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Chronik und Quellen
1938
Juni 1938

Reichsminister Frick zur Enteignung der Juden

Reichsinnenminister Frick erläutert am 14. Juni 1938 seine Pläne zur Enteignung der Juden und zu ihrer Verdrängung aus der Wirtschaft:

Betrifft: Juden in der Wirtschaft.

Durch die Verordnung über die Anmeldung des Vermögens von Juden vom 26. April 1938 (RGBl. I, S. 414) und die dazu ergangene Anordnung vom gleichen Tage ist die Lösung der Judenfrage auf wirtschaftlichem Gebiet eingeleitet worden.

In der Besprechung am 29. April 1938 im Preußischen Staatsministerium wurde zur endgültigen Ausschaltung der Juden aus dem deutschen Wirtschaftsleben die Umwandlung des jüdischen Vermögens in Deutschland in Werte, die keinen wirtschaftlichen Einfluß mehr gestatten, in Aussicht genommen. Zu diesem Plan darf ich vom Standpunkt der allgemeinen Judenpolitik aus folgendes bemerken:

1. Die Ausschaltung der Juden aus dem Wirtschaftsleben ist bisher überwiegend in der Weise durchgeführt worden, daß Juden freiwillig ihre Gewerbebetriebe veräußert haben und daß bei dieser Gelegenheit der Versuch gemacht wurde, den jüdischen Einfluß durch deutschen zu ersetzen. Dabei haben sich nicht unerhebliche Mißstände herausgebildet, die ich als allgemein bekannt voraussetzen darf. Diese sogenannten Arisierungen sind nunmehr durch die Anordnung vom 26. April 1938 (RGBl. I, S. 415) dem staatlichen Einfluß unterworfen worden, indem Betriebsveräußerungen solcher Art von einer staatlichen Genehmigung abhängig gemacht wurden. Dadurch können unerwünschte Arten von Arisierungen sowie bedenkliche Einzelbestimmungen in den Übernahmeverträgen verhindert werden; auch können allgemeine volkswirtschaftliche Gesichtspunkte zur Geltung gebracht werden, z. B. die Verhinderung von Konzernbildungen. Dennoch bleibt bei dieser Art der Ausschaltung des jüdischen Einflusses aus der Wirtschaft der Übelstand, daß es nur schwer zu verhindern ist, daß die Juden den erzielten Verkaufserlös verschieben oder sich auf andere Weise neuen wirtschaftlichen Einfluß erschließen.

2. Ich halte daher nunmehr auch vom Standpunkt der allgemeinen Judenpolitik eine Regelung für erforderlich, die für die Zukunft auf eine zwangsweise Ausschaltung der Juden abzielt. Allerdings wird diese Maßnahme einer sehr genauen und ins einzelne gehenden Vorprüfung und Vorbereitung bedürfen, denn es würde der gesamten Rassenpolitik des Reiches zum größten Schaden gereichen, wenn sich die vorgesehene Regelung nicht oder nicht in dem geplanten Umfange als durchführbar erweisen würde.

Bei der zwangsweisen Ausschaltung würde in erster Linie die Übernahme des Betriebsvermögens der Juden ins Auge zu fassen sein, weil der Besitz dieses Vermögens den größten wirtschaftlichen Einfluß gewährt. Als Grundlage für die Übernahme von Betriebsvermögen kann die auf Grund der Verordnung vom 26. April 1938 durchzuführende Vermögensanmeldung dienen, denn nach dem Muster, das für die Anmeldung zu verwenden ist, muß das Betriebsvermögen jeweils besonders angegeben werden.

Eine entschädigungslose Enteignung des Betriebsvermögens kann schon aus außenpolitischen Gründen nicht in Betracht gezogen werden. Die Entschädigung wird zweckmäßigerweise in der Aushändigung von Anleihetiteln bestehen.

Aus innerpolitischen Erwägungen muß ferner die Regelung folgenden Grundforderungen entsprechen: Die zu übernehmenden jüdischen Betriebsvermögen dürfen nicht zerstört werden. Ferner muß die Ausschaltung der Juden zu einer Stärkung des gesunden Mittelstandes führen. Es muß also Gewähr dafür geschaffen werden, daß die Betriebe jeweils geeigneten Volksgenossen des Mittelstandes zufallen und nicht in die Hände kapitalkräftiger Konzerne oder gewinnsüchtiger Konjunkturnutznießer gelangen.

