Richtlinien zur Durchführung der Deportationen
Die folgenden, (vermutlich) am 31. Januar 1942 verabschiedeten "Richtlinien zur technischen Durchführung der Evakuierung von Juden in das Generalgouvernement (Trawmki bei Lublin)" des Reichssicherheitshauptamts trafen bei der Gestapo Würzburg erst am 22. März 1942 ein:
Richtlinien zur technischen Durchführung der Evakuierung von Juden in das Generalgouvernement (Trawniki bei Lublin)
Für die Evakuierung von Juden aus dem Reichsgebiet und dem Protektorat Böhmen und Mähren in das Generalgouvernement werden folgende Richtlinien, die in allen Punkten genau einzuhalten sind, aufgestellt:
I. Zuständige Evakuierungsdienststellen:
Für das Altreich: Die örtlichen Staatspollzei-(leit)stellen. (Für Wien wie bisher die Zentralstelle für jüdische Auswanderung Wien in Zusammenarbeit mit der Staatspolizeileitstelle Wien).
Für das Protektorat Böhmen und Mähren: Die Zentralstelle für jüdische Auswanderung Prag in Zusammenarbeit mit den Staatspolizei-(leit)stellen Prag bezw. Brünn.
Aufgabe dieser Dienststellen ist neben der Konzentrierung und der personellen Erfassung des zu evakuierenden Personenkreises der Abtransport dieser Juden mit Sonderzügen der Deutschen Reichsbahn gemäß dem vom Reichssicherheitshauptamt im Benehmen mit dem Reichsverkehrsministerium aufgestellten Fahrplan und die Regelung der vermögensrechtlichen Angelegenheiten.
II. Bestimmung des zu evakuierenden Personenkreises:
Erfaßt werden können im Zuge dieser Evakuierungsaktion alle Juden (§ 5 der 1. Verordnung zum Reichsbürgergesetz vom 14.11.1935, RGBl. I, S 1333), abgesehen von vorerst folgenden Ausnahmen:
1./ In deutsch-jüdischer Mischehe lebende Juden.
2./ Juden ausländischer einschließlich der sowjetrussischen Staatsangehörigkeit (ausgenommen staatenlose Juden sowie Juden mit ehemals polnischer und luxemburgischer Staatsangehörigkeit).
3./ Im geschlossenen kriegswichtigen Arbeitseinsatz befindliche Juden, für die eine Zustimmung zur Evakuierung seitens der zuständigen Rüstungskommandos (Rüstungs-Inspektionen) sowie der Landeswirtschaftsämter und Arbeitsämter aus wehrwirtschaftlichen Gründen z.Zt. nicht gegeben werden kann. (Die sich daraus ergebenden vorläufigen Zurückstellungen sind jedoch im Einvernehmen mit diesen Stellen auf ein tragbare e Mindestmaß zu beschränken).
4./ Juden
a) im Alter von über.65 Jahren,
b) im Alter von 55 - 65 Jahren, die besonders gebrechlich und völlig Transport unfähig sind.
Bei jüdischen Ehen, in denen ein Eheteil unter 65 Jahre und der andere über 65 Jahrs alt ist, können beide Teile dann evakuiert werden, wenn der in Frage kommende Eheteil nicht älter als 67 Jahre ist und ein amtsärztliches Zeugnis für die Arbeitsfähigkeit dieses Eheteiles erbracht werden kann. Weitere Ausnahmen sind auf keinen Fall zulässig. (Für die auf Grund des Alters nicht zu evakuierenden Juden ist später gesonderte Regelung vorgesehen).
Jüdische Rechtskonsulenten sind nur in einem entsprechenden Verhältnis zur Zahl der zunächst verbleibenden Juden zu erfassen.
Ehetrennung sowie Trennung von Kindern bis zu. 14 Jahren von den Eltern ist- zu vermeiden.
III. Transport.
Es empfiehlt sich, die zu evakuierenden Juden vor dem Abtransport zu konzentrieren. Transporte werden jeweils in Stärke von je 1.000 Juden (stärkere Belegung ist unzulässig) nach dem im Einvernehmen mit dem Reichsverkehrsministerium erstellten Fahrplan, der den beteiligten Dienststellen zugeht, durchgeführt.
Es muß pro Person mitgenommen werden:
Zahlungsmittel RM 50.- in Reichskreditkassenscheinen oder 100 Zloty
Ein Koffer oder Rucksack mit Ausrüstungsstücken (kein sperrendes Gut)
Vollständige Bekleidung (ordentliches Schuhwerk)
Bettzeug mit Decke
Verpflegung für 2 Wochen (Brot, Mehl, Graupen, Bohnen)
Essgeschirr (Teller oder Topf) mit Löffel
Nicht mitgenommen werden dürfen:
Wertpapiere, Devisen, Sparkassenbücher usw.
Wertsachen jeder Art (Gold, Silber, Platin - mit Ausnahme des Eheringes),
Lebendes Inventar,
Lebensmittelkarten (diese sind vorher abzunehmen und den örtlichen Wirtschaftsämtern zu übergeben).
