Stimmungsbericht aus Kitzingen
Die NSDAP-Kreisleitung Kitzingen-Gerolzhofen berichtet am 11. September 1939 über Angriffe auf Juden und fordert, alle Juden in einem Konzentrationslager zu inhaftieren:
In der heutigen Nacht wurde in Kitzingen Fliegeralarm durchgegeben. Irgendwelche feindlichen Flugzeuge wurden nicht gesichtet. Der Alarm hat sich reibungslos abgespielt. Es konnte festgestellt werden, daß die Anzahl der Luftschutzräume, insbesondere der öffentlichen, viel zu gering sind. Insbesondere fehlt ein Luftschutzraum in der Nähe des Bahnhofes. Vielfach wird darüber geklagt, daß in Kitzingen noch keinerlei Gasmasken ausgegeben wurden und auch käuflich nicht zu erwerben sind.
In Kitzingen und Marktbreit kam es am Wochenende zu Tätlichkeiten gegen die Juden. In Kitzingen wurde der berüchtigte Jude Moses Meier verprügelt. Der Täter wurde in Schutzhaft genommen, jedoch sofort auf Betreiben der Partei wieder auf freien Fuß gesetzt. Eine Anzeige wurde nicht erstattet.
In Marktbreit hat sich vor dem Hause eines Juden eine über 100 Mann zählende empörte Volksmenge versammelt, die des Juden Haushälterin, eine Deutsche aus Veitshöchheim, herausholte.
Es gingen ein paar Fensterscheiben und sonstige kleine Bauteile in Trümmer. Der Jude selbst nahm keinen Schaden. Die pflichtvergessene Haushälterin wurde innerhalb 1 Stunde von ihrem Sohn per Kraftwagen abgeholt.
Nichtsdestoweniger muß nach wie vor eine starke Spionagetätigkeit der Juden festgestellt werden. Die Juden treiben sich nach wie vor sehr viel am Bahnhof herum, ebenso an den Hauptverkehrsstraßen, die von durchziehenden Truppen befahren werden. Auch wandern die Juden viel von Dorf zu Dorf und besuchen zum Teil draußen auf dem Land schon wieder die Gastwirtschaften.
So wurde mir aus Großlangheim gemeldet, daß dort der Jude Ackermann in der Wirtschaft „Zum Adler“ getroffen wurde. Diese Wirtschaft wird sehr viel von den in der Nähe liegenden Fliegern aufgesucht. Ich bin überzeugt, daß Ackermann nur um zu spionieren nach Großlangheim kommt. Ackermann selbst stammt aus Kleinlangheim. Wie vor einiger Zeit bereits berichtet, wurde dieser Jude vom Ortsgruppenleiter Fröhlich-Wiesen-bronn aus seinem Dorfe gejagt, als er sich gerade auf den Weg nach Rödelsee machte. Es ist auffallend, daß dieser Jude immer die um den Flugplatz in Kitzingen gelegenen Orte aufsucht.
Es ist nach meinem Dafürhalten an der Zeit, endlich sämtliche Juden in einem Konzentrationslager zusammenzufassen, um aber auch wirklich nicht mehr mit deutschen Volksgenossen in Berührung treten zu können. Weiter wurde gemeldet, daß die Juden starke Einkäufe in Lebensmittelgeschäften, besonders bei Kupsch, Backdie usw., tätigen und besonders Waren, die bezugscheinfrei sind, hamstern.
Die Stimmung unter den Rückwanderern ist nach wie vor gedrückt, insbesondere deshalb, da der größte Teil von ihnen ohne jegliches Bargeld ist. Auch fehlt es, wie wir bereits berichteten, an den notwendigsten Kleidungsstücken. Der Mangel an Arbeitskleidung ist äußerst fühlbar. Da die Absicht der Rückwanderung am Westwall doch schon seit vielen Monaten bekannt ist und auch organisiert war, hätte doch unter allen Umständen dafür gesorgt werden müssen, genügend Textil- und Schuhwaren zur Bekleidung für die Rückwanderer bereitzustellen.
Den meisten Rückwanderern fehlt die Winterkleidung vollkommen, und ist es dringend notwendig, daß jetzt schon Vorsorge getroffen wird, daß die armen Teufel im Winter nicht auch noch frieren müssen. Ich meine, wenn für Rüstungszwecke bis zu 90 Milliarden ausgegeben und infolge des Krieges noch viele, viele Milliarden ausgegeben werden müssen, es doch auf eine oder zwei Milliarden für Bekleidung und Ernährung der Rückwanderer auch nicht mehr ankommen darf.
Die Rückwanderer wollen, wie ihnen versprochen, durch die Bank wieder Arbeit nachgewiesen bekommen, und ist es sehr bedauerlich, daß die Arbeitsämter heute noch ohne entsprechende Anweisung sind. Auf dem Gebiet der Betreuung der Rückwanderer war die Zusammenarbeit zwischen Partei, Staat und Wehrmacht nur sehr mangelhaft. Gerade auf diesem Gebiet hätten wir doch am besten Gelegenheit, unserem Hauptfeinde, der politisierenden Kirche, die größten Wunden zu schlagen.
Da und dort treten bis heute noch vereinzelt Leute auf, die da behaupten, es würde der nämliche Zustand einreißen, wie er während des Krieges 1914/18 herrschte, wo es denjenigen, die Geld und ein weites Gewissen hatten, gelang, sich auf Kosten der Allgemeinheit zu bereichern und sich vorm Kriegsdienst zu drücken. Ich verweise diesbezüglich auf den heute an das Reichspropagandaamt Mainfranken abgegangenen Bericht über das Verhalten der Söhne des Ökonomierates Lang, Etwashausen, Untere Neue Gasse. Es ist schrecklich, wenn Zweifel laut werden, es können Militär-, Partei- oder Wirtschaftsstellen auch in diesem Kriege wieder bestochen werden.