Besprechung im Reichssicherheitshauptamt
Auf einer Besprechung im Reichssicherheitshauptamt kündigt Eichmann am 6. März 1942 weitere Deportationen in den Osten und nach Theresienstadt an. Das ergebnis der Besprechung hielt der Düsseldorfer Polizeiinspektor Kurt Becker in folgendem Bericht fest:
Düsseldorf, den 6. März 1942
SS-O’Stuf. Eichmann sprach zunächst einleitend über die weitere Evakuierung von 55.000 Juden aus dem Altreich sowie der Ostmark und dem Protektorat.
U. a. werden hierbei Prag mit 20.000 und Wien mit 18.000 zu evakuierenden Juden am stärksten beteiligt. Die Stärke der übrigen Transporte richtet sich anteilmäßig je nach der Höhe der in jedem Stapo(leit)stellenbezirk noch vorhandenen Juden. Düsseldorf ist hierbei wieder ein Transport von 1.000 Juden zugewiesen. In diesem Zusammenhang machte SS-O’Stuf. Eichmann darauf aufmerksam, daß die gegebenen Richtlinien, vor allem hinsichtlich des Alters, der Gebrechlichkeit usw. genaustens einzuhalten seien, da beim Transport nach Riga ca. 40-45 Fälle durch den Judenältesten in Riga über die Gauleiter [.. ,] und Mayer dem SS-Obergruppenführer Heydrich als zu Unrecht evakuiert reklamiert wurden. Obgleich sich die Mehrzahl dieser Fälle bei näherer Prüfung als durchaus berechtigte Evakuierungen herausstellten, ist die Vermeidung derartiger Beschwerden unter allen Umständen anzustreben. SS-Obergruppenführer Heydrich macht daher für die Durchführung der Richtlinien in dieser Hinsicht die Stapoleiter persönlich verantwortlich.
Damit einzelne Stapostellen „der Versuchung, ihnen unbequeme ältere Juden mit abzuschieben nicht weiter ausgesetzt sind“, führte SS-O’Stuf. Eichmann aus, sei zur Beruhigung gesagt, daß diese im Altreich verbleibenden Juden höchstwahrscheinlich schon im Laufe dieses Sommers bezw. Herbstes nach Theresienstadt abgeschoben würden, das als „Altersghetto“ vorgesehen sei. Diese Stadt würde jetzt geräumt, und es könnten vorläufig schon 20.000 Juden aus dem Protektorat dorthin übersiedeln. Dies geschieht, um „nach außen das Gesicht zu wahren“.
Von den Evakuierungen sind die Gau- bezw. Kreisleiter zu unterrichten, da sich mehrere Gauleiter beschwert hatten, daß sie über derartige einschneidende Maßnahmen keine Kenntnis erhielten.
SS O’Stuf. Eichmann erteilte hierauf das Wort den einzelnen Referenten; zunächst folgte ein Vortrag über die vermögensrechtliche Angelegenheit.
Die Erfassung des Vermögens hätte sich durch die 11. V.O. erheblich vereinfacht. Die Vordrucke zur Vermögensanmeldung wären dementsprechend geändert worden und gehen den einzelnen Stapostellen umgehend zu. Die alten Formulare sind nicht mehr zu verwenden. Die Formulare sind genauestens auszufüllen, da die Juden doch wieder viele „Winkelzüge“ versucht hätten. Die Anzahl der zu evakuierenden Juden sowie deren Wohnorte sind den Finanzämtern anzugeben.
Von den Vorbereitungen zur Evakuierung dürfen die Juden unter keinen Umständen Kenntnis erhalten, daher ist absolute Geheimhaltung erforderlich.
Das sogenannte „Sonderkonto W“ steht dem Referat IV B 4 des Reichssicherheitshauptamtes zur Verfügung, da nach der 11. V.O. das RSHA an die Vermögen der Juden nicht mehr herankann. Um diesem Fonds ausreichend Gelder zur Verfügung zu stellen, wird gebeten, die Juden in nächster Zeit zu erheblichen „Spenden“ für das Konto „W“ anzuhalten. Bisher seien, anscheinend durch das Mißverständnis, daß den Juden der Fonds unmittelbar zugute komme, wenig Beträge eingegangen.
Der mitzunehmende Geldbetrag von 50.- RM pro Jude sei im Einvernehmen mit der Devisenstelle zur Mitnahme bereitzustellen. Der weitere Vortrag behandelte die technische Durchführung der Transporte. - Hier ist zunächst wichtig, daß die Transporte nicht zeitlich genau festgelegt werden können. Es stehen nur leere Russenzüge / Arbeitertransporte in das Altreich zur Verfügung, die leer in das Generalgouvernement zurückrollen sollen und nun vom RSHA. im Einvernehmen mit dem OKH ausgenutzt werden.
Der Abfahrtstag wird 6 Tage vorher den Stapostellen, der schnelleren Übermittlung und Geheimhaltung wegen fernmündlich unter dem Kennwort DA bekanntgegeben. Das Gespräch ist durch Fernschreiben an das Ref. IV B 4 sofort zu bestätigen.
Die Abfahrtsstunden sind dem genau einzuhaltenden Fahrplan zu entnehmen.
Die Züge fassen nur 700 Personen, jedoch sind 1000 Juden darin unterzubringen. Es empfiehlt sich daher, rechtzeitig Güterwagen für Gepäck in ausreichender Zahl bei der Reichsbahn zu bestellen. Ebenfalls ein Personenwagen für das Begleitkdo. Im Notfall musste dieses aber mit einem Wagen des Russenzuges vorliebnehmen.
Der Führer des Begleitkdos. ist zu instruieren, daß er dafür sorgt, daß die Gepäckwagen aus dem Altreich nach Ankunft am Bestimmungsort umgehend zurückrollen.
Es folgte ein Erfahrungsaustausch zwischen solchen Stapostellen, die bereits Evakuierungen durchführten, und anderen, die vor [...] für sie neuen Aufgaben stehen Gegen 16.30 Uhr war die Besprechung beendet.