Vor Abgang der Transporte ist eine Durchsuchung nach Waffen, Munition, Sprengstoffen, Gift» Devisen,. Schmuck, usw. vorzunehmen.
Die Transporte sind so zusammenzustellen, daß sie eine möglichst gleichmässig verteilte Altersgliederung aufweisen.
Die Bezirksstellen der Reichsvereinigung (bezw. Kultusgemeinden) können nach Maßgabe für die Vorbereitung und Durchführung der Transporte herangezogen werden.
Für die ordnungsgemässe Durchführung der Transports ist jeweils eine jüdische Transportleitung zusammenzustellen, die von sich aus für jeden Waggon einen mit einer Armbinde gekennzeichneten Ordner zu bestimmen hat. Diese Ordner sind für die Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung während der Fahrt und die Reinigung der Abteile nach Verlassen des Zuges verantwortlich. Der jüdischen Transportleitung, die im ersten Waggon untergebracht wird, ist ein Jüdischer Arzt bezw. Sanitäter mit Sanitätsmaterial zuzuteilen.
Bei Abmeldung der Juden ist in den Melderegistern der Meldeämter nicht der Zielort, sondern lediglich "unbekannt verzogen" bezw. "ausgewandert" anzuführen.
IV. Transportbegleitung:
Jedem Transportzug ist eine entsprechend ausgerüstete Begleitmannschaft (in der Regel Ordnungspolizei in Stärke von 1 Führer und 15 Mann) zuzuteilen. Bezüglich der Ausrüstung des Begleitkommandos wurde an die Stellen der Ordnungspolizei seitens des Hauptamtes Ordnungspolizei ein diesbezüglicher Erlaß herausgegeben (Anlage 4).
Dem Führer der Begleitmannschaft muß eine für die den Transport empfangende Dienststelle bestimmte namentliche Liste der mitgeführten Personen in zweifacher Ausfertigung ausgehändigt werden. Eine weitere Ausfertigung dieser Transportliste ist dem Reichssicherheitshauptamt - Ref. IV B 4 - sofort nach Abgang des Transportes vorzulegen. In der Transportliste sind ausser Personaldaten auch die Berufe anzuführen.
V. Aufnahme.
Für die Aufnahme der Evakuierten im Generalgouvernement ist der Befehlshaber der Sicherheitspolizei und des SD in Krakau zuständig, der sich zur Durchführung der Aufnahme der Dienststellen des SS- und Polizeiführer im Distrikt Lublin bedient.
VI. Meldewesen.
Die von der Reichsbahn ausgearbeiteten Fahrpläne (Abfahrtszeiten) sind verbindlich und können nicht mehr abgeändert werden; sie sind daher von den abfertigenden Dienststellen genau einzuhalten. Ebenso sind die an Hand der Fahrpläne abgestellten Sonderzüge restlos auszunutzen.
Die Abfahrt jedes Transportzuges ist sofort mit dringendem Fernschreiben oder Telegramm nach beiliegendem Muster (Anlage 1)
a. der Reichssicherheitshauptamt, Referat IV B 4,
b. dem Befehlshaber der Sicherheitspolizei und des SD, SS-Oberführer Dr. Schöngarten, Krakau,
c. dem SS- und Polizeiführer im Distrikt Lublin, SS-Brigadeführer Globocnik, Lublin,
bekanntzugeben
Das Eintreffen der Transporte und die ordnungsgemässe Übernahme am Zielort wird von der empfangenden Dienststelle (SS- und Polizeiführer im Distrikt Lublin) mit Fernschreiben oder Telegramm nach beiliegendem Muster (Anlage 2) dem Reichssicherheitshauptamt, Referat IV B 4, mitgeteilt.
Nach Abschluß der Gesamt-Aktion ist dem Reichssicherheitshauptamt sowohl von der abfertigenden Dienststelle als auch von der empfangenden Dienststelle Gesamtbericht mit zahlenmässigen Unterlagen (Geschlechts-, Alters- und Berufsgliederung) vorzulegen.
VII. Kosten der Evakuierung.
Die Verrechnung der durch die Evakuierung entstehenden Kosten ist mit Erlaß II C 1/2 - Nr. 650/41-238-10- vom 10.1.1942 (siehe Anlage 3 und 4) geregelt.
Für die Behandlung des Vermögens dar Evakuierten ergehen gesondert Weisungen.
Zusatz für das Hauptamt Ordnungspolizei:
Die vorstehende Regelung über die Tragung der Reisekosten für die Begleitkommandos der Ordnungspolizei habe ich auf Grund Ihres Schreibens vom 4.10.1941 - Kdo g 2 (0 1) Nr. 514/41 (g) - getroffen, obwohl eine Kostenerstattung zwischen Dienststellen der Sicherheitspolizei und der Ordnungspolizei nicht üblich ist. Ich bitte daher zu prüfen, ob nicht die der Ordnungspolizei bei Evakuierungen entstehenden Kosten unmittelbar von den Staatlichen Polizeiverwaltungen beim Haushalt der Ordnungspolizei verrechnet werden können. Für entsprechende Unterrichtung der nachgeordneten Dienststellen wäre ich dankbar.
Im Auftrage:
gez.: Dr. Siegert. •