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Chronik und Quellen
1942
März 1942

Schreiben des RMdI (Stuckart) an den Leiter der Partei-Kanzlei u.a.

Der Staatssekretär im Reichsinnenministerium Wilhelm Stuckart spricht sich 16 März 194z dagegen aus, „Halbjuden“ mit Juden gleichzustellen, und plädiert für ihre Sterilisierung:

Betrifft: Endlösung der Judenfrage.

Die in der Sitzung vom 20. Januar 1942 besprochene Frage, welche Stellung den jüdischen Mischlingen 1. Grades künftig zugewiesen werden soll, gibt mir Veranlassung, die bei der Lösung dieser Frage zu erwägenden Möglichkeiten noch einmal einer Prüfung zu unterziehen, wobei, das bedarf wohl keiner besonderen Betonung, das einzige Kriterium das Interesse des deutschen Volkes sein muß.

Es besteht völlige Klarheit und Einmütigkeit darüber, daß jüdisches Blut, auch soweit dessen Träger Halbjuden sind, aus dem deutschen und darüber hinaus aus dem europäischen Blutstrom auszuscheiden, d. h. in erster Linie jede Blutmischung mit Deutschen oder Artverwandten zu verhindern [ist]. Der einfachste und scheinbar zum sichtbarsten Erfolg führende Weg würde, soweit das deutsche Volk in Frage steht, sein, die Halbjuden den Juden gleichzustellen und sie in die für Juden gegenwärtig bereits in Gang befindliche Abschiebungsaktion einzubeziehen. Das beabsichtigte Ziel, die völlige Herauslösung aus dem deutschen Volkskörper, würde dadurch in kurzer Frist erreicht sein. Abgesehen von der unten erörterten biologischen und verwaltungstechnischen Seite der Frage, zieht eine solche Maßnahme aber eine Reihe von Folgen nach sich, die nicht dem Interesse des deutschen Volkes entsprechen und deshalb bereits jetzt Gegenstand einer ernsten Überlegung sein müssen.

Ich möchte hierbei in der Hauptsache folgende Gesichtspunkte heraussteilen:

1. Die blutsmäßigen Halbjuden sind durch die Fassung des Judenbegriffs in der Nürnberger Gesetzgebung bereits sortiert worden. Soweit Merkmale ihre Hinneigung zum Judentum dartun, gelten sie als Volljuden. Hierdurch ist also bereits ein nicht unerheblicher Teil der Halbjuden abgestoßen worden.

2. Eine Gleichstellung der Halbjuden mit Juden wird zweifellos die Frage nach Ausnahmen aufwerfen. Jede weitere Sortierung würde aber dahin führen, daß ohne inneren, jedenfalls ohne biologischen Grund Mitglieder derselben Familie mit der gleichen Erbmasse teils deportiert, teils hierbehalten würden.

3. Nach den in diesen Jahren gesammelten Erfahrungen haben sich die Mischlinge 1. Grades zum nicht unerheblichen Teil in starkem Maße bemüht, sich für die deutschen Interessen einzusetzen. Abgesehen von ihrem Einsatz in der Kriegswirtschaft darf ich darauf hinweisen, daß der Führer außer den normalen Gnadenentscheidungen eine große Zahl von Offizieren und Offiziersehefrauen, die Mischlinge 1. Grades waren, mit deutschblütigen Personen gleichgestellt und einem großen Teil von Mischlingen 1. Grades, die in der Wehrmacht verblieben sind, diese Gleichstellung bei weiterer Bewährung nach dem Kriege in Aussicht gestellt hat. Diese zahlenmäßig beschränkten Auslesevorgänge lassen erkennen, daß der Halbjude, soweit er im deutschen Reichsgebiet tätig ist, nicht notwendig und immer einen nur negativen Wert für das deutsche Volk zu haben braucht.

4. In diesem Zusammenhang ist auch die Tatsache nicht zu übersehen, daß der Führer bisher 300 Geltungsjuden mit Halbjuden gleichgestellt hat. Es wäre mit der Bedeutung einer Führerentscheidung unvereinbar, wenn diese Personen nun wieder durch eine generelle Regelung zu Juden gestempelt würden. Andererseits widerspräche es den einfachsten rassepolitischen Erwägungen, wenn man diese Personen künftig von den neuen Maßnahmen ausnehmen würde, während die Halbjuden, die nie als Juden gegolten haben, also von vornherein rassisch günstiger eingeordnet waren, nunmehr dem Judentum zugeordnet würden.

5. Von nicht zu unterschätzender Bedeutung ist auch die psychologisch-politische Rückwirkung. Jeder Halbjude hat einen vollarischen Ahnenstamm mit verzweigten Verwandtschafts- und Freundschaftsverhältnissen in deutschblütigen Kreisen. Ich halte es daher wenigstens für die Dauer des Krieges auch aus psychologischen Gründen für durchaus unerwünscht, Halbjuden in dieser Form zu behandeln.

