Protokoll einer Besprechung im Reichssicherheitshauptamt
Auf einer Besprechung im Reichssicherheitshauptamt zur „Endlösung der Judenfrage wird am 27. Oktober 1942 über Maßnahmen gegen „Mischlinge“ diskutiert:
Besprechungsniederschrift
An der am 27.10.1942 im Reichssicherheitshauptamt, Referat IV B4, stattgefundenen Besprechung über die Endlösung der Judenfrage haben teilgenommen:
Oberregierungsrat Dr. Boley, Reichskanzlei,
SS-H’Stuf. Preusch, Rasse- und Siedlungshauptamt-SS,
SS-O’Stuf. Harders, "
Referent Dr. Schmid-Burgh, Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda
Oberlandesgerichtsrat Maßfelder, Reichsjustizministerium,
Reichsamtsleiter Kap, Parteikanzlei,
Regierungsrat Raudies, "
Bereichsleiter Leuschner, Rassenpol. Amt der NSDAP.,
Oberreg. Rat Dr. Wetzel, Reichsministerium für die besetzten Ostgebiete,
Geandtschaftsrat Dr. Klingenfuß, Auswärtiges Amt,
Amtsgerichtsrat Liegener, Beauftragter für den Vierjahrespl[an]
Reg. Rat. Feldscher, Abt. I d. Reichsministeriums des Innern,
Landesoberverwaltungsrat Weirauch, Regierung des Generalgouvernements
SS-Sturmbannf. Dr. Stier, Reichskommissar für die Festigung deutschen Volkstums,
Q’Stufbaf. ORR. Dr. Bilfinger, Reichssicherheitshauptamt II A,
SS-Stubaf. Reg- Rat Neifeind, „ II A2
SS-Stubaf- Dr. Rodenberg, „ III A
SS-O’Stubaf. Eichmann, „ IV B4
SS-Stubaf. Günther, „ IV B4
SS-Stubaf. Reg.Rat Suhr, „ IV B4
Reg. Rat Hunsche, „ IV B4
Die Besprechung zeitigte nachstehendes Ergebnis:
I. Mischlinge.
a) Mischlinge ersten Grades:
Eingangs der Besprechung wurde mitgeteilt, daß neue Erkenntnisse und Erfahrungen auf dem Gebiete der Unfruchtbarmachung es wahrscheinlich ermöglichen werden die Sterilisation in vereinfachter Form und in einem verkürzten Verfahren schon während des Krieges durchzuführen. Mit Rücksicht hierauf wurde dem Vorschlag, sämtliche fortpflanzungsfähigen Mischlinge ersten Grades unfruchtbar zu machen, zugestimmt. Die Sterilisierung soll freiwillig erfolgen. Sie ist aber Voraussetzung des Verbleibens im Reichsgebiet und stellt sich somit als eine freiwillige Gegenleistung des Mischlings ersten Grades für seine gnadenweise Belassung im Reichsgebiet dar. Dementsprechend soll der Mischling ersten Grades vor die Wahl gestellt werden, sich für eine Abschiebung worunter gegebenenfalls auch eine Verbringung in eine „Mischlingssiedlung“ im Sinne des Besprechungsergebnisses vom 6.3.1942 verstanden werden kann, oder für eine Unfruchtbarmachung zu entscheiden. Bei dieser Wahl wird zweckmäßigerweise die Abschiebung als die schärfere Maßnahme gegenüber der Unfruchtbarmachung an die Spitze gestellt. Dadurch soll erreicht werden, daß in den wenigen Fällen, in denen eine an und für sich nicht vorgesehene Ausnahme unbedingt gemacht werden muß, dann immer noch die Möglichkeit der zwangsweisen Sterilisierung gegeben ist. Aus diesem Grunde ist die Unfruchtbarmachung als eine gnadenweise Vergünstigung zu bewerten die auch als solche empfunden und sich dahingehend auswirken wird, daß die Zahl der Gesuche um Befreiung von den vorgesehenen Maßnahmen nicht allzu groß werden dürfte. Da sich nahezu sämtliche Mischlinge ersten Grades für das kleinere Übel der Sterilisierung entscheiden werden, steht damit bei dieser Wahl die angestrebte Unfruchtbarmachung eindeutig im Vordergrund. Würde umgekehrt die Sterilisation bei der Wahl an die Spitze gestellt, so würde der Mischling ersten Grades, bei dem entgegen den Richtlinien dennoch eine Ausnahme zugestanden werden muß, keinen weiteren Beschränkungen als den bisher schon bestehenden unterworfen sein, was auf keinen Fall zugelassen werden kann, weil dadurch die beabsichtigte Sterilisation unmöglich gemacht würde. Die Möglichkeit der Wahl nimmt weiterhin den vorgesehenen Maßnahmen bis zu einem gewissen Grade den Anschein des Zwanges und bietet darüber hinaus noch den Vorteil, daß unter Umständen auf die Schaffung einer gesetzlichen Grundlage zur Durchführung der Sterilisation verzichtet werden kann, da der Mischling ersten Grades sich freiwillig bereitfindet, sich unfruchtbar machen zu lassen. Um schlechten psychologischen Rückwirkungen vorzubeugen, sollen die Sterilisationsmaßnahmen möglichst ohne viel Aufhebens und unter Verwendung einer Tarnungsbezeichnung in einem vereinfachten Verfahren durchgeführt werden. Die Mischlinge ersten Grades bleiben, wie bereits früher festgelegt worden ist, mit wenigen Erleichterungen den bisherigen einschränkenden Maßnahmen im Reichsgebiet unterworfen.
