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Chronik und Quellen
1940
Juli 1940

Juli 1940

Nach dem Sieg über Frankreich rückte Großbritannien in den Fokus deutschen Machtstrebens, und in weiten Teilen der Bevölkerung wurde nunmehr die 1939 gar in Liedform gefasste Parole „Bomben auf Engeland“ überaus populär. Am 1. Juli besetzten deutsche Truppen die britischen Kanalinseln Jersey, Guernsey und Alderney, nachdem die rund 23.000 Inselbewohner zuvor nach Großbritannien evakuiert worden waren. Diese Maßnahme bedeutete den Auftakt einer intensiveren Kriegsführung gegen Großbritannien. Am 10. Juli griff die deutsche Luftwaffe erstmals mit stärkeren Verbänden militärische Ziele in Südengland an.

Im Verlauf seiner Reichstagsrede in der Berliner Kroll-Oper richtete Hitler am 19. Juli ein letztes „Friedensangebot“ an Großbritannien. Er halte, so führte er dabei aus, nicht für zwingend notwendig, den Krieg weiterzuführen, wenn sich die britische Regierung zur Einstellung ihrer Feindseligkeiten gegen das Deutsche Reich durchringen könne. Die Absicht Hitlers bestand insbesondere darin, die schweren Belastungen, mit denen sich Luftwaffe und Marine bei einer Landung auf den britischen Inseln konfrontiert gesehen hätten, zu vermeiden. Der „Friedensappell“ stieß in England jedoch auf einhellige Ablehnung.

Vielmehr begannen die im Juli durchgeführten nächtlichen Bombenangriffe der Royal Air Force auf Orte in West- und Nordwestdeutschland die dortige Bevölkerung mehr und mehr zu beunruhigen. Da sie aber zu dieser Zeit von kleinen Verbänden durchgeführt wurden, hielten sich die Schäden zunächst noch in Grenzen.

Im Deutschen Reich wurde daher zu diesem Zeitpunkt eher gefeiert und gejubelt und dabei – unter Ausbau des Überwachungs- und Terrorapparates – NS-orientierte Zukunftsperspektiven entwickelt. Am 6. Juli traf Adolf Hitler aus seinem Hauptquartier „Felsennest“ in der Eifel wieder in Berlin ein, wo er unter dem Jubel der Bevölkerung einen triumphalen Einzug hielt. Auch die vorangehende Bahnfahrt durch Deutschland war allerorten bejubelt und für einen propagandistisch wirksamen Wochenschaubericht gefilmt worden. In einer Rede vor der nationalen und internationalen Presse in Berlin erläuterte Alfred Rosenberg vier Tage später die Grundzüge der von ihm propagierten „nordischen Schicksalsgemeinschaft“. Und als Rudolf Heß als Stellvertreter Hitlers am 27. Juli in München die „IV. Große Deutsche Kunstausstellung“ eröffnete, präsentierte er stolz jene Werke, die der NS-Kunstauffassung entsprachen. Die Schau galt der NS-Führung als Ausdruck des „geistigen Aufbruchs des deutschen Volkes“. Gerade angesichts der aktuellen Lage sollte die Ausstellung nach Worten des Eröffnungsredners Joseph Goebbels dazu dienen, der Bevölkerung insbesondere „im Krieg Kunst und Erbauung“ zu geben. Immerhin wurde sie anschließend rund 400.000 Besucher besucht.

Neben dem Zuckerbrot gab es aber permanent auch die Peitsche, mit der insbesondere von Heinrich Himmler und Rudolf Heydrich gedroht wurde. Und als der Zweitgenannte als Chef der Sicherheitspolizei und des Sicherheitsdienstes am 22. Juli In einem Rundschreiben allen staatlichen Stellen untersagte, künftig staatspolizeilich gegen „Volkgenossen, die sich mit einer Beschwerde an die Reichskanzlei wenden“ vorzugehen, bedeutete das keinesfalls eine innenpolitische Liberalisierung, sondern sollte angesichts der jüngsten Erfolge in erster Linie wohl der Stabilisierung der „Heimatfront“ dienen. In ähnliche Richtung zielte wohl auch die Anweisung von Reichsinnenminister Wilhelm Frick, der am 24. Juli die Reichsstatthalter und Oberpräsidenten aufforderte, sämtliche nicht zwingend notwendigen antikirchlichen Maßnahmen zu unterlassen, um so das angespannte Verhältnis von Staat und Partei zur Kirche nicht zu verschlechtern.

