August 1933
Nachdem im Juli durch zahlreiche Gesetze und begleitende Maßnahmen der NS-Staat formal weitgehend etabliert worden war, folgten im August erste Versuche, auch das öffentliche Verhalten entsprechend umzustellen, um so die gesamte Gesellschaft auf dem Weg zur „Volksgemeinschaft“ mit NS-Gedankengut zu durchdringen. So wurde der „Deutsche Gruß“ am 8. August zwischen Lehrern und Schülern für verbindlich erklärt, nachdem Innenminister Frick bereits am 14. Juli Reichsbehörden und Landesministerien zur dessen Entbietung verpflichtet hatte und auch Reichsbahn und Reichspost dieser Anweisung gefolgt waren. Am 16. August wurde die Regelung auch in der preußischen Polizei und am 22. August in den deutschen Industriebetrieben eingeführt. Damit war der „Hitler-Gruß“ in weiten Teilen des öffentlichen Lebens obligatorisch.
Ansonsten dominierten aber weiterhin restriktive Maßnahmen. So wurde Frauen – vermutlich nicht ohne reichsweite Auswirkungen – von der Breslauer NSDAP-Kreisleitung am 7. August der Zutritt zu Parteiveranstaltungen grundsätzlich verboten; am 19. August folgte in Erfurt ein Verbot des Polizeipräsidenten, das ihnen das Rauchen in Gaststätten untersagte. Weitreichendere Folgen dürfte jedoch das Gesetz über den Strafvollzug und das Gnadenrecht vom 2. August gehabt haben, das den Strafvollzug in Preußen erheblich verschärfte. Künftig sollte, so Staatssekretär Roland Freisler, auf die „übertriebene Humanität“ der Weimarer Republik verzichtet werden. Die Strafbedingungen müssten stattdessen so gestaltet werden, dass Inhaftierte nach ihrer Entlassung alles daransetzen würden, nie mehr ein Gefängnis von innen zu sehen.
Andere schloss man gleich völlig von einer Teilnahme am Leben in Deutschland aus: Am 23. August entzog Innenminister Frick auf der Grundlage des am 14. Juli verabschiedeten „Gesetzes über die Ausbürgerung“ 33 prominenten und emigrierten NS-Gegnern die deutsche Staatsbürgerschaft. In dem Gesetz hieß es: „Reichsangehörige, die sich im Ausland aufhalten, können der deutschen Staatsangehörigkeit für verlustig erklärt werden, sofern sie durch ein Verhalten, das gegen die Pflicht und Treue gegen Reich und Volk verstößt, die deutschen Belange geschädigt haben.“
Zugleich sahen sich die in Deutschland ausharrenden Juden weiterhin einer stetig verstärkten Diskriminierung ausgesetzt. So wurde ihnen am 4. August als erster größerer Stadt in Nürnberg der Zugang zu öffentlichen Badeanstalten und dem Stadion untersagt; ein Beispiel, dem bald weitere Kommunen folgen sollten. Ebenfalls im August wurden alle jüdischen Gäste von der Nordseeinsel Juist verbannt, während es auf der Nachbarinsel Norderney hieß: „Eine deutsche Frau tanzt nicht mit einem Juden.“
Der größte Teil der deutschen Bevölkerung aber interessierte sich wohl weitaus stärker für anderes, etwa dafür, dass Hitler am 6. August die Arbeitsbeschaffung als wichtigste aktuelle Aufgabe in Deutschland definiert hatte, woraufhin der Oberpräsident der Provinz Ostpreußen seinen Verwaltungsbereich am 15. August prompt als „arbeitslosenfrei“ meldete. Allerdings war das nur dadurch erreicht worden, dass die Arbeitslosen zu zumeist unnötigen und schlecht bezahlten Erdarbeiten zwangsverpflichtet worden waren.
Als Propagandaminister Goebbels am 18. August die 10. Funkausstellung in Berlin eröffnete, ergab sich für viele Deutsche perspektivisch die Möglichkeit, am expandierenden deutschen Rundfunkwesen zu partizipieren. Goebbels stellte zu diesem Anlass nämlich den neuentwickelten „Volksempfänger“ vor, mit dessen Hilfe der von ihm als „achte Großmacht“ bezeichnete Rundfunk als Instrument der NS-Propaganda massiv ausgebaut werden sollte. Auf den Druck des Propagandaministeriums hin hatten sich 28 Hersteller zur „Wirtschaftsstelle für Rundfunkapparatefabriken“ zusammengeschlossen und den 76 RM teuren und an den Tag der Machtübernahme erinnernden „VE 301“ entwickelt. Bis zum Jahresende wurden aufgrund massiver Werbung und Drucks bereits 680.000 Geräte verkauft.
Angesichts solcher Nachrichten dürften es viele wohl nur am Rande registriert haben, dass am 15. August in Berlin und anschließend im gesamten Reichsgebiet im Rahmen einer großen Luftschutzkampagne die Säuberung der Dachböden in Angriff genommen wurde. Auch der Erlass des preußischen Kultusministers Rust, mit dem am 26. August die Hitlerjugend neben Elternhaus und Schule zur dritten zentralen Erziehungsinstanz erklärt wurde, wurde vom Großteil der deutschen Bevölkerung wohl eher als Randnotiz wahrgenommen.