Sollten sich die Mischlinge ersten Grades vereinzelt für die Abschiebung entscheiden, so ist dafür Sorge zu tragen, daß ihnen durch eine Trennung vom anderen Geschlecht jedwede Möglichkeit der Fortpflanzung genommen wird.
b) Mischlinge zweiten Grades:
Da die Mischlinge zweiten Grades den Deutschblütigen ausnahmslos zugeschlagen werden sollen, sind gegen sie keine besonderen Maßnahmen zu ergreifen. Ihre mit gewissen Einschränkungen verbundene Rechtsstellung bleibt allerdings weiterhin aufrechterhalten.
II. Mischehen.
Bei Ehen zwischen Mischlingen ersten Grades und Mischlingen ersten Grades oder Juden werden außer den bisher schon bestehenden keine weiteren Scheidungsmöglichkeiten geschaffen, da hieran kein Interesse besteht.
1. Zwangsscheidung:
a) Bei Mischehen zwischen Deutschblütigen und Volljuden ist, wie bereits früher festgelegt, eine zwangsweise Scheidung der Ehe für den Fall vorzusehen, daß der deutschblütige Eheteil sich innerhalb einer bestimmten Frist nicht entschließt, selbst die Scheidung zu beantragen. Die Zwangsscheidung erscheint deswegen angebracht, weil mit Rücksicht auf die Abschiebung des Juden klare Rechtsverhältnisse auf diesem Gebiet geschaffen werden müssen. Ausnahmen sind, entgegen der bisher vorgesehenen Regelung, auch nicht bei Geltungsjuden zuzulassen, die nur zwei rassenmäßig volljüdische Großelternteile oder weniger besitzen, da die Überprüfung dieser Fälle auf allzu große Schwierigkeiten stößt und somit kein Anlaß vorliegt, von der rechtlichen Einordnung als Volljude nach den §§2 und 5 der Ersten Verordnung zum Reichsbürgergesetz vom 14.11.1935 (RGBl. I, S. 1333) abzuweichen. Solange keine anderweitige Entscheidung im Sinne des § 7 a.a.O. vorliegt, können ebenso keine Volljuden, bei deren ehelichen Kindern eine Gleichstellung mit Deutschblütigen entweder bereits ausgesprochen ist oder aber wegen Zugehörigkeit zur Wehrmacht als Soldat zu erwarten steht, von dieser Regelung ausgenommen werden.
b) Gleichfalls muß die Möglichkeit der Zwangsscheidung in dem angegebenen Sinne bei Ehen zwischen Mischlingen zweiten Grades und Juden gegeben sein.
2. Vereinfachte Scheidung auf Antrag:
Bei Ehen zwischen Mischlingen ersten Grades und Deutschblütigen oder Mischlingen zweiten Grades ist für den Fall, daß sich der Mischling ersten Grades für die Unfruchtbarmachung entscheidet, keine Zwangsscheidung, sondern lediglich auf Antrag des Deutschblütigen oder Mischlings zweiten Grades eine vereinfachte Scheidung ohne die Einschränkungen des § 53 des Ehegesetzes durchzuführen. Von einer Zwangsscheidung wird Abstand genommen, da einmal der Mischling ersten Grades im Reichsgebiet verbleibt und zum andern die erzwungene Aufhebung der Ehe zu einer erheblichen Beunruhigung des deutschen Teiles der Verwandtschaft beitragen würde, was in diese Fällen vermieden werden kann und muß.
Sollte der fortpflanzungsfähige Mischling ersten Grades jedoch ausnahmsweise die Abschiebung einer Sterilisation vorziehen, so kann dieser Tatbestand nicht anders als der einer deutsch-jüdischen Mischehe beurteilt werden, so daß in diesen Fällen und im Rahmen des bereits festgelegten Verfahrens die zwangsweise Scheidung zugelassen werden muß.
Das vorstehende Besprechungsergebnis soll vereinbarungsgemäß den beteiligten Dienststellen zur beschleunigten abschließenden Stellungnahme innerhalb von längstens 4 Wochen zugeleitet werden.