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Chronik und Quellen
1938
Mai 1938

Presseartikel über die Verarmung der jüdischen Gemeinden

Am 15. Mai 1938 berichtet „The New York Times“ über die Verarmung der jüdischen Gemeinden und die demographischen Folgen der antijüdischen Politik:

10 Reichsgroßstädte verlieren 40 Prozent ihrer jüdischen Bevölkerung. Viele kleinere jüdische Gemeinden sollen in den vergangenen fünf Jahren ganz verschwunden sein. Einbrüche in der Sozialfürsorge. Amerikanisches Komitee um Unterstützung wohltätiger Organisationen gebeten.

Wie aus einem gestern veröffentlichten Bericht des American Jewish Joint Distribution Committee hervorgeht, haben zehn deutsche Großstädte über 40 Prozent ihrer jüdischen Bevölkerung verloren; viele kleinere jüdische Gemeinden sind in den vergangenen fünf Jahren gänzlich verschwunden.

Da die Juden in Deutschland immer weniger in der Lage sind, ihre Fürsorgeeinrichtungen zu finanzieren, hat das Joint Distribution Committee im vergangenen Jahr 682.000 $ für Ausbildung, Umschulung, wirtschaftliche Hilfe, Emigration, Bildung und Wohlfahrt der deutsch-jüdischen Bevölkerung bereitgestellt.

Joseph C. Hyman, Geschäftsführer des Joint Distribution Committee, erklärte dazu: „Die jüngst verfügten Bestimmungen berauben die jüdischen Gemeinden ihrer Eigenschaft als quasi öffentliche Einrichtungen und nehmen ihnen somit das Recht, von ihren Mitgliedern Steuern zu erheben. Das ist der schwerste und möglicherweise nicht mehr wiedergutzumachende Schlag gegen die Fähigkeit der jüdischen Gemeinden, ihre Fürsorge- und Wohlfahrtseinrichtungen aufrechtzuerhalten.“

Der Bericht über die Auflösung jüdischer Gemeinden in Deutschland zeigt, dass 60 der ursprünglich 250 hessischen Gemeinden nicht mehr bestehen. Gegenüber 67 Gemeinden mit jeweils mehr als 500 Juden im Jahr 1933, bestanden Ende 1937 nur noch 52 solcher Gemeinden.

Die zehn Städte, die mehr als 40 Prozent ihrer jüdischen Bevölkerung verloren haben, sind

                        Bevölkerung 1933  Bevölkerung 1937 Verlust in Prozent

Gießen                      855                        375                      56,14
Bochum                  1069                         556                      47.99
Nürnberg                 7502                      4000                      46,48
Worms                    1016                        549                      45.97
Halberstadt               706                         389                      44.90
Pforzheim                 770                         425                       44,80
Bruchsal                   501                         279                       44.31
Heidelberg               1102                         627                       43.10
Hagen                      508                          299                       41.14
Freiburg                  1138                          670                      41,12

Laut Bericht spiegelt sich der Bevölkerungsrückgang auch in der abnehmenden Wirt­schaftskraft jüdischer Gemeinden wider. Von 1.400 Gemeinden mussten 309 als bedürftig und weitere 303 als teilweise bedürftig eingestuft werden. Das Committee beschäftigt sich derzeit mit den Anträgen von 120 Städten, die um Aufnahme in die Kategorie „bedürftig“ bitten.

Aus dem vorliegenden Bericht des Joint Distribution Committee geht hervor, dass der Zentralausschuss der deutschen Juden für Hilfe und Aufbau im Jahr 1937 4.439.267 Mark ausgegeben hat.

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