„Polenaktion“ in Bochum
Ottilie Schönwald, bis 1938 Präsidentin des örtlichen Jüdischen Frauenbundes, berichtete als Augenzeugin über die Geschehnissen in Bochum:
„Am Bahnhof war schon eine wimmelnde Masse aufgeregter, weinender, schreiender Frauen und Kinder versammelt, und immer neue Lastautos fuhren an und >schütteten< förmlich ihre Elendlast auf den Vorplatz. Bochum war Sammelstelle für die umliegenden kleinen und auch größeren Ortschaften mit vorwiegend Arbeiterbevölkerung. [...] Es war nicht schwierig festzustellen, daß aus manchen Gemeinden die Frauen und Kinder aus den Betten geholt worden waren. [...] Ein steinalter, gelähmter Mann war mir schon lange aufgefallen; er und ein anscheinend hochfieberndes junges Mädchen waren bestimmt nicht transportfähig. Selbst der herbeigerufene Nazi-Arzt musste das unwillig feststellen, aber beide weigerten sich, ins Krankenhaus zu gehen, und bestanden darauf, bei ihren Leuten zu bleiben. Der Wutausbruch des jungen Arztes äußerte sich dahin (dem Sinn nach, die Worte sind mir entfallen), daß man ihn wegen des >Judenpacks< nicht hätte zu behelligen brauchen. Daraufhin sagte ich ihm (ebenfalls dem Sinn nach), daß ich die Verantwortung für seine Belästigung trüge, und zwar weil ich geglaubt habe, dies sei eine beabsichtigte Ausweisung von unerwünschten Juden, aber kein Todesurteil: Wenn aber die Leute freiwillig mitgehen wollten, weil sie den Tod einem Zurückbleiben in Deutschland vorzögen, so könne ich das gut verstehen.“