November 1943
Am 6. November eroberte die Rote Armee die ukrainische Hauptstadt Kiew, womit – nach Einschätzung einer britischen Nachrichtenagentur – eine militärische Operation zu Ende ging, die zu den bedeutendsten des gesamten Krieges im Osten zu zählen war. Am Tag des Angriffs erwiesen sich die deutschen Truppen völlig desorganisiert und traten entsprechend fluchtartig den Rückzug nach Westen an. Entsprechend zügig konnten die sowjetischen Verbände in den Tagen danach ihren Vormarsch fortsetzen.
Adolf Hitler ordnete am 27. November angesichts eines von ihm ausgemachten angeblichen Missverhältnisses zwischen kämpfender Truppe und Etappe ein „Auskämmen“ der rückwärtigen militärischen Dienststellen an, weil durch die Vermeidung als kampfunwichtig geltender Arbeiten nach seiner Schätzung mindestens eine Million Mann für den direkten Fronteinsatz gewonnen werden könnten. Wehrmacht und Waffen-SS sollten umgehend und unter „Anwendung schärfster Mittel“ ohne Rücksicht auf Alter und Tauglichkeit die letzten Reserven aktivieren.
Nach Bombardements auf Wilhelmshaven (3.), Düsseldorf (4.) sowie Münster und Gelsenkirchen (8.) begann in der Nacht zum 19. November eine Reihe von britischen Angriffen auf Berlin, in deren Verlauf 2.700 Menschen ums Leben kamen und 250.000 Einwohner obdachlos wurden. Am 26. des Monats folgte eine schwere Attacke britischer Bomber auf Bremen.
Seit dem 24. November konnten Überlebende von Luftangriffen ihren Angehörigen künftig durch einen postalischen Eilnachrichtendienst ein Lebenszeichen zukommen lassen. Diese rot umrandeten postkartengroßen „Eilnachrichten“ wurden seitdem zu einem wichtigen und in aller Regel sehnlichst erwarteten Kommunikationsmittel in und aus bombengeschädigten Gebieten.
Am 1. November erließ Fritz Sauckel als Generalbevollmächtigter für den Arbeitseinsatz eine neue Verordnung über die Bestrafung von Vergehen im Betrieb. Künftig war es Betriebsleitern erlaubt, nach Gutdünken Geldstrafen oder Verwarnungen zu verhängen, ohne dass diese Maßnahmen zuvor weder gesetzlich noch in den Betriebsordnungen verankert worden waren.
In einer Rede vor Offiziersanwärtern der Wehrmacht erklärte Hitler am 20. November in der Breslauer Jahrhunderthalle: „Das Volk, das verliert, beendet sein Dasein. Denn etwas anderes von diesem Kampf als Sieg oder Untergang zu erwarten, ist Wahnsinn.“ Viele Deutsche dürften solche Äußerungen angesichts der Lage an den Fronten mit großer Besorgnis registriert haben.
Verdrängung und Vernichtung der jüdischen Bevölkerung
Die letzte Massenmordaktion im Generalgouvernement betraf im Herbst die Zwangsarbeiterlager im Distrikt Lublin. SS und Polizei erschossen Anfang November 1943 rund 43.000 als arbeitsfähig eingestufte Jüdinnen und Juden. Weitere mindestens 6.000 jüdische Zwangsarbeiter wurden bis Mitte November in Ostgalizien, das seit 1941 zum Generalgouvernement gehörte, ermordet.
Damit hatte sich die Drohung Himmlers, der kurz zuvor vor SS-Offizieren und NSDAP-Gauleitern in Posen erstmals offen über die „Ausrottung des jüdischen Volkes“ gesprochen und die Vollstreckung der „Endlösung“ in den besetzten Gebieten bis Jahresende angekündigt hatte, für das Generalgouvernement bewahrheitet. Die wenigen von diesen Massakern verschont Geblieben und fristeten - insbesondere in den Distrikten Radom und Krakau - ihr Leben in Zwangsarbeitslagern. Eine nur schwer zu beziffernde Zahl von Jüdinnen und Juden war untergetaucht, schlossen sich den Partisanen an oder versteckten sich in den größeren polnischen Städten.