Die Gestapo Koblenz berichtet
Die Gestapo Koblenz berichtete über den Monat Februar 1935:
„Auch auf dem Gebiete des Judenboykotts zeigt sich vielfach ein Mangel an einheitlicher Leitung. Die Bemühungen der Behörden, den Erlassen der Reichsregierung gemäß die Auswüchse bei der wirtschaftlichen Boykottierung des Judentums einzudämmen, stoßen in den Kreisen der Partei und der national-sozialistisch eingestellten Bevölkerung durchweg auf Ablehnung. Es muß auf die Dauer der Autorität der Behörden abträglich sein, wenn von den unteren Parteiorganen fortgesetzt und zwar bewußt die Anordnungen der Regierung übertreten werden. Es wäre dringend zu wünschen, wenn auch in dieser Frage von der Bewegung und den Staatsbehörden einheitlich vorgegangen würde.“
„Die in den letzten Lageberichten bereits erwähnte rührige Tätigkeit der jüdischen Organisationen hielt auch im Berichtsmonat weiter an. Bekannt geworden sind auch zwei Fälle, in denen Juden Grundbesitz von christlichen Eigentümern erworben haben. Bei der Bevölkerung der betr. Gemeinden löste dies Empörung aus, ohne dass es zu Ausschreitungen gekommen ist. Ein bei der Stapo fernmündlich gestellter Antrag, dem Notar die Tätigung des Kaufaktes bezw. dem Grundbuchrichter die Umschreibung zu untersagen, ist dahin beantwortet worden, dass zu einem solchen Vorgehen eine rechtliche Unterlage zur Zeit noch fehle. Im Einvernehmen mit dem Regierungspräsidenten wird es für erwünscht gehalten, dass erwogen wird, den Erwerb von Grundbesitz durch Juden gesetzlich zu verbieten.
Die jüdischen Veranstaltungen wurden sämtlich überwacht. Sie gaben zu Beanstandungen keinen Anlass.
Unter den im Judentum miteinander ringenden Strömungen scheinen die Zionisten langsam an Boden zu gewinnen. Nachdem durch die Erlasse des Gestapa vom 10.2.35 - II 1 B 2 - 60934/J. 191/35 - und vom 12.2.35 - II 1 B 2 - 61250/J. 195/35 - den Juden jede Propaganda für ein Verbleiben in Deutschland und das Zeigen der Reichsflaggen an ihren Wohnungen und Häusern untersagt worden ist, hat sich der überwiegende Teil der Juden offenbar damit abgefunden, dass das Schicksal des deutschen Judentums auf Jahrzehnte hinaus entschieden ist. Vor allem das Flaggenverbot hat in den jüdischen Bevölkerungskreisen grosse Bestürzung hervorgerufen. Die Zionisten setzen daher ihre Werbetätigkeit in verstärktem Masse fort und empfehlen, vor allem der jüdischen Jugend, die Auswanderung nach Palästina. Auf der anderen Seite entfalten jedoch auch der Zentralverein deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens und der Reichsbund jüdischer Frontsoldaten im geheimen und in versteckter Form nach wie vor eine rege
Propaganda für ein Verbleiben in Deutschland. Die Voraussetzungen für das Verbleiben in Deutschland versucht man zunächst von der wirtschaftlichen Seite her zu schaffen. Aus allen Teilen dos Bezirks wird berichtet, dass die Juden im Stillen planmässig und mit sichtlichem Erfolge bemüht sind, die ihnen verloren gegangenen Wirtschaftsgebiete wieder zurück zu erobern, indem sie die Preise ihrer arischen Konkurrenten unter- bezw. überbieten. Dies gilt insbesondere für die jüdischen Metzger und für die jüdischen Viehhändler. Aus bäuerlichen Kreisen hört man immer wieder, dass die von den jüdischen Händlern angelegten Preise von den arischen Viehhändlern nicht zu erlangen seien.
Die Beschwerden der Judenschaft über unzulässige Boykottierung halten an. Sie richten sich in den meisten Fällen gegen das Anbringen von Aufschriften mit dem Inhalt "Kauft nicht bei Juden", "Juden und Judenknechte unerwünscht“, „Die Juden sind unser Unglück", "Ohne Lösung der Judenfrage keine Erlösung des deutschen Volkes" u.ä.
Auch im Berichtsmonat wurden Einzelfälle bekannt, in denen jüdische Geschäfte zwecks Feststellung der in ihnen anwesenden Käufer von Partei- und SA-Angehörigen kontrolliert wurden. Soweit die Beschwerden begründet waren, ist in allen Fällen Abhilfe geschaffen worden. Die betr. Landräte sind angewiesen, im Benehmen mit der Kreisleitung der NSDAP und den örtlichen Führern der SA und SS daraufhin zu wirken, dass sich derartige unzulässige öffentliche Boykottierungen in Zukunft nicht wiederholen.
Noch immer ist zu beobachten, dass einzelne deutsche Frauen und Mädchen mit Juden intimen Verkehr unterhalten. Erfreulicherweise mehren sich jedoch die Anzeichen, die darauf hindeuten, dass das Gefühl der Bevölkerung für die grosse Bedeutung der Reinerhaltung der Rasse im Wachsen begriffen ist. So kam es z.B. am 23. v.Mts. in Simmern (Kreis Simmern) zu lebhaften Demonstrationen gegen die dort ansässige jüdische Bevölkerung, nachdem bekannt geworden war, dass der jüdische Viehhändler Max Israel in Simmern sich einem arischen jungen Mädchen in unsittlicher Weise genähert hatte. Bedauerlicherweise hatten diese Demonstrationen zur Folge, dass an mehreren jüdischen Häusern durch Einwerfen von Fensterscheiben erheblicher Sachschaden angerichtet worden ist.“