Rundschreiben des Hilfsvereins der Juden in Deutschland
Der Hilfsverein informiert am 16. September 1938 über die Bedingungen der Einwanderung nach Bolivien:
Betr.: Einwanderung nach Bolivien.
1. Die Hicem hat auf unsere Anregung ein Comité in Bolivien konstituiert, dessen Anschrift wir den Sachbearbeitern der Berliner Zentrale in einem besonderen Rundschreiben mitteilen. Durch die Errichtung des Comités ist einem Mangel abgeholfen, der bisher unsere Arbeit, soweit sie sich auf Bolivien bezieht, wesentlich erschwert hat.
2. Das Comité hat bereits seine Tätigkeit aufgenommen und eine Unterredung mit dem Minister für Einwanderung und Kolonisation gehabt, der folgendes erklärte:
„Mehrere jüdische Einwanderer aus verschiedenen Ländern haben die Einreiseerlaubnis für Bolivien bekommen, weil sie erklärten, dass sie ein bestimmtes Kapital besitzen oder einen bestimmten Beruf in ihrem Herkunftsland ausüben, den sie auch in Bolivien auszuüben gedenken. Auf Grund dieser Erklärungen wurde ihnen die Einreiseerlaubnis gewährt. Als sie jedoch im Lande ankamen, hat sich eine Anzahl von ihnen dem Hausierhandel gewidmet, was die Unzufriedenheit der Regierung erregt hat. Infolgedessen und um die jüdische Einwanderung nicht einzuschränken, sind die gesetzlichen Bestimmungenfolgendermassen geändert worden: eine Person, die nach Bolivien einzureisen wünscht und erklärt, dass sie ein bestimmtes Kapital besitze und einen bestimmten Beruf ausübe, kann die Einreiseerlaubnis in das Land für zwei Jahre erhalten, während welcher sie die Wahrheit ihrer sich auf den Beruf beziehenden Erklärungen beweisen muss; nach Ablauf dieser Frist erhält sie das endgültige Aufenthaltsrecht, sofern ihre Erklärungen sich als zutreffend erwiesen haben. Im umgekehrten Fall behält sich die Regierung das Recht vor, sie auszuweisen.
Der Minister gab ausserdem von den Instruktionen Kenntnis, die er an die Konsuln im Ausland gegeben hat und gemäss denen Touristenvisa nur wirklichen Touristen erteilt werden dürfen.“
Das Comité betont mit Nachdruck, dass es unter keinen Umstanden angängig ist und den Einzelnen sowie die gesamte jüdische Bolivieneinwanderung aufs schwerste gefährdet, wenn Einwanderungswillige bei den Erklärungen über ihre Berufe falsche Angaben machen.
3. Das hiesige Konsulat hat uns streng vertraulich darauf aufmerksam gemacht, dass das bolivianische Generalkonsulat in Hamburg Juden keine Visa erteilt. Es empfiehlt sich, in den für Hamburg zuständigen Fällen den Antrag in Berlin zu stellen. Den Petenten gegenüber darf unter keinen Umständen auf die vertrauliche Mitteilung des hiesigen Konsulats Bezug genommen werden.