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Chronik und Quellen
1935
August 1935

Richtlinien für Reichskulturbund

Am 13. August 1935 übermittelt Reinhard Heydrich an alle Gestapostellen im Reichsgebiet folgende von ihm erlassene Richtlinien für die Tätigkeit des neu ins Leben gerufenen Reichskulturbundes:

Geheimes Staatspolizeiamt                                       Berlin, den 13. August 1935.

Betrifft: Reichsverband der jüdischen Kulturbünde in Deutschland.

Am 27. und 28.4.1935 wurde auf Veranlassung des Geheimen Staatspolizeiamtes im Einvernehmen mit Staatskommissar Hinkel, M. d. R., als Sonderbeauftragten des Herrn Reichsministers für Volksaufklärung und Propaganda der „Reichsverband der jüdischen Kulturbünde in Deutschland” gegründet. Vorsitzender dieses Verbandes ist der Intendant Dr. Kurt Singer. Die Geschäftsstelle befindet sich Berlin SW. 68, Charlottenstr. 90/92.

Die Gründung des Reichsverbandes jüdischer Kulturbünde erfolgte, um sämtliche kulturellen jüdischen Vereinigungen zur leichteren Erfassung und zentralen Überwachung zusammenzufassen. Da somit für kulturelle jüdische Organisationen, die nicht dem Reichsverband angeschlossen sind, kein Raum mehr besteht, sind diese, sofern sie die Eingliederung in den Reichsverband noch nicht vollzogen haben bezw. ablehnen, aufzulösen. Eine Ausnahme ist lediglich für jüdische Schul- und Kultusgemeinden zu machen, die wegen ihres öffentlich-rechtlichen Charakters dem Reichsverband jüdischer Kulturbünde in Deutschland nicht einzugliedern sind.

Wegen der Behandlung der jüdischen Kulturbünde im einzelnen verweise ich auf die in der Anlage beigefügten Richtlinien. Ich mache es den Staatspolizeistellen zur besonderen Pflicht, darauf zu achten, dass in den örtlichen Kulturbünden assimilatorische Bestrebungen unterdrückt werden. Sofern derartige Bestrebungen in Erscheinung treten, ist mir umgehend zu berichten. Es ist tunlichst darauf zu achten, dass der Vorstand der örtlichen Kulturbünde sich aus zionistischen bezw. staatszionistischen Kreisen zusammensetzt.

gez. Heydrich.

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Geheimes Staatspolizeiamt                                         Berlin, den 13. August 1935.

Richtlinien für die Tätigkeit des Reichsverbandes der jüdischen Kulturbünde in Deutschland.

1.) Der Reichsverband der jüdischen Kulturbünde in Deutschland stellt den organisatorischen Zusammenschluss aller jüdischen Kulturbünde im deutschen Reichsgebiet dar. Sitz der verantwortlichen Reichsleitung des Reichsverbandes ist Berlin SW 68, Charlottenstr. 90/92.

2.) Dem Reichsverband müssen sämtliche jüdischen Kulturbünde mit Ausnahme der Schul- und Kultusgemeinden eingegliedert sein. Mitglieder eines jüdischen Kulturbundes können nur Juden oder Nichtarier im Sinne des Berufsbeamtengesetzes sein. Jedoch können Ehegatten von Mitgliedern eines jüdischen Kulturbundes, auch wenn sie selbst arisch sind, einer solchen Organisation angehören.

3.) Bei Veranstaltungen eines jüdischen Kulturbundes beschäftigt werden oder an einer solchen Veranstaltung teilnehmen dürfen nur die Mitglieder dieser Organisation. Derartige Veranstaltungen haben daher den Charakter von „Geschlossenen Veranstaltungen” und sind Personen ohne Mitgliedsausweis, sofern sie nicht im Besitze einer besonderen Erlaubnis der örtlichen Dienststelle der politischenschen Polizei (in Berlin des Büros des Staatskommissars Hinkel) sind, unzugänglich.

4.) Die jeweilige Genehmigung von Vortragsfolgen jeder Art erfolgt durch das Büro des Staatskommissars Hinkel im Einvernehmen mit dem Geheimen Staatspolizeiamt Berlin. Vortragsfolgen, Theaterstücke, Filme usw., die von diesen Stellen genehmigt sind, bedürfen grundsätzlich einer besonderen Genehmigung durch die zuständige örtliche Dienststelle nicht, sofern nicht besondere örtliche Verhältnisse eine abweichende Entscheidung erfordern. Vor Erlaß einer derartigen Entscheidung ist jedoch zuvor die Stellungnahme des Geheimen Staatspolizeiamtes Berlin einzuholen.

5.) Die Veranstaltungen des jüdischen Kulturbundes sind tunlichst in Räumen abzuhalten, deren Eigentümer, Mieter oder Pächter Nichtarier ist. Nur sofern derartige Räume nicht vorhanden sind, können auch arische Personen einen solchen Raum zur Verfügung stellen.
In diesem Falle darf dem arischen Vermieter aus der Tatsache der Vermietung Schaden nicht erwachsen.

6.) Alle Veranstaltungen eines jüdischen Kulturbundes sind spätestens 10 Tage vorher der örtlichen Staatspolizeistelle anzumelden.

7.) Jeder Lokalverband und jede sonstige Organisationsstelle des jüdischen Kulturbundes ist verpflichtet, personelle und organisatorische Veränderungen vorher dem Geheimen Staatspolizeiamt und dem Büro des Staatskommissars zur Genehmigung vorzulegen.

8.) Ein öffentlicher Verkauf von Theater-, Konzert- und Vortragskarten sowie eine Werbung oder Propaganda durch die Presse mit Ausnahme ausgesprochen jüdischer Zeitschriften ist untersagt.

9.) Organ des Reichsverbandes sind die „Mitteilungen des Reichsverbandes jüdischer Kulturbünde”, deren redaktioneller Inhalt jeweils vor der Drucklegung dem Büro des Staatskommissars Hinkel, Berlin, Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda, zur Genehmigung vorzulegen ist.

10.) Die Leitung des Reichsverbandes jüdischer Kulturbünde und die jeweilige örtliche Leitung des Kulturbundes sind mit ihren sämtlichen Personen dafür verantwortlich, dass die Veranstaltungen sich in keiner Form und keiner Richtung gegen den nationalsozialistischen Staat und seine Gesetze und Grundforderungen richten.

11.) Ein Verstoss gegen diese Anordnung hat die Auflösung des jüdischen Kulturbundes zur Folge.

gez. Heydrich.”

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