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Chronik und Quellen
1938
Januar 1938

Amalie Malsch (Düsseldorf) an Sohn Wilhelm (New York)

Amalie Malsch[1] schreibt am 1. Januar 1938 ihrem Sohn in den USA über das Warten auf die Auswanderung:

Mein geliebtes Kind! Am 2. Weihnachtstag schrieben wir Dir einen ausführlichen Brief, Du wirst ihn ja inzwischen erhalten haben. Auch die Depesche, daheim Papa, hat Dir gewiß sehr, sehr große Freude gemacht. Da warst Du doch bestimmt in bester Laune. Hoffentlich hast Du es auch Onkel Eugen berichtet. Nun warten wir mit Schmerzen auf Stuttgart, es muß doch nun einmal kommen. Wir hörten hier, daß die Schiffe von Monaten voraus ausverkauft seien, wir wollen uns dieser Tage erkundigen, ob es wirklich an dem ist, hoffentlich nicht. Wir geben Dir dann Nachricht hierüber. Heute schrieb uns Alfred, er ist mit seiner Frau für dauernd nach London gegangen und will seine Mutter u.s.w. später nachkommen lassen. Er schrieb, Du hättest ihm auch geschrieben, wir würden wohl bald abreisen können zu Dir, der 1. Gott mag es geben, daß es wahr wird. Er ist ein lieber, herzlicher Junge, wir haben ihn sehr gern. Hat Franklin Dir geantwortet? Artur hat auch an ihn geschrieben. Ich möchte nun mal sehr gerne wissen, wie hoch denn eigentlich die zweite Bürgschaft ist? Du schriebst sogar noch von einer dritten. Es muß natürlich jetzt alles daran gesetzt werden, bald zu Dir zu kommen. Wir wohnen bei Steinhardt auf einem Zimmer, es genügt ja bis zur Auswanderung vollständig. St. sind sehr nett zu uns, wie Du Dir ja denken kannst, wir sind meistens bei ihnen in der Wohnung, die alte Freundschaft hat sich bewährt, Du kennst sie ja auch und warst ja schon hier in ihrer Wohnung, als Du Dich verabschiedetest, wir haben das Zimmer, wenn man von der Treppe heraufkommt geradeaus. Geliebtes Kind, was bin ich so glücklich, daß Paula wieder bei mir ist. Sie sieht G. s. D. sehr gut aus, mag tüchtig essen und viel schlafen. Onkel Ernst schrieb uns heute auch, er ist sehr zufrieden mit seiner neuen Stellung. Wie geht es denn Onkel dort? Ich mache mir so große Sorgen um Dein Auskommen. Warum schreibst Du denn darüber nicht etwas ausführlicher? Wohnst Du mit Marta zusammen? Wo ißt Du denn? Hast Du auch dort schon Bekannte getroffen? Wenn [wir] nur erst bei Dir wären, das ist jetzt unsere ganze Sorge und sind unsere ganzen Gedanken. Ernst kann froh sein, ob seine Frau überhaupt zu ihm geht, ich glaube da noch nicht so recht dran. Wir erwarten dieser Tage Post von Dir, wir sind sehr neugierig auf Deinen 1. Brief. Einmal muß doch alles gut werden und zum Klappen kommen, ich bete täglich darum, einmal muß der 1. Gott mich doch erhören. L. Kind, wie kommst Du denn mit Deiner Wäsche und Kleidung zurecht? Halte Dich nur recht warm, das ist die Hauptsache, gesund zu bleiben. Du hast Dir doch wohl inzwischen Wäsche gekauft? Von Irma haben wir schon ewig nichts mehr gehört, auch von Ilse in M. Gladbach nicht. Kommt Irma mit Mann denn bald nach dort? M. Gladbach möchte wohl gerne auch nach dort? Martin wollte doch evt. die Bürgschaft von ihnen übernehmen, sie zeigten uns damals seinen Brief, worin er es schrieb. Also, geliebtes Kind, bleibe recht gesund, hoffentlich ist unser Wiedersehen nicht mehr so fern.

Sei für heute 1000 mal gegr. + geküßt von Deiner Dich immer sehr lieb.

Mutter

Fußnoten

[1] Amalie (*1889) und Paul (*1885) Malsch lebten in Düsseldorf. Paul Malsch wurde am 10.11.1938 verhaftet und nach mehreren Tagen im Polizeigefängnis Düsseldorf ins KZ Dachau verschleppt. Am 23.12.1938 wurde er entlassen. Am 27.10.1941 wurde das Ehepaar Malsch mit dem ersten Düsseldorfer Transport nach Lodz deportiert und 1942 in Chelmno ermordet. Der 1913 geborene Sohn Walter war 1935/36 nach Großbritannien und von dort 1937 in die USA emigriert.

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