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Chronik und Quellen
1938
November 1938

Diskriminierende Gesetzgebung

Die „Schlesische Zeitung“ druckt am 27. November 1938 folgenden Artikel über die diskriminierende Gesetzgebung für „Mischlinge“:

Das Recht der jüdischen Mischlinge - Eine Zusammenfassung der geltenden gesetzlichen Bestimmungen

In Zusammenhang mit der neuen Judengesetzgebung des Reiches ist von Bedeutung auch das geltende Recht der jüdischen Mischlinge, die von diesen neuen Maßnahmen nicht betroffen werden. Im Rassenpolitischen Amt der NSDAP ist dieses Recht zusammengefaßt worden, woraus sich im einzelnen folgendes ergibt:

Als jüdische Mischlinge ersten Grades werden Mischlinge mit zwei volljüdischen Großelternteilen bezeichnet, während jüdische Mischlinge zweiten Grades einen volljüdischen Großelternteil haben. Jüdische Mischlinge ersten und zweiten Grades besitzen das vorläufige Reichsbürgerrecht. Sie können die Reichs- und Nationalflagge zeigen und auch den deutschen Gruß anwenden. Für die Eheschließung der jüdischen Mischlinge sind besondere Bestimmungen ergangen. Während Staatsangehörige jüdische Mischlinge ersten Grades zur Eheschließung mit Deutschblütigen oder mit jüdischen Mischlingen zweiten Grades der Genehmigung des Reichsinnenministers und des Stellvertreters des Führers bedürfen, können jüdische Mischlinge zweiten Grades ohne weiteres Deutschblütige heiraten. Zwischen jüdischen Mischlingen zweiten Grades soll eine Ehe nicht geschlossen werden, wohl aber ist eine Ehe zwischen einem ausländischen jüdischen Mischling zweiten Grades mit einem Staatsangehörigen jüdischen Mischling zweiten Grades zulässig. Jüdische Mischlinge ersten Grades können ohne jede Genehmigung einander heiraten, sie können auch ohne jede Genehmigung einen Juden heiraten. In letzterem Falle gelten dann aber die Mischlinge als Juden, wie auch ein Mischling ersten Grades, der sich durch seine Religion zum Judentum bekennt, Jude ist.

Jüdische Mischlinge können nicht Mitglieder der Partei oder ihrer Gliederungen sein. Sie können weiterhin nicht angehören dem NS.-Rechtswahrerbund, dem NS.-Ärztebund, dem NS.-Lehrerbund, dem Reichsbund der deutschen Beamten, der NS.-Kriegsopferversorgung und dem NS.-Bund deutscher Techniker. Wohl aber können sie Mitglieder der Deutschen Arbeitsfront und der NSV werden, jedoch dürfen sie in diesen beiden Verbänden Amtswalterstellungen nicht bekleiden. In der DAF können jüdische Mischlinge auch nicht Mitglieder der Werkscharen sein. Dagegen können sie an den KdF-Veranstaltungen teilnehmen. Jüdische Mischlinge können nicht Mitglieder des Reichskriegerbundes sein. Für den Reichsluftschutzbund ist die Mitgliedschaft nur für Mischlinge ersten Grades ausgeschlossen, Amtsträger können aber auch Mischlinge zweiten Grades nur mit besonderer Genehmigung werden. Die Technische Nothilfe, der Reichskolonialbund und die dem Reichsbund für Leibesübungen angeschlossenen Vereine und Verbände nehmen keine jüdischen Mischlinge auf. In sonstigen Vereinen und Verbänden, insbesondere auch Genossenschaften, können jüdische Mischlinge an sich grundsätzlich die Mitgliedschaft erwerben. Wenn jedoch entsprechende Satzungsbestimmungen nach Erlaß der Nürnberger Gesetze ausdrücklich von den zuständigen Stellen zugelassen worden sind, können jüdische Mischlinge nicht Mitglieder sein.

Jüdische Mischlinge können nicht Beamte werden, auch nicht Ehegatten von Beamten. Ist der Ehegatte Mischling zweiten Grades, so kann eine Ausnahme zugelassen werden. Jüdische Mischlinge können weiterhin nicht Bauer sein. Für die Zulassung zum Arztberuf hat der Reichsärzteführer besonders bestimmt, daß in nächster Zeit kein jüdischer Mischling als Arzt bestellt werden darf, ebensowenig ein Deutscher, der mit einer Jüdin oder einem Mischling verheiratet ist. Als Apotheker sind jüdische Mischlinge ersten und zweiten Grades zugelassen. Dagegen können sie in Zukunft auch nicht Rechtsanwälte werden. Die Zulassung als Anwalt setzt das Bestehen der großen Staatsprüfung voraus, der eine dreijährige Beschäftigung in der Justizverwaltung und damit als Beamter vorangeht, so daß jüdische Mischlinge schon infolge der Beamtengesetzgebung vom Anwaltsberuf ausgeschlossen sind. Jüdische Mischlinge können ferner nicht Schriftleiter und auch nicht Zeitungsverleger werden. In der Reichskulturkammer können jüdische Mischlinge ausnahmsweise unter Umständen Mitglieder sein.

Jüdische Mischlinge ersten und zweiten Grades haben ihre Arbeitsdienstpflicht zu erfüllen. Sie können jedoch nicht Vorgesetzte im Reichsarbeitsdienst werden. Die gleiche Regelung gilt für die Erfüllung der Dienstpflicht in der Wehrmacht und der Luftschutzdienstpflicht. Bei der Luftschutzdienstpflicht können jüdische Mischlinge jedoch ausnahmsweise auch zu Arbeiten mit Anordnungsbefugnissen herangezogen werden, wenn dies zum Schutz der eigenen Person oder ihres Eigentums notwendig ist. Jüdische Mischlinge können ohne weiteres ein Handwerk erlernen, ohne irgendwelchen Beschränkungen zu unterliegen. Sie sind verpflichtet, der zuständigen Innung anzughören. Auch deutsche Hochschulen können jüdische Mischlinge ersten und zweiten Grades besuchen. Ebenso sind sie beim Besuch aller anderen Schulen keinen Beschränkungen unterworfen.

Keine Kinderermäßigung für Juden auch bei der Bürgersteuer. Die Reichsregierung hat ein Gesetz zur Änderung des Bürgersteuergesetzes beschlossen, das neben formalen Änderungen vor allem auch für die Bürgersteuer den Grundsatz festlegt, daß für Kinder, die Juden sind, Kinderermäßigung nicht gewährt wird.3 Eine entsprechende Regelung ist für die steuerliche Behandlung verwitweter oder geschiedener Personen getroffen, zu deren Haushalt ein minderjähriges Kind gehört. Wenn dieses Kind jüdisch ist, gelten diese Personen künftig steuerlich als ledig. Das Gesetz, das für Österreich und das Sudetenland noch nicht gilt, wird erstmals auf die Bürgersteuer für das Kalenderjahr 1939 angewendet.

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