Die SoPaDe berichtet
In der Januar-Ausgabe 1935 heißt es in den Deutschland-Berichten“:
Über den Boykott jüdischer Geschäfte, der in den Tagen vor Weihnachten in verschiedenen Landesteilen durchgeführt wurde, geht uns aus Bayern folgender bezeichnender Bericht zu:
Das erwartete Weihnachtsgeschäft blieb aus. Die Mitglieder der NS-Hago rebellierten. Die NS-Hago-Leitungen suchten den Ausweg in der Entfachung von Judenboykotts. Man stellte überall vor die jüdischen Geschäfte SS- und SA-Leute in der Erwartung, daß dadurch die Leute vom Einkäufen in diesen Geschäften abgeschreckt würden. Aber so eingeschüchtert sind die Leute nicht mehr, wenn sie SS- oder SA-Leute sehen, sie kaufen trotzdem im jüdischen Warenhaus. So machte z. B. das Kaufhaus Krell in Weiden, Besitzer ist der Jude Brauer, ein ganz gutes Geschäft. Da wurde in der Nacht vom 19. auf den 20. Dezember ein großes Schaufenster dieses Kaufhauses eingeschlagen. Die Nazipresse („Bayrische Ostwacht“ vom 22. 12.) nahm sofort dazu Stellung und schrieb: „Provokateure werfen Schaufenster ein“. In dem Artikel wird erklärt: „Es ist sicher, daß man die Tat nicht auf das Konto von uns Nationalsozialisten setzen kann. Man versucht es zwar, wir warnen aber jeden, es zu tun ... Es besteht allerdings auch eine andere Möglichkeit - und diese ist nicht so ohne weiteres abzulehnen. Wir sind nahe an der Grenze der Tschechoslowakei, wo hunderte und tausende „deutscher“ Emigranten leben, die uns natürlich auch mal gern etwas auswischen wollen. Es ist für diese Herrschaften doch sicher ein leichtes, einen guten Freund mit ein paar Markln dazu zu verleiten, daß er ein oder zwei große Steine nimmt und in einem jüdischen Geschäft das Fenster einwirft. Man wird nun sicher wieder überall in den Emigrantenblättern eine neue Sensation lesen können: „Jüdisches Kaufhaus von Nazis gestürmt!“ Im Schlußabsatz dieses Artikels heißt es: „Wir lassen uns eine derartige Handlungsweise dunkler Kräfte nicht bieten. Wir werden Mittel und Wege finden, diese Provokateure unschädlich zu machen. Die polizeilichen Ermittlungen werden den Beweis erbringen, daß die Täter nicht Nationalsozialisten waren, sondern Provokateure schlimmster Art. Denn wir haben es wirklich nicht nötig, mit solchen Mitteln zu „arbeiten“. So schlimm steht es um uns denn doch noch nicht!“
In Würzburg wurde am Goldenen Sonntag im Kaufhaus Ruschkewitz in der Schönbornstraße besonders lebhaft eingekauft. Viel Landbevölkerung deckte sich dort mit Weihnachtswaren aller Art ein. Die SA-Leute, die vor dem Eintritt in das Kaufhaus warnten, wurden nicht beachtet. Da kamen kurz vor 5 Uhr nachmittags mehrere SA-Leute, ließen niemand mehr in das Geschäft hinein und erzwangen vom Besitzer, daß er die Käufer, die noch im Geschäft waren, den Ausgang durch den Hof nehmen lasse, so daß sie in einer anderen Gasse aus dem Geschäft kamen. Man hat also den sichtbaren Käuferverkehr vor dem Haupteingang des Kaufhauses abgedrängt. Die Käufer ließ man förmlich Spießruten durch die SA.-Leute laufen, aber die Landbevölkerung machte sich nichts daraus.