Selbst wenn man aber über die vorstehend aufgezeichneten Bedenken hinwegsehen wollte, so kann das m. E. doch nicht hinsichtlich des entscheidenden Argumentes geschehen, nämlich der Tatsache, daß mit der Abschiebung der Halbjuden zur Hälfte auch deutsches Blut preisgegeben wird. Ich habe es immer für biologisch außerordentlich gefährlich gehalten, deutsches Blut einer gegnerischen Seite zuzuführen. Dieses Blut ist nur dazu geeignet, auf der anderen Seite Persönlichkeiten hervorzubringen, die ihre durch das deutsche Blut ererbten wertvollen Eigenschaften der anderen Seite gegen das deutsche Blut dienstbar machen können. Die erfahrungsgemäß gute Intelligenz und Erziehung in Verbindung mit ihrer germanischen Erbmasse machen die Halbjuden außerhalb des deutschen Volkes zu geborenen Führern, damit aber auch zu gefährlichen Feinden Dieser Gesichtspunkt erhält noch mehr Gewicht, wenn man ihn vom gesamteuropäischen Standpunkt aus betrachtet. Daß die Lösung dieser Frage in Europa nach einer im wesentlichen einheitlichen Grundlinie erfolgen muß, erscheint mir nicht zweifelhaft Wenn es nun aber gelingt, aus den anderen Völkern die Halbjuden ebenfalls auf dem Wege der Abschiebung herauszulesen, so würde das bedeuten, daß Hunderttausende von Trägern deutscher oder artverwandter Erbmasse abgestoßen und in einen unserem Einfluß im wesentlichen entzogenen kämpferischen Gegensatz zu uns gebracht werden.

Ich habe hiergegen vom Standpunkt des deutschen Interesses aus so starke Bedenken, daß ich den Weg der Gleichstellung der Halbjuden mit Juden und demgemäß der Abschiebung für untragbar halte und deshalb das natürliche Aussterben der Halbjuden innerhalb des Reichsgebiets vorziehe. Hierzu ist zwar ein Zeitraum von drei bis vier Jahrzehnten notwendig. Ich möchte jedoch diesen Nachteil, der übrigens noch den Vorteil hat, daß wir willige Arbeitskräfte behalten, gegenüber den aus allgemein politischen Gründen sehr bedenklichen Folgen einer schlagartigen Abschiebung in Kauf nehmen. Was die von den Halbjuden ausgehende biologische Gefahr anbetrifft, darf ich auf meinen in der Sitzung am 20.1.19428 gemachten Vorschlag der Sterilisation aller nicht schon aus anderen Gründen unfruchtbaren Mischlinge 1. Grades verweisen. Diese Sterilisation würde jeden rassenbiologisch zwingenden Grund zu einer anderen Behandlung der Mischlingsfrage überhaupt entfallen lassen.

Die Abschiebung erscheint mir auch vom verwaltungstechnischen Standpunkt aus nicht bedenkenfrei. Sie würde ein außerordentliches Maß von Verwaltungsarbeit mit sich bringen, das sich m. E. während des Krieges schon von selbst verbietet. Die Abschiebung würde nicht nur eine individuelle Prüfung aller Mischlinge notwendig machen, sondern es wird nach der negativen Entscheidung mit einer außerordentlich hohen Zahl von Befreiungsanträgen zu rechnen sein. Nicht unbeachtlich erscheinen mir auch die erheblichen Transportschwierigkeiten, die heute bereits der unzweifelhaft notwendigen Abschiebung der Juden entgegenstehen. Darüber hinaus läßt es sich aber kaum verantworten, die Arbeitskraft zahlreicher deutscher Menschen in einer Frage festzulegen, deren Lösung in einfacherer Form mit bedeutend geringerem Arbeitsaufwand und derselben Mcherstellung des Zieles erfolgen kann, ohne daß die uns belastende Herauslösung der Halbjuden aus ihren Arbeitsstellen notwendig wird. Demgegenüber würde die Sterilisation einen im wesentlichen schematischen Vorgang darstellen, von dem ein großer Teil der Mischlinge 1. Grades aus natürlichen Gründen nicht einmal erfaßt zu werden fauchte.

Das Problem der deutsch-jüdischen Mischehen wird man, um auch hier eine Abschiebung deutschen Blutes grundsätzlich zu verhindern, zweckmäßigerweise dadurch lösen, daß man den Ehepaaren die Möglichkeit einer freiwilligen Scheidung in einem vereinfachten Verfahren gibt. Es ließe sich letzten Endes auch rechtfertigen, diese Entscheidung nicht allein der privaten Initiative zu überlassen, sondern den staatlichen Zwang einzuschalten, also die Scheidung entweder auf Antrag des Staatsanwaltes oder Gesetzes auszusprechen.

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