurde von Pol. Hptw. Schmitt verhaftet. Simson wurde von den SS. Männern, die sich im Heim bei ihm befanden, mitgebracht. Nachdem die Juden verhaftet waren, habe ich die Gestapo.

 

Köln angerufen. Hier wurde mir mitgeteilt, die Juden auf schnellstem Wege der Stapo. vorzuführen. Dieselben wurden mittels Kraftwagen gegen 14,00 Uhr nach Köln und von dort nach Brauweiler weitertransportiert.

Sichergestellt wurde:
1 Opelwagen mit Wäsche pp, welcher dem Nathan gehört, 60 Platten Palmin und Oel,
407,15 RM, welcher Betrag dem Simson, resp. dem Heim gehört.

Hierzu möchte ich bemerken, dass das Sparbuch folgenden Vermerk trägt, welcher von dem Otto Loevenich Ruppichteroth bei Einlage des Betrages angeordnet wurde: „Verfügungsberechtigt Herr Otto Loevenich in Ruppichteroth.” Da die Polizeiverwaltung verfügungsberechtigt ist, habe ich angeordnet, dass dieser Sperrvermerk gelöscht wurde, da Loevenich in dem Gedanken lebte, dass das Geld für die SS. verwandt werden sollte. Da die Ehefrau des Georg Simson vollkommen mittellos ist, werde ich derselben heute einen Betrag von 50,- RM aushändigen, damit die öffentliche Wohlfahrtsfürsorge nicht einzugreifen braucht.

Die Meldung über die Verhaftung und dem Abtransport der 5 Juden habe ich am 10. November 1938 etwa 3,55 Uhr nachmittags Herr Reg. Insp. Esser persönlich überreicht. Von einem fernmündlichen Anruf meinerseits an das Landratsamt am 10.11.1938, nach 11,50 Uhr ist mir nichts bekannt.

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