Die Gestapo Düsseldorf berichtet
Die Gestapo Düsseldorf berichtete über den Monat März 1935:
„Die anfänglich und hin und wieder auch noch im Jahre 1934 beobachtete Zurückhaltung der Juden ist teilweise im Schwinden begriffen. Gegenüber behördlichen Verboten fällt Zähigkeit und Wiederholung immer neuer Versuche zur Erreichung der angestrebten Ziele auf. Es ist die Beobachtung gemacht worden, daß die jüdischen Kriegsteilnehmer fast ausnahmslos das Ehrenkreuz beantragt haben und dieses sogar auf dem Mantel tragen, um sich so auch nach außen hin als Kriegsteilnehmer zu kennzeichnen. Auch ist verschiedentlich aufgefallen, daß Mitglieder des Reichsbundes Jüdischer Frontsoldaten den deutschen Gruß anwenden. Vermutlich ist die Anregung hierzu von der Bundesleitung des R.J.F. gegeben worden.
Ein übler jüdischer Propagandaversuch, der gleichzeitig als Verhöhnung eines nationalsozialistischen Verlages angesehen werden muß, leistete sich die Firma „Zeitungen und Zeitschriften-Zentrale“, Inhaber Rudolf Kusch, Rathenow, Berlinerstr. 12, die an den Verlag der nationalsozialistischen Zeitung „Die Braune Post“ angeblich 30 nicht verkaufte Stücke der Braunen Post zur Gutschrift zurücksandte. Bei Durchsicht der Sendung stellte sich heraus, daß nur 21 Stücke der Braunen Post dabei waren, die restlichen 9 Nummern waren Exemplare der zionistischen Zeitung „Jüdische Rundschau“.
Dieses auffallende, z.T. brüskierende Benehmen weiter Judenkreise löste auch in der Berichtszeit wieder Gegenaktionen aus. So z.B. wurden in Wesel an vielen jüdischen Geschäften Handzettel mit folgenden Aufschriften angebracht:
1.) „Straßenkehrer, das wird der Jude nie, nie gibt er sich her als Arbeitsvieh; Nichtjuden tragen schweißiges Geld zum Juden, ‚So blöd!’ das Herz möcht einem bluten!“
2.) „Wer bei Juden kauft, ist Volksverräter!“
3.) „Warum sehen so viele Hornochsen niemals ein, daß der Jude nur von der Arbeit nichtjüdischer Dummköpfe lebt?“
In Oberhausen und Mülheim wurden in jüdischen Geschäften Handzettel mit der Aufschrift: „Wer bei Juden kauft, ist ein Volksverräter“, angeklebt. In der Mitte der Handzettel war ein karikiertes Judengesicht angebracht.
Zu einem größeren Protest gegen Juden kam es anläßlich der Veranstaltung des jüdischen Kulturbundes Rhein-Ruhr in der Stadthalle zu W.-Elberfeld, die zum Gedächtnis des verstorbenen Malers Liebermann durchgeführt wurde. Gleichzeitig zur vorbenannten Veranstaltung fand im großen Saale der Halle eine Versammlung sämtlicher Amtswalter und Helfer der NSV. des Kreises Wuppertal statt. Um einen Zusammenstoß zwischen Teilnehmern beider Veranstaltungen zu vermeiden, hatte der Ortsgruppenleiter vorsorglich veranlaßt, daß der Ausgang des Saales, in dem die Juden tagten, durch SS.-Männer solange geschlossen gehalten blieb, bis die Angehörigen der NSV. die Stadthalle verlassen hatten. Trotz dieser Vorsichtsmaßregel kam es in den Wandelgängen zu lebhaften judenfeindlichen Kundgebungen mit Ausrufen wie: „Juden heraus!“, „Stinkjuden“ „Juda verrecke“ usw. Gegen den Pächter der Stadthalle, der diese beiden Veranstaltungen zu gleicher Zeit zugelassen hatte, wurden von der nationalsozialistischen Presse schwerste Vorwürfe erhoben, sodaß die Stadtverwaltung dazu überging, ihm den Pachtvertrag zu kündigen. Die Erregung in der Bevölkerung über die gleichzeitige Zulassung dieser großen jüdischen Kundgebung mit der Tagung der Amtswalter und Helfer der NSV. war außerordentlich groß. Darin ist wohl auch der Grund zu den nachträglichen judenfeindlichen Kundgebungen zu suchen, die sich darin zeigten, daß die Namen der jüdischen Ärzte an verschiedenen Stellen der Stadt durch Plakate angeprangert wurden. Die Bevölkerung wurde aufgefordert, diese Ärzte nicht in Anspruch zu nehmen. Desgleichen wurden die Schaufensterscheiben einiger jüdischer Geschäfte mit roter Farbe bestrichen und teilweise mit der Aufschrift „Jude“ versehen.
Das Verbot des Hissens der Reichsflaggen hat, wie bereits im Vormonat berichtet, in der Judenschaft großes Aufsehen und Bestürzung hervorgerufen. Insbesondere am Volkstrauertag erfolgen reiche Beschwerden von jüdischen Kriegsteilnehmern, die es nicht verstehen konnten, daß ihnen auch das Hissen der schwarz-weiß-roten Fahne verboten war. Die Durchführung des Erlasses stößt insofern auf Schwierigkeiten, als die fast ausschließlich christlichen Belegschaften größerer Werke und Kaufhäuser verlangen, daß die Reichsfahnen bei besonderen Anlässen auf ihren Betrieben gehißt werden. Sie führen an, daß durch das Hissen der Fahnen die Belegschaft – und nicht der jüdische Inhaber – ihre Volksverbundenheit zeigen wolle. Auch die Geschäftsführer des Warenhauses Kaufhof (früher Tietz) erhoben mit der Begründung Einspruch, daß es sich nach der Umbenennung der Firma „Tietz“ in „Kaufhof“ und Ausscheiden der jüdischen Teilhaber und Aufsichtsratsmitglieder nicht mehr um ein jüdisches Unternehmen handele.
Die jüdischen Vereinigungen haben im Berichtsmonat eine noch regere Tätigkeit entfaltet als in den Vormonaten. Diese Erscheinung ist wohl in der Hauptsache auf die Abhaltung der Purim-Feiern zurückzuführen. So z.B. haben in Essen allein in einer Woche (19.-25.3.1935) 5 religiöse Feiern stattgefunden. Außerdem fand noch eine jüdische Ärztebesprechung statt, bei der Dr. Selo – Köln – einen Vortrag über das Thema: „Die Entwicklung des Ärzterechts“ hielt. Der Vortragende erläuterte kurz den organisatorischen Aufbau der K.V.D. (Kassenärztliche-Vereinigung Deutschlands). Den Anwesenden wurde der Beitritt zu dieser Vereinigung empfohlen, da in Zukunft nur diejenigen Ärzte zur Ausübung der Praxis berechtigt seien, die der K.V.D. angehören. Weiter machte der Redner zahlenmäßige Angaben über die Mitgliederbewegung der in Deutschland ansässigen nichtarischen Ärzte. Hiernach befinden sich z.Zt. 6000 approbierte jüdische Ärzte innerhalb des Reichsgebietes, von denen 3600 zugelassen sind. 1700 sind ausgewandert, davon 600 nach Palästina, die anderen nach Nordamerika, Frankreich und anderen Staaten. Es wurde vom Redner vermerkt, daß für die derzeitigen nichtarischen Medizinstudenten gesetzlich keine Möglichkeit bestehe, das Staatsexamen abzulegen und zur K.V.D. zugelassen zu werden. In seinem Schlußwort wies Dr. Selo darauf hin, daß man betr. des § 218 des R.St.G.B. noch zu keiner endgültigen Klärung gekommen sei. Auf Grund des Erbgesundheitsgesetzes sei aber bereits in einem Falle die Schwangerschaft zur Erhaltung der Rassenreinheit unterbrochen worden.
Die Liebermann-Feier in W.-Elberfeld, die von der jüdischen Kulturgemeinde Rhein-Ruhr veranstaltet wurde, war von fast 500 Juden, darunter 300 Frauen, besucht. Der Redner, Dr. Max Osborn, Berlin, führte aus, daß Liebermann ein Stück des Judentums von Weltgeltung gewesen sei. Liebermann sei wohl der größte jüdische Künstler, der je in Deutschland gelebt habe. Der Redner gab zum Schluß an Hand zahlreicher Lichtbilder einen Abriß der Entwicklung der Liebermann’schen Kunst.
Der Jugendleiter Dr. Salomon aus Köln erwähnte u.a. in einer Versammlung des R.J.F. in Remscheid folgendes: Nach den jetzt vorliegenden Zahlen seien etwa 100 000 jüdische Männer im Weltkriege gewesen, die an allen Fronten und in der Etappe ihren Mann gestellt hätten. Hiervon seien etwa 1100 auf dem Felde der Ehre gefallen, während 100 verschollen seien. Beachtenswert sei die Tapferkeit dieser Kriegsteilnehmer gewesen, die mit allen Kriegsauszeichnungen bedacht worden seien. Eine ansehnliche Zahl sei sogar Offizier geworden. Unter diesen Männern sei auch einer, der die höchste Kriegsauszeichnung besitze, und zwar den Orden Pour le Merite. Dieser habe sich allerdings, bevor er in den Besitz dieser Auszeichnung gekommen sei, taufen lassen müssen. Außerdem besäßen 4 die höchste Auszeichnung für Unteroffiziere, das goldene Ehrenkreuz.
Außer zahlreichen kleineren Veranstaltungen fanden in Düsseldorf und Essen Feiern zu Ehren des 800. Geburtstages des Maimonides statt, der als einer der größten Religionsphilosophen und als „Der Weise von Kairo“ gefeiert wurde, dessen Philosophie und Auslegung jüdisch-religiöser Gedanken für die Judenschaft auch heute noch maßgebend ist.“