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Chronik und Quellen
1938
Januar 1938

Januar 1938

Zum Jahreswechsel richtete Adolf Hitler unter dem Motto „Stärkung der Nation auf allen Gebieten“ eine Neujahrsbotschaft an die deutsche Bevölkerung. Innerhalb von fünf Jahren, so hieß es darin, sei ein „politisch, moralisch und materiell geschlagenes, von tiefem Jammer erfülltes Volk“ wieder „zu einer stolzen Größe emporgeführt worden“. Die ausgerufene „Stärkung der Nation“ erfordere innenpolitisch die „Stärkung der nationalsozialistischen Erziehung“ und eine „Erhärtung der nationalsozialistischen Organisationen“, wirtschaftspolitisch die konzentrierte Durchführung des Vierjahresplans und außenpolitisch den Ausbau der Wehrmacht. Das alles, so Hitler gewohnt scheinheilig, diene der Friedenssicherung. „Denn nur als starker Staat glauben wir, in einer so unruhevollen Zeit unserem Volk jenes Gut auch in Zukunft erhalten zu können, das uns das köstlichste erscheint: den Frieden. Denn die Wiederaufrichtung der deutschen Nation erfolgt ohne jeden Angriff nach außen.“

Nicht nur nach außen, sondern auch nach innen ließ das NS-Regime die Muskeln spielen und optimierte sein Instrumentarium zur Verfolgung von Gegnern. Am 25. Januar verfügte der Reichsinnenminister nämlich eine Neuregelung zur Verhängung der Schutzhaft. Sie konnte fortan „zur Abwehr aller volks- und staatsfeindlichen Personen angeordnet werden, die durch ihr Verhalten den Bestand und die Sicherheit des Volkes und Staates gefährden“ würden, womit der potenzielle Kreis der von Schutzhaft Bedrohten erheblich ausgeweitet wurde. Künftig waren hiervon nicht mehr ausschließlich in den Augen des NS-Regimes politische Vergehen betroffen, sondern auch „Asoziale“ und andere unliebsame Personen konnten von dieser durch das Geheime Staatspolizeiamt (Gestapa) in Berlin zu verhängenden Maßnahme erfasst werden. Die erweiterte Form der Schutzhaft war „grundsätzlich in staatlichen Konzentrationslagern zu vollstrecken“, während die bisherige im Polizeigefängnis abzusitzende Haftform auf zehn Tage begrenzt und in „vorläufige Festnahme“ umbenannt wurde.

Zum Monatsende wurde der sportbegeisterte Teil der deutschen Bevölkerung geschockt, als der beliebte und erfolgreiche 28-jäjhrige Autorennfahrer Bernd Rosemeyer am 28. Januar bei dem Versuch, auf der Autobahn Frankfurt-Darmstadt einen neuen Geschwindigkeitsrekord aufzustellen, tödlich verunglückte. Die Leiche Rosemeyers, der in der SS den Rang eines Hauptsturmführers bekleidete, wurde am 30. Januar nach Berlin überführt, wo er am 1. Februar beigesetzt wurde.

Verdrängung und Vernichtung der jüdischen Bevölkerung

Das neue Jahr begann gleich mit einer neuerlichen Ausgrenzung: Ab dem 1. Januar durften Jüdinnen und Juden nicht mehr Mitglieder im Roten Kreuz sein. Außerdem brachte der Monatsbeginn auch erste Erfahrungen mit der Abschiebung ganzer Gruppen: Am 5. Januar ordnete Heinrich Himmler als „Reichsführer SS und Chef der deutschen Polizei“ an, dass die rund 500 sich im Reichsgebiet aufhaltenden Juden mit sowjetischer Staatsbürgerschaft binnen 10 Tagen auszuweisen seien. Jene, denen von sowjetischer Seite die Einreise verweigert werde, sollten bis zur „Regelung ihrer Angelegenheit“ in Konzentrationslager eingewiesen werden.

Das NS-Regime versuchte zugleich auch, jedes noch so indirekte öffentliche Aufscheinen von Judentum aus dem deutschen Alltag zu eliminieren bzw. es als solches deutlich fassbar zu machen. Am 8. Januar wurde ein Gesetz über die Änderung von Familiennamen und Vornamen erlassen, das er ermöglichte, vor dem 30. Januar 1933 genehmigte Namensänderung auf Wunsch bis Ende 1940 zu widerrufen. Dadurch sollte erreicht werden, dass assimilierte Juden, die einen in NS-Augen als „typisch jüdisch“ geltenden Nachnamen abgelegt hatten, sich auf diese Weise weiterhin „tarnen“ konnten. Zugleich sollte aber auch „Ariern“, die als solche Namen trugen, die Möglichkeit zu geben, diese abzulegen.

Mitte des Monats wurde dann auch die Ausgrenzung der jungen jüdischen Generation weiterbetrieben, als der Reichserziehungsminister am 18. Januar anordnete, dass jüdische Schüler*innen ihre Reifeprüfung nur noch an jüdischen Privatschulen unter staatlicher Aufsicht ablegen dürfen. Im Zeugnis musste anschließend - als weiteres Mittel der Diskriminierung - ausdrücklich vermerkt werden, dass sie eine jüdische Schule besucht hatten.

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