Artikel über Einführung der Kennkarte
Am 28. Juli 1938 berichtet der Hamburger Anzeiger über die Einführung der Kennkarte:
Kennkarte - Der neue Personalausweis.
Für alle Wehrpflichtigen, im kleinen Grenzverkehr und beim Ausflugsverkehr über die Grenze
Berlin, 28. Juli
Im Reichsgesetzblatt, Teil 1, ist in diesen Tagen eine Verordnung über Kennkarten erschienen. Nach dieser Verordnung wird mit Wirkung vom 1. Oktober 1938 als allgemeiner polizeilicher Inlandsausweis die sogenannte Kennkarte eingeführt.
Eine Kennkarte können alle deutschen Staatsangehörigen mit Wohnsitz oder dauerndem Aufenthalt im Reichsgebiet vom vollendeten 15. Lebensjahre ab erhalten. Damit wird der reichsdeutschen Bevölkerung die Möglichkeit gegeben, sich einen vollgültigen polizeilichen Personalausweis zu beschaffen. Ein Zwang zur Beschaffung der Kennkarte besteht grundsätzlich nicht.
Ergänzend berichtet unser Berliner Büro dazu:
Zuständig für die Entgegennahme der Anträge auf Ausstellung der Kennkarte sind die Ortspolizeibehörden oder die von der Ortspolizeibehörde beauftragten polizeilichen Meldebehörden. Für die Ausstellung selbst sind die Paßbehörden zuständig. Der Antrag auf Ausstellung der Kennkarte ist persönlich zu stellen. Für eine beschränkt geschäftsfähige oder eine geschäftsunfähige Person stellt der gesetzliche Vertreter den Antrag.
Auf amtliches Verlangen hat der Kennkartenbewerber alle Angaben zu machen und Nachweise zu liefern, die notwendig sind, um seine Person und seine deutsche Staatsangehörigkeit festzustellen. Der Kennkartenbewerber hat dabei insbesondere die erforderliche Anzahl von Lichtbildern in der vorgeschriebenen Größe und Ausstattung einzureichen, die erforderlichen Fingerabdrücke nehmen zu lassen, die erforderlichen Unterschriften zu leisten, sich, falls an seiner Person Zweifel bestehen, einem Personen-Feststellungsverfahren zu unterziehen, zur Empfangnahme der Kennkarte und auch sonst auf amtliches Verlangen an Amtsstelle zu erscheinen. Nur wenn die Person und die deutsche Staatsangehörigkeit des Bewerbers einwandfrei festgestellt sind, darf die Kennkarte ausgestellt werden. Im übrigen darf sie nur versagt werden, wenn der Kennkartenbewerber die ihm nach dem vorigen Absatz obliegenden Verpflichtungen nicht erfüllt.
Die Ausstellungsgebühr beträgt drei Mark. Sie ermäßigt sich auf eine Mark, wenn eine vorhandene Kennkarte, die noch eine Geltungsdauer von mehr als zwei Jahren hat, durch eine neue Karte ersetzt wird, weil sich der Name oder der Beruf des Karteninhabers geändert hat. Für Wehrpflichtige und zur Benutzung für den kleinen Grenzverkehr ist die Gebühr gleichfalls auf eine Mark ermäßigt. Weiter kann bei Bedürftigkeit die Gebühr auf die Hälfte ermäßigt oder ganz erlassen werden. Schließlich wird die Gebühr nicht erhoben, wenn eine vorhandene Kennkarte, die noch eine Geltungsdauer von mehr als zwei Jahren hat, durch eine neue ersetzt werden muß, weil sie infolge eines Umstandes ungültig ist, den die Paßbehörde zu vertreten hat.
Der Kennkarten-Inhaber ist verpflichtet, der Paßbehörde die Kennkarte unverzüglich zurückzugeben1, wenn sich sein Name oder seine Berufsart ändert, wenn er seine deutsche Staatsangehörigkeit verliert oder wenn sich herausstellt, daß er die deutsche Staatsangehörigkeit nicht besitzt. Die Verfügung, durch die eine Kennkarte versagt oder entzogen wird, ist dem Kennkarten-Bewerber unter Mitteilung der Gründe schriftlich oder mündlich bekanntzugeben. Gegen die Versagung und die Entziehung der Kennkarte ist ausschließlich die Beschwerde zulässig. Sie ist innerhalb von zwei Wochen schriftlich bei der Paßbehörde einzulegen. Mit Haft und Geldstrafe bis zu 150 Mark wird bestraft, wer bei Stellung des Antrags unwahre Angaben macht oder wer seine Kennkarte einem anderen zum Gebrauch überläßt.
In einer ersten Bekanntmachung über den Kennkartenzwang wird bestimmt, daß männliche deutsche Staatsangehörige innerhalb der letzten drei Monate vor Vollendung ihres 18. Lebensjahres (Eintritt in das Wehrpflichtverhältnis) bei der zuständigen Polizeibehörde die Ausstellung einer Kennkarte zu beantragen haben. Für männliche deutsche Staatsangehörige, die beim Inkrafttreten dieser Bekanntmachung ihr 17., aber noch nicht ihr 18. Lebensjahr vollendet haben, beginnt die Frist von drei Monaten mit dem Inkrafttreten dieser Bekanntmachung. Dienstpflichtige haben sich bei jedem dienstlichen, das Wehrpflichtverhältnis betreffenden Verkehr mit den Behörden der allgemeinen und inneren Verwaltung sowie mit den Wehrersatzdienststellen auf Verlangen über ihre Person durch ihre Kennkarte auszuweisen.
Weiter wird in einer zweiten Bekanntmachung bestimmt, daß deutsche Staatsangehörige über 15 Jahre im kleinen Grenzverkehr und im Ausflugsverkehr die eingeführten Ausweise vom 1. Januar 1939 ab nur ausgestellt erhalten, wenn sie eine gültige Kennkarte vorlegen. Schließlich hat der Reichsminister des Innern im Einvernehmen mit dem Reichsjustizminister in einer dritten Bekanntmachung bestimmt, daß Juden, die deutsche Staatsangehörige sind, unter Hinweis auf ihre Eigenschaft als Jude bis zum 31. Dezember 1938 bei der zuständigen Polizeibehörde die Ausstellung einer Kennkarte zu beantragen haben. Für Juden, die nach dem Inkrafttreten dieser Bekanntmachung geboren werden, ist der Antrag innerhalb von drei Monaten nach der Geburt zu stellen. Juden über 15 Jahre haben sich, sobald sie eine Kennkarte erhalten haben, auf amtliches Erfordern jederzeit über ihre Person durch ihre Kennkarte auszuweisen. Sie haben, sobald sie eine Kennkarte erhalten haben, bei Anträgen, die sie an amtliche oder parteiamtliche Dienststellen richten, unaufgefordert auf ihre Eigenschaft als Jude hinzuweisen, sowie Kennort und Kennummer ihrer Kennkarte anzugeben oder, falls die Anträge mündlich gestellt werden, unaufgefordert ihre Kennkarte vorzulegen. Das gleiche gilt für jede Art von Anfragen und Eingaben, die Juden an amtliche oder parteiamtliche Dienststellen richten, sowie bei der polizeilichen Meldung. Zuwiderhandlungen hiergegen sind als besonders schwere Fälle im Sinne der Strafbestimmungen der Verordnung anzusehen.