Keinerlei Rücksichtnahme durften seitens des Regimes dagegen jene erwarten, die nicht den kruden Vorgaben der NS-Rassenideologie entsprachen und nun unter dem Deckmantel des Krieges brutal beseitigt werden sollten. Immerhin gab es auch für sie mutige Fürsprecher. Nachdem sich einige Tage zuvor bereits einzelne Persönlichkeiten aus Justiz- und Kirchenkreisen kritisch zu diesem Thema geäußert hatten, richtete der württembergische Landesbischof Theophil Wurm am 19. Juli ein Protestschreiben an Reichsinnenminister Wilhelm Frick, in dem er sich gegen die laufende „Euthanasie“-Aktion aussprach. Das Schreiben, das ohne Wurms Zutun in öffentlichen Umlauf kam, bewirkte jedoch keinen Stopp der seit Ende 1939 ohne jede gesetzliche Grundlage und unter strengster Geheimhaltung laufenden Tötungsmaßnahmen.

Dagegen versuchte man sich nach wie vor und nunmehr noch weitaus stärker der Arbeitskraft anderer Personengruppen zu bedienen. Nach Abschluss der Kampfhandlungen und der damit verbundenen Eroberungen im Norden und Westen Europas forderte nämlich die Reichsgruppe Industrie am 15. Juli den Arbeitskräftemangel in Deutschland durch den Einsatz von Kriegsgefangenen auszugleichen. Der mit einer Million angegebene Bedarf sollte die Erledigung von Rüstungsaufträgen ermöglichen und für Entlastung in der angespannten landwirtschaftlichen Produktion sorgen. Anfang Juli waren bereits rund 200.000 französische und britische Kriegsgefangene im Einsatz, deren Zahl nun schnell steigen sollte. Ende Oktober 1940 wird sich deren Zahl bereits auf 1,2 Millionen belaufen.

 

Verdrängung und Vernichtung der jüdischen Bevölkerung

Zu Beginn des Monats wurden die Versorgungsmöglichkeiten der jüdischen Bevölkerung weiter eingeschränkt. So erließ der Berliner Polizeipräsident am 4. Juli eine Anordnung, mit der die Einkaufszeit für Juden auf den Zeitraum zwischen 16.00 und 17.00 Uhr reduziert wurde.

Zum Monatsende folgte eine massive Einschränkung der Kommunikationsmöglichkeiten, als der Reichspostministers am 29. Juli die von Juden genutzten Fernsprechanschlüsse zum 30. September 1940 kündigte. Ausgenommen waren (zunächst) nur „Kranken- und Zahnbehandler“ (also ehemalige Ärzte), Konsulenten (ehemalige Rechtsanwälte), jüdische Organisationen sowie in „privilegierter Mischehe lebende Personen. Diese willkürliche Maßnahme trug erheblich dazu bei, die Isolation der jüdischen Bevölkerung zu fördern.

Am 12. Juli berichtete Generalgouverneur Frank seinen Mitarbeitern über ein Gespräch, das er vier Tage zuvor mit Adolf Hitler geführt hatte. Demnach sollten künftig „keine Judentransporte ins Generalgouvernement mehr stattfinden“. Vielmehr sei nunmehr geplant, „die ganze Judensippschaft im Deutschen Reich, im Generalgouvernement und im Protektorat in denkbar kürzester Zeit nach dem Friedensschluss in eine afrikanische oder amerikanische Kolonie zu transportieren. Man denkt an Madagaskar.“

Nach Abschluss des Westfeldzuges wurden nun auch dort entsprechende Maßnahmen in die Tat umgesetzt. Am 16. Juli begann im Elsass die zwangsweise Umsiedlung von 3.000 Juden in den unbesetzten Teil Frankreichs, die nach zwei Wochen abgeschlossen wurde. Ähnliches geschah in Lothringen. Bis Mitte September wurden dort insgesamt 24.210 Franzosen - unter ihnen sämtliche dort lebenden Juden - vertrieben.

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