Ich halte etwa folgenden Weg technisch für gangbar:

a) Den Juden wird durch eine gesetzliche Vorschrift die Pflicht auferlegt, ihre Betriebsvermögen einer zu gründenden Gesellschaft anzubieten. Dabei wird die Frage besonders eingehender Erwägung bedürfen, ob die Anbietungspflicht durch das Gesetz selbst unmittelbar und gleichzeitig für alle jüdischen Betriebsvermögen bestimmt werden soll, oder ob es zweckmäßiger ist, die Anbietungspflicht als solche gesetzlich festzulegen und auf Grund einer Ermächtigung die jüdischen Vermögen, deren Übernahme beabsichtigt ist, jeweils - etwa nach Branchen oder nach räumlichen Gesichtspunkten - aufzurufen.

Die Gesellschaft übernimmt entweder die angebotenen Vermögen oder lehnt die Übernahme ab. Im letzteren Falle bleibt der Betrieb, in den das Vermögen investiert ist, jüdisch nach Maßgabe der Dritten Verordnung zum Reichsbürgergesetz, er bleibt in dem Verzeichnis der jüdischen Betriebe eingetragen und unterliegt den für diese Betriebe bestehenden gesetzlichen Beschränkungen.

Im ersteren Falle veräußert die Gesellschaft die übernommenen Werte weiter an deutsche Volksgenossen. Die Juden werden durch Gutschrift von Stücken einer Anleihe entschädigt, die durch das Reich garantiert wird. Die Anleihe kann mit etwa 2 V2 % verzinslich und mit 2 % amortisierbar sein, so daß sie dem Juden etwa eine Rente von 4 Vi % seines Betriebsvermögens einbringt, das aufgebraucht wird.

Der Übernahmepreis wird von der Gesellschaft oder der über sie die Aufsicht führenden obersten Reichsbehörde nach billigem Ermessen festgesetzt. Für die Höhe des Preises kann als Anhalt der Wert nach dem Stande vom 27. April 1938 in Betracht gezogen werden; das ist der Stichtag für die Bewertung des jüdischen Vermögens nach der Verordnung über die Vermögensanmeldung vom 26. April 1938. Als Preis für die Weiterveräußerung durch die Gesellschaft wird der Marktpreis in Frage kommen.

Die Gesellschaft schreibt dem Juden Anleihestücke in dem Umfange gut, in dem der Übernahmepreis durch Zahlungen des Erwerbers gedeckt ist. Die Zahlungen, für die Anleihegutschrift erfolgt, leitet die Gesellschaft an das Reich weiter, das die Verwaltung der Anleihe mit seinem bereits vorhandenen Verwaltungsapparat übernimmt.

Im Ergebnis wird also das jüdische Vermögen in eine mit 2 % amortisierbare Reichsanleihe verwandelt.

b) Die schwierigste Aufgabe ist die Weiterveräußerung der Betriebsvermögen durch die Gesellschaft. Da nicht für alle Vermögen sofort entsprechende Käufer vorhanden sein werden, müssen sie oft erst im ganzen Reichsgebiet gesucht werden, sodann muß mit ihnen der Preis ausgehandelt werden. Eine Behördenorganisation irgendwelcher Art ist zur Erfüllung dieser rein kaufmännischen Aufgaben völlig ungeeignet. Die Übernahme-Gesellschaft, die als kaufmännisches Unternehmen gedacht ist, wird den Verkauf höchstens bei einigen volkswirtschaftlich besonders bedeutsamen Objekten selbst durchführen können, wenn anders sie ihren Apparat, der auf möglichst wenige Mitarbeiter beschränkt werden sollte, nicht ins Unübersehbare ausdehnen will. Der Verkauf wird daher praktisch nur durch die bestehende Bankenorganisation vermittelt werden können. Damit die Banken die Kreditwürdigkeit der Erwerber sorgfältig prüfen und sich um die Erzielung guter Verkaufspreise bemühen, [... ] die Gesellschaft ihnen eine Abwicklungsprovision versprechen. Dieser Anreiz wird in vielen Fällen für die Unterbringung der Objekte genügen, zumal die Juden an der Auffindung zahlungsfähiger Käufer interessiert sind, weil sie Anleihegutschrift erst nach Eingang des Geldes erhalten.

Vor dem Verkauf an den von der Bank vorgeschlagenen Erwerber ist zu prüfen, ob der Verkauf von dem Gesichtspunkt der Förderung des gesunden Mittelstandes gut geheißen ist; es bedarf näherer Prüfung, welche Stelle hierfür einzuschalten ist.

c) Durch die Heranziehung der Banken wird erreicht, daß die Werte zu einem angemessenen Preis an kreditwürdige Käufer abgesetzt werden. Daß als Kaufbewerber Angehörige des gesunden, aber im allgemeinen kapitalarmen Mittelstandes auffreten können, wird indessen damit noch nicht sichergestellt. Kapitalarme Erwerber werden in der Regel nur mit den Erträgnissen der übernommenen Werte zahlen können. Die Banken werden aber nur in beschränktem Umfange zur Vorfinanzierung in der Lage sein. Um kapitalarmen Erwerbern den Kauf der jüdischen Werte zu ermöglichen, muß deshalb ein besonderes Treuhandinstitut geschaffen werden, das die durch Vermittlung der Banken auf Abzahlung verkauften Betriebsvermögen übernimmt, die Raten einzieht und in möglichst vielen geeigneten Fällen die Vorfinanzierung des Kaufpreises gegen Verpfändung der Werte besorgt.

d) Für die Schulden der Juden darf die Gesellschaft nicht haften; sie kann lediglich die einzelnen Vermögen zu dem vorgesehenen Preis übernehmen. Die Juden haben ihre Schulden grundsätzlich aus ihren als Gegenwert gutgeschriebenen Anleiheguthaben zu tilgen, deren Verkauf zu diesem Zweck zu einem bestimmten Kurs etwa an die Golddiskontbank zugelassen werden muß. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz kann bezüglich der Schulden gemacht werden, für die Hypotheken oder Pfandrechte an Gegenständen des Betriebsvermögens bestellt sind. Die Schuldentilgung wird nicht ohne Härten - auch für deutschblütige Gläubiger von Juden - abgehen. Indessen wird in vielen Fällen keine Veranlassung vorliegen, den besonders zu schützen, der heute noch in geschäftlichen Beziehungen mit Juden steht. Für andere - schutzwürdige - Fälle wäre bei der Gesellschaft ein Fonds zu bilden, der zum Ausgleich besonderer Härten Verwendung findet.

e) Die Vermögensübertragung ebenso wie die Gesellschaft und das Treuhandinstitut müssen steuerfrei bleiben, damit nicht die Durchführung im einzelnen durch Rücksichtnahme auf steuerrechtliche Auswirkungen bestimmt wird. Dagegen wäre der Gesellschaft zum Ausgleich der ihr eingeräumten Steuerfreiheit die Abführung eines Teils ihres Gewinnes an das Reich aufzuerlegen.

f) Der Gewinn der Gesellschaft besteht in dem Unterschiedsbetrag zwischen dem an die Juden zu zahlenden Übernahmepreis und dem von dem Erwerber zu zahlenden Kaufpreis, ferner in einer Provision vom Verkaufspreis, die von den Juden zu tragen ist.

g) Von erheblicher Bedeutung für das Gelingen des Plans ist die richtige Konstruktion der Gesellschafi. Zur Vermeidung der Publizitätspflicht wird als Gesellschaftsform die G.m.b.H. in Frage kommen, denn es kann nicht das geringste Interesse daran bestehen, den Umfang der umgeschichteten Werte nach außen irgendwie bekanntzugeben. Als Höhe des Eigenkapitals kann etwa der Betrag von 100 000 RM in Aussicht genommen werden.

Die Gesellschaft wird möglichste Bewegungsfreiheit haben und in die Lage versetzt werden müssen, die Angelegenheit schnell und großzügig abwickeln zu können. Auf der anderen Seite ist es notwendig, wegen der Bedeutung der von der Gesellschaft zu erfüllenden Aufgabe engste Fühlungnahme mit den zuständigen Staats- und Parteistellen zu halten. Diese Gesichtspunkte werden bei der Entscheidung der Frage eine Rolle spielen müssen, von wem die Geschäftsanteile zu übernehmen sind.

h) Die Behandlung von Juden fremder Staatsangehörigkeit bedarf m. E. erneut der Prüfung. So erwünscht ich es vom Standpunkt der allgemeinen Judenpolitik aus ansehen muß, einen Unterschied nach der Staatsangehörigkeit nicht zu machen, so wird es sich - gerade auch im Hinblick auf die Erfahrungen mit der Verordnung über die Vermögensanmeldung - doch empfehlen, die Maßnahme auf Juden deutscher Staatsangehörigkeit und auf staatenlose Juden zu beschränken. Die Vorteile einer Einbeziehung der Juden fremder Staatsangehörigkeit dürften auch in diesem Falle von den außenpolitischen Nachteilen weit überwogen werden.

3. Nach der Übernahme der jüdischen Betriebsvermögen kann die Übernahme der weiteren jüdischen Vermögensteile in Angriff genommen werden, die bei der Durchführung der Vermögensanmeldung nicht zum Betriebsvermögen gerechnet werden, gleichwohl aber wirtschaftlichen Einfluß ermöglichen; hier kommen insbesondere in Betracht Obligationen von Industriegesellschaften, Pfandbriefe, Aktien und Kurse, Anteile an Gesellschaften mit beschränkter Haftung, Einlagen als stille Gesellschafter und Geschäftsguthaben bei Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften. Auf diese Fälle kann m.E. das oben unter 2. skizzierte Verfahren ohne weiteres ausgedehnt werden.

4. Unabhängig von der Übernahme der jüdischen Betriebsvermögen und der oben unter 3. genannten Vermögensteile kann die Übernahme der land- und forstwirtschaftlichen Vermögen und des Grundvermögens durchgeführt werden, das nicht zum Betriebsvermögen gehört. In dieser Richtung schlage ich den Erlaß einer weiteren Verordnung zum Reichsbürgergesetz vor, in der bestimmt wird, daß Juden Grund und Boden und Rechte daran nicht erwerben können; außerdem wäre in dieser Verordnung den Juden die Pflicht aufzuerlegen, ihren vorhandenen Grundbesitz binnen einer bestimmten Frist zu veräußern. Das Veräußerungsgeschäft wäre an eine staatliche Genehmigung zu binden, um insbesondere Verschiebungen an ausländische Juden zu verhindern. Für den Fall der Unmöglichkeit der Veräußerung wäre die Anbietung an die oben unter 2. genannte Gesellschaft vorzusehen. Da durch die vor der Verabschiedung stehende Novelle zur Gewerbeordnung, die u.a. den Ausschluß der Juden vom Handel mit Grundstücken und von der Vermittlung von Immobilienverträgen vorsieht, voraussichtlich eine gewisse Beunruhigung des Grundstücksmarktes eintreten wird, würde ich es für zweckmäßig halten, die bezeichnete Verordnung zum Reichsbürgergesetz erst nach der Durchführung der Novelle zur Gewerbeordnung zu erlassen.

5. Die Juden werden durch ihre Ausschaltung aus dem Wirtschaftsleben zum weit überwiegenden Teil zur Untätigkeit gezwungen und darüber hinaus wird regelmäßig auch ihre Verarmung herbeigeführt werden. Beides ist vom allgemeinen staatspolitischen Standpunkt aus unerwünscht. Insbesondere muß das zu erwartende starke Anschwellen des jüdischen Proletariats zu Bedenken Anlaß geben.

Wirksame Abhilfe würde vor allem die Auswanderung der Juden bieten können. Diese kann jedoch nach dem derzeitigen Stand der Frage nur als erstrebenswertes Ziel aufgestellt werden; denn wenn auch alle innerdeutschen Maßnahmen getroffen werden, die zur Förderung der Auswanderung der Juden notwendig sind, so konnte bisher – abgesehen von Palästina, das ein besonderes Problem darstellt - noch kein Land gefunden werden, das für eine Massenewwanderung der Juden ernstlich in Frage käme. Ich werde wegen dieser Frage erneut mit dem Auswärtigen Amt in Verbindung treten, glaube jedoch nicht, daß mit einer Lösung für die nächste Zeit zu rechnen sein wird.

Soweit die Juden in Deutschland von dem Erlös ihrer übernommenen Betriebs- und sonstigen Vermögenswerte leben können, bedürfen sie einer strengen staatlichen Aufsicht. Soweit sie hilfsbedürftig werden, muß die Frage ihrer öffentlichen Unterstützung gelöst werden. Eine stärkere Inanspruchnahme der Fürsorgeverbände wird nicht zu vermeiden sein.

Ich bitte um Prüfung und um grundsätzliche Stellungnahme.

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