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Chronik und Quellen
1941
August 1941

Ankündigung der "Umsiedlung"

Am 28. August 1941 gibt die Synagogengemeinde Köln folgende Information an die Reichsvereinigung in Berlin weiter:

Eilt sehr!                 Köln, den 28. August 1941

Betr. Umsiedlungsaktion.

Wie uns die Staatspolizeistelle Köln eröffnet hat, ist vorgesehen, die Juden Kölns (ohne Mischehen, - es dürfe sich um rund 5 500 Personen handeln) aus ihren bisherigen Wohnungen auszusiedeln. Die Unterbringung soll wie folgt geschehen:

a) ca 400 Personen in Fort V bei Köln-Müngersdorf,
b) die übrigen in zu errichtende Baracken in der Nähe des Forts V.

Zu a) Fort V:

Das Fort V hat zwei Flügel. Der linke seit langen Jahren für die Unterbringung von Menschen nicht mehr benutzte Flügel hat etwa 15 Räume von je 35 qm, die mit je 15 Menschen belegt werden sollen, also etwa 225.

Der rechte Flügel, den wir bisher nicht einsehen konnten, da sich dort u. a. ein kleines Kriegsgefangenenlager befindet, soll 12 Räume, wie wir annehmen ähnlicher Grösse, enthalten, sodass also dort 180 Menschen untergebracht werden müssten. Z. Zt. sind dort drei arische Familien und 25 Kriegsgefangene untergebracht.

Die Grössenverhältnisse der überwiegenden Mehrzahl der Räume, die sich gleichen, ergeben sich aus der beigefügten Skizze.

Baulicher Zustand des von uns eingesehenen linken Flügels.

Die Wände der Räume sind überwiegend feucht; der Putz ist weitgehend abgefallen; soweit die Räume früher Holzfussboden hatten, ist er entfernt worden; die noch vorhandenen Steinfussböden sind zum grossen Teil zerstört. Fussböden und Wände weisen Schwamm auf.

Sämtliche Räume öffnen sich in einem ca 120 mtr. langen Gang, der nur einen Ausgang hat. Die Räume haben zur Zeit keine Türen, die aber nach Angabe der Behörde eingesetzt werden sollen. Untereinander sind die Räume durch 1,40 mtr. breite Maueröffnungen ohne Türen verbunden.

Jeder Raum hat zwei vergitterte Fenster.

 

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Sanitäre Einrichtungen.

Von den 15 Räumen sollen zwei in der Nähe des Eingangs liegende Räume zur Küche und zum gemeinsamen Waschraum hergerichtet werden.

Vom Ende des ca 120 mtr. langen Ganges führt eine Treppe in ein Zwischengeschoss. Hier befindet sich einen Latrine mit 6 Sitzen. Einige Wasserzapfstellen sind auf dem Flur vorhanden.

Verwendungsmöglichkeit der Räume.

Die Räume sind in ihrem jetzigen Zustande für Wohnzwecke u. E. unverwendbar und nur mit grossem Kostenaufwand, der sich aus der obigen Beschreibung der Mängel ergibt, in einen bewohnbaren Zustand zu versetzen.

Zu b) Barackensiedlung.

Nach den uns gemachten Eröffnungen ist beabsichtigt, 36 Baracken zu errichten und zwar:

       12 Baracken in der Grösse von 30.00 x 8.00 mtr.
und 24 Baracken in der Grösse von 26,55 x 8,14 mtr.

In der Mitte dieses Komplexes ist eine Baracke vorgesehen, die als Waschraum für die Insassen eingerichtet werden soll; in der Mitte der beiden Längsreihen sollen Aborte gebaut werden. Die Anordnung ergibt sich aus der beiliegenden Zeichnung.

Das Gelände ist Wiesengrund, Kalanisation ist nicht vorhanden.

Es ist beabsichtigt, zunächst die Zwölfergruppe der grösseren Baracken (auf der Zeichnung grün angelegt) zu errichten und zu belegen. Jede dieser Baracken soll 100 Personen aufnehmen.

Die Nutzfläche jeder Baracke ist uns mit 224 qm angegeben worden.

Zu diesem Projekt gestatten wir uns, auf folgendes hinzuweisen:

1.) Unterbringung.

Eine einfache Berechnung ergibt, dass eine Baracke dieser Grösse nicht einmal die Betten für 100 Personen fassen könnte, wenn diese ohne Abstand und Zwischenraum in der Baracke aufgestellt werden. Wir haben auf der beiliegenden Zeichnung in die oben gezeichneten Baracken Betten normaler Grösse, wie sie die umsiedelnden Menschen mitbringen werden (etwa 2 x 1,10 m) und in die untere Zeichnung Feldbetten eingezeichnet (1,90 x 0,85 mtr.) Es ergibt sich, dass die Baracken durch Aufstellung von 76 normalen Betten ganz ausgefüllt wären.

Würde man die Baracken mit Feldbetten ausfüllen, so liessen sich bei abstandloser Aneinanderdrängung der Betten in einer

 

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Baracke, wie die untere Zeichnung ergibt, 108 Betten unterbringen, in welchem Falle nirgends ein Gang zwischen den Betten offen bleibt. Dabei würden die Fenster verstellt werden; und es ist auch nicht einmal ein Platz für den Ofen ausgespart.

Soweit wir unterrichtet sind, sind Feldbetten nicht zu beschaffen.

Da aber bei Belegung der Baracken Gänge zwischen den Betten bestehen bleiben müssen, da ferner Raum für die Unterbringung von Schränken vorhanden sein muss, da schliesslich auch ein Platz für den Aufenthalt am Tage vorgesehen werden muss, kann nur mit der Unterbringung einer wesentlich geringeren Zahl von Menschen in jeder der Baracken gerechnet werden.

Grundsätzlich das Gleiche gilt übrigens für den Plan, in den je 35 qm umfassenden Räumen des Forts V je 15 Menschen unterzubringen. Auch hier würden 15 Betten von je 2,20 qm den Raum bereits völlig ohne Abstand und Zwischenraum ausfüllen.

2.) Waschgelegenheit.

Die eine in der Mitte der Barackensiedlung vorgesehene Waschbaracke kann unmöglich für die notwendige Reinigung von über 5000 Menschen ausreichen.

3.) Aborte.

Das Gleiche gilt für die vorgesehenen Abortanlagen. Hinzu kommt, dass es für die zahlreichen alten und kranken Menschen, die diese Siedlung aufnehmen soll, gesundheitlich überaus gefährlich wäre, wenn sie gezwungen würden, die weiten Wege zu den Abortanlagen, besonders in der Nacht, zurückzulegen.

4.) In dem Projekt fehlen bisher folgende Einrichtungen.

a) Räume für die zugelassenen 12 Krankenbehandler und 5 Zahnbehandler,

b) eine Revierbaracke für Leichtkranke,

c) Räume für Badeeinrichtung,

d) Waschküche und Räume zum Trocknen und Bügeln der Wäsche,

e) Räume für Küchen- und Wirtschaftseinrichtungen.
Hierbei sei darauf hingewiesen, dass die Versorgung von 5500 Menschen ausserordentlich umfangreiche Wirtschaftseinrichtungen erfordert. (Raum zum Lagern der Lebensmittel, - täglicher Verbrauch an beispielsweise Brot ca 2750 Pfd., an Kartoffeln etwa 5500 Pfd. - zum Herrichten der Lebensmittel, Kochküchen, Abwascheinrichtungen etc.).

f) Räume für die Verwaltung der Siedlung: (Buchhaltung, Kasse, Lebensmitteleinkauf und Lebensmittelverteilung, Lebensmittelmarkenkontrolle, Postverteilung, Ordnungsdienst, Luftschutzdienst etc.).

 

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g) Arbeitsraum für Flickschneider, Flickschuster, Friseure und für die zahlreichen Heimarbeiter, die teilweise für wehrwirtschaftliche Betriebe arbeiten,

h) Räume für Kinderhort und Kindergarten.

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Wir haben oben darauf hingewiesen, welche Bedenken der Verwendung des Forts V zu Wohnzwecken entgegenstehen.

Es liessen sich hingegen eine Anzahl der vorstehend erwähnten, bisher nicht vorgesehenen Einrichtungen in den Räumen des Forts unterbringen. Dies dürfte sich erheblich billiger stellen, als wenn hierfür besondere Gebäude errichtet würden, und das Fort würde auf diese Weise für die Gesamtzwecke der Siedlung nutzbar gemacht werden.

Jüdische Kultusvereinigung
„Synagogengemeinde Köln e. V.

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