Die Gestapo Düsseldorf berichtet
Die Gestapo Düsseldorf berichtete über den Monat Oktober 1934:
„Alle Anzeichen deuten darauf hin, daß die Judenschaft sich allenthalben immer fester zusammenschließt. Gegenüber den Vormonaten haben die jüdischen Vereinigungen eine erheblich regere Tätigkeit entfaltet. An besonders wichtigen Veranstaltungen sind zu nennen:
a) Versammlung des Zentralvereins deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens am 4.10.34 in der Stadthalle in Krefeld, die von ca. 130 Personen besucht war. Der Redner, Dr. Plaut aus Essen, der über das Thema: „Wille und Weg der deutschen Juden“ sprach, betonte, daß der C.V. gute Verbindungen mit den einzelnen Ministerien habe und auch dort Gehör finde. Bisher seien in fast allen Fällen, in denen der C.V. beim Ministerium vorstellig geworden wäre, die durch einzelne Verfügungen entstandenen Härten gemildert worden. Ebenfalls seien die in einzelnen Bezirken Westfalens ergriffenen Boykott-Maßnahmen nach Rücksprache mit den Regierungspräsidenten sofort abgestellt worden. Bei Frontkämpfern, Söhnen, deren Väter im Weltkriege gefallen seien, wären Ausnahmen sowie Erleichterungen bei Entlassungen aus Betrieben usw. erreicht worden. Der Redner betonte noch, daß sie in erster Linie Deutsche und erst in zweiter Linie Juden seien. Es gäben noch immer zu viel Juden, die an alten Traditionen festhielten, obwohl es bald angängig sei, sich nach der neuen Zeit zu richten.
b) Versammlung des Reichsbundes jüdischer Frontsoldaten, Ortsgruppe Remscheid am 7.10.34, die von 43 Personen besucht war. Als Hauptredner trat Dr. Salomon aus Köln in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer des Bundes für Westdeutschland auf. Er sprach über das Thema: „Stand und Entwicklung des Reichsbundes jüdischer Frontsoldaten im nationalsozialistischen Deutschland“.
c) Erntedankfest des Reichsverbandes ostjüdischer Organisationen in Deutschland, Ortsgruppe Remscheid, Teilnehmerzahl 120 Personen.
d) Mitgliederversammlung der Synagogengemeinde Solingen an 12.10.34 mit 26 Teilnehmern. Der Hauptredner, der Seelsorger Okunzki, erläuterte in seinen Einleitungsworten zunächst das Wort Hebräer, welches Jenseits bedeute, und zwar das Jenseits der Seele. Er betonte hierbei, daß das ganze Erdenleben darauf gerichtet werden müsse, sich dieses Jenseits zu sichern. Er gab einen Auszug aus der jüdischen Geschichte, angefangen von der Babylonischen Gefangenschaft bis zur Jetztzeit, wobei er die guten und schlechten Zeiten erwähnte. Er wies daraufhin, daß die Juden sich wieder zu ihrer Religion bekennen müßten. Die in den letzten Jahrzehnten aufgekommene Agonie müsse aufhören. Alle Juden müßten wieder zum Besuch der Synagogen kommen und ihre Bibel und Geschichte wieder kennen lernen. In der sich anschließenden Debatte kam man überein, allwöchentlich Zusammenkünfte zur Abhaltung von Bibelstunden, zur Erteilung von Geschichtsunterricht und für die Erlernung der hebräischen Sprache stattfinden zu lassen.
e) Versammlung des Verbandes der Zionisten, Ortsgruppe Remscheid, mit 39 Teilnehmern. Der Leiter und Hauptredner, Dr. Markowitz aus Remscheid, erklärte den Anwesenden den Zweck des Verbandes und bat, die Vereinigung nicht als einen Verein anzusehen, sondern als einen Zweckverband, der allein den Zweck verfolge, dem jüdischen Volke ein Vaterland zu gründen. Es sei jetzt nicht mehr angebracht, daß die Juden immer noch ohne jeglichen Schutz daständen, das heiße, daß sie ohne Vaterland seien. Ihre Abstammung gehe auf Palästina zurück. Dieses müsse auch ihr Vaterland werden. Weiter erwähnte der Redner, daß die Erziehung der Jugend ein unbedingtes Erfordernis sei, denn in dieser läge die Kraft zum weiteren Fortkommen und damit zum Gelingen der Sache.
f) Tagung des Bundes jüdischer Jugend am 7.10.34 in Mülheim a.d. Ruhr, an der auch die Ortsgruppen Essen und Duisburg-Hamborn teilnahmen. Dr. Julius Herzfeld, Köln, sprach über die Lage des Verbandes. Seine Ausführungen brachten nichts wesentliches.
g) Jüdische Lehrertagung der Bezirke Niederrhein und Ruhr. In der von ca. 30 Personen besuchten Versammlung sprach der Lehrer i.R. Andorn, Dortmund, über „42 Jahre pädagogische Arbeit“.
h) Generalversammlung des israelitischen Frauenvereins in Rheydt, die von 60 Frauen besucht war und sich hauptsächlich mit Fragen karitativer Art befaßte. Es wurde beschlossen, Bibel- und literarische Kurse abzuhalten.
i) Generalversammlung des israelitischen Frauenvereins in M.-Gladbach. Auch hier fanden Besprechungen über die vorzunehmende Winterarbeit statt. Es ist beabsichtigt, vor Beginn der Monatsversammlungen den jüdischen Kindern eine Kaffeetafel herzurichten.
Sämtliche Veranstaltungen verliefen ohne Störung. Angriffe gegen den Staat wurden nicht erhoben, so daß ein Anlaß zum Einschreiten in keinem Falle gegeben war.
Zu erwähnen sind noch die Veranstaltungen des jüdischen Kulturbundes, die in der Öffentlichkeit nicht besonders auffallen, da sie in Synagogen und Gemeindehäusern abgehalten werden. Am 31.10.34 fand als Veranstaltung des jüdischen Kulturbundes in der Synagoge in Düsseldorf ein Konzert statt, in dem die Solisten Hermann Schey, Berlin, und Herta Glückmann, Breslau, sowie der gemischte Chor der Synagogengemeinde Düsseldorf unter Leitung von Erwin Palm, Düsseldorf, mitwirkten.“