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Chronik und Quellen
1941
Dezember 1941

Rundschreiben der Reichsvereinigung der Juden in Deutschland

Die Reichsvereinigung der Juden informiