Reichszentrale für jüdische Auswanderung
Der Sicherheitsdienst der SS schlägt Ende 1938 die Errichtung einer Reichszentrale für jüdische Auswanderung vor:
Betr.: Zentralstelle für jüdische Auswanderung in Wien.
Vorg.: ohne.
Mit Wirkung vom 20.8.38 wurde auf Grund der Vorschläge des SD-Oberabschnittes Donau II112 vom Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich, Gauleiter Bürckel, in einem abschriftlich beigefügten Rundschreiben an alle Partei- und Staatsdienststellen die Errichtung der Zentralstelle für jüdische Auswanderung verfügt. Mit der Leitung wurde der SD-Führer des SS-Oberabschnittes Donau und Inspekteur der Sicherheitspolizei SS-Standartenführer Regierungsdirektor Dr. Stahlecker beauftragt, der seinerseits den Leiter des Referates II112 beim OA-Donau mit der Führung der Geschäfte beauftragt hat.
In einem gleichfalls beigelegten Erlaß vom 27.8.1938 hat der Inspekteur der Sicherheitspolizei darauf hingewiesen, daß die Zentralstelle zunächst für die Gaue Wien und Niederdonau zuständig sei. Eine weitere Zuständigkeitsregelung erübrigt sich, nachdem der geschäftsführende Leiter der Zentralstelle, SS-Obersturmführer Eichmann, mit Gauleiter Bürckel in Durchführung eines Befehls des Reichsführers SS die endgültige Reinigung der Provinzen der Ostmark von Juden bis zum 31.12.38 durchführen wird.
Die Zentralstelle hat ihren Sitz im ehemaligen Palais des Inhabers der Rothschild-Bank in der Prinz-Eugen-Straße 22.
Durch die Gründung der Zentralstelle ist die Gewähr für eine beschleunigte Erteilung der Auswanderungsdokumente an Juden gegeben, die im allgemeinen innerhalb von 8 Tagen erfolgt. Die Zentralstelle hat weiterhin genaueste Übersicht über die Zahl der Auswanderungswilligen, deren Berufe, Vermögen usw., so daß sie imstande ist, bei der Bereitstellung ausreichender Einwanderungsbewilligungen, die durch die Israelitische Kultusgemeinde Wien beschafft werden, die notwendigen Auswanderungstransporte zusammenzustellen. Für die finanzielle Durchführung der Auswanderung stehen einmal regelmäßige Beiträge der jüdischen Hilfsorganisationen des Auslandes, zweitens kaufbare Devisen, die durch einen Erlaß des Reichs- und Preußischen Wirtschaftsministeriums auf Veranlassung des SD-Hauptamtes II112 bereitgestellt wurden, zur Verfügung. Durch diesen Erlaß wurde verfügt, daß die von den jüdischen Hilfsorganisationen einkommenden Devisenbeträge ohne Abzüge durch die Deutsche Gold- und Diskont-Bank an die Israelitische Kultusgemeinde gelangen; weiterhin ist verfügt, daß monatlich RM 50 000 Devisen für die Auswanderung bereitgestellt werden. Schließlich ist jeder Auswanderer berechtigt, auf Grund dieses Erlasses ohne besondere Ermächtigung für RM 30.- Devisen als Zehrgeld aufzukaufen. In neuerlichen, Anfang dieser Woche mit dem Reichswirtschaftsministerium, der Devisenstelle Wien und der Zentralstelle für jüdische Auswanderung geführten Verhandlungen wurde die Bereitstellung zusätzlicher Devisenbeträge auf dem Wege des Altreu-transfer-Verfahrens in Aussicht gestellt. Zur Verhinderung der Mißstände, die bei der Durchführung durch die Altreu-Gesellschaft in den früheren Jahren aufgetreten waren, wurde vereinbart, daß die Zentralstelle für jüdische Auswanderung die Kontrolle über die zur Verteilung gelangenden Devisen aus dem Altreu-Fonds im engsten Einvernehmen mit der Devisenstelle Wien führt.
Nach den bisherigen Feststellungen wurden durch die Zentralstelle etwa 25 000 Juden zur Abwanderung gebracht, so daß sich die Gesamtzahl der ausgewanderten Juden aus Österreich auf etwa 50 000 beläuft.
Finanzielle Belastungen entstehen dem SD-Oberabschnitt Donau durch die Errichtung der Zentralstelle nicht, da sie sich und ihre Mitarbeiter durch einen von jedem auswandernden Juden zu bezahlenden Beitrag selbst finanziert.
Im Hinblick auf die guten Erfolge der Zentralstelle bei der Auswanderung von Juden wird vorgeschlagen, unter Bezugnahme auf die hiesige Vorlage vom 13.1.38, in der die Errichtung einer Auswanderungsstelle vorgeschlagen wurde, die Durchführungsmöglichkeit einer derartigen Maßnahme im alten Reichsgebiet zu erwägen.
Es darf dabei bemerkt werden, daß das Reichswirtschaftsministerium zur Entlastung seiner eigenen Dienststellen eine derartige Gründung begrüßen würde.
II
Vfg
Vorschlag: Vorlage C