Tagebucheintrag zu antisemitischen Hänseleien
Luise Solmitz aus Hamburg notiert am 14. Juni 1938 Folgendes zu antisemitische Hänseleien von Kindern:
Mamas 50. Hochzeitstag. - 50 Jahre, seit das Reich der ersten beiden Kaiser zur Neige ging, u. mit der jungen Ehe zugleich eine neue Zeit heraufzog, das Zeitalter Wilhelms II.
X. schreibt salbungsvoll ... „Und wenn wir vor 20 Jahren im beginnenden Zusammenbruch fürchten mussten, unter den Trümmern des Kaiserreichs samt u. sonders mitbegraben zu werden, leben wir jetzt wieder in einem stolzen u. starken Reich, das besser fundiert ist als das Deutschland Wilhelms II.“
Der Tag brachte mir (noch) eine Bitterkeit. Kleine Jungen in unserer Strasse, die unsern Hund fürchteten ... Nun hatte sich einer aber eine feine Rache ausgedacht... „Jude“, rief er hinter uns her,„Jude, Jude!“ ... Zum Glück verstand Fr. es nicht. Und gegen solche Rüpelei gibt es keine Abwehr u. keinen Einspruch. Man muss das wehrlos einstecken. Zur Ehre des deutschen Volkes sei es gesagt, es verhält sich anständig Wehrlosen gegenüber, bis jetzt. Ihm wäre ganz anderes erlaubt u. würde ihm als Verdienst angerechnet, wenn es nur wollte. - Auch in diesem Fall der dummen Jungen muss man sagen: Sie wissen nicht, was sie tun.