Schnellbrief des Reichskriminalpolizeiamts an die Kriminalpolizeileitstellen
ReinhardHeydrich weist am 1. Juni 1938 die Kriminalpolizeileitstellen an, sogenannte Asoziale und vorbestrafte Juden im KZ Buchenwald zu inhaftieren:
Betr.: Vorbeugende Verbrechensbekämpfung durch die Polizei
Da das Verbrechertum im Asozialen seine Wurzeln hat und sich fortlaufend aus ihm ergänzt, hat der Erlaß des RuPrMdl. vom 14. Dezember 1937 - Pol. S Kr.3 Nr. 1682/37 -2098 - der Kriminalpolizei weitgehende Möglichkeiten gegeben, neben den Berufsverbrechern auch alle asozialen Elemente zu erfassen, die durch ihr Verhalten der Gemeinschaft zur Last fallen und sie dadurch schädigen. Ich habe aber feststellen müssen, daß der Erlaß bisher nicht mit der erforderlichen Schärfe zur Anwendung gebracht worden ist.
Die straffe Durchführung des Vierjahresplanes erfordert den Einsatz aller arbeitsfähigen Kräfte und läßt es nicht zu, daß asoziale Menschen sich der Arbeit entziehen und somit den Vierjahresplan sabotieren.
Ich ordne deshalb an:
1. Ohne Rücksicht auf die bereits vom Geheimen Staatspolizeiamt im März d.J. durchgeführte Sonderaktion gegen Asoziale sind unter schärfster Anwendung des Erlasses vom 14. Dezember 1937 in der Woche vom 13. bis 18. Juni 1938 aus dem dortigen Kriminalpolizeileitstellenbezirke mindestens 200 männliche arbeitsfähige Personen (asoziale) in polizeiliche Vorbeugungshaft zu nehmen. Dabei sind vor allem zu berücksichtigen
a. Landstreicher, die zur Zeit ohne Arbeit von Ort zu Ort ziehen;
b. Bettler, auch wenn diese einen festen Wohnsitz haben;
c. Zigeuner, und nach Zigeunerart umherziehende Personen, wenn sie keinen Willen zur geregelten Arbeit gezeigt haben oder straffällig geworden sind;
d. Zuhälter, die in ein einschlägiges Strafverfahren verwickelt waren - selbst wenn eine Überführung nicht möglich war - und heute noch in Zuhälter- und Dirnenkreisen verkehren oder Personen, die im dringenden Verdacht stehen, sich zuhälterisch zu betätigen;
e. solche Personen, die zahlreiche Vorstrafen wegen Widerstandes, Körperverletzung, Raufhandels, Hausfriedensbruchs u.dgl. erhalten und dadurch gezeigt haben, daß sie sich in die Ordnung der Volksgemeinschaft nicht einfügen wollen.
Personen, die in einem festen Arbeitsverhältnis stehen, sowie solche, die bereits einmal in polizeilicher Vorbeugungshaft oder in Sicherungsverwahrung untergebracht waren und sich seitdem gut geführt haben, sind nicht in polizeiliche Vorbeugungshaff zu nehmen.
2. Ferner sind ebenfalls in der Woche vom 13. bis 18. Juni 1938 alle männlichen Juden des Kriminalpolizeileitstellenbezirks, die mit mindestens einer Gefängnisstrafe von mehr als einem Monat bestraft sind, in polizeiliche Vorbeugungshaff zu nehmen.
Für die Durchführung meiner Anordnung sind die Leiter der Kriminalpolizeileitstellen verantwortlich, die sich unverzüglich mit den Kriminalpolizeileitstellen, den staatlichen Kriminalabteilungen, den Ortspolizeibehörden und den Gendarmerieabteilungen ihres Bezirkes, gegebenenfalls mit den Staatspolizeistellen in Verbindung zu setzen haben.
Von allen festgenommenen Personen, über die die polizeiliche Vorbeugungshaff verhängt worden ist, ist mir die gemäß meinen Richtlinien vom 4. April 1938 - RKPA. 6061/250.1938 - zum Erlaß vom 14. Dezember 1937 geforderte Anordnungsverfügung (Muster 6) sofort zu übersenden.
Soweit erkennungsdienstliches Material vorhanden, ist dieses dem Vorgang beizufügen. Bei den übrigen Personen wird die erkennungsdienstliche Behandlung wegen der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit von mir im Lager nachgeholt werden. Strafregisterauszug und Lebenslauf sind mir in doppelter Ausfertigung nachträglich einzusenden.
Die Festgenommenen sind sofort dem Konzentrationslager Buchenwald bei Weimar ohne meine Bestätigung und Anweisung zu überführen. Die mir sonst einzureichende Zweitschrift der Anordnungsverfügung ist mit der Person gleichzeitig dem Lager zu überweisen. Die Zahl der festgenommenen Personen ist mir bis spätestens 20. Juni d.J., mittags 12 Uhr, durch Funk oder Fernschreiben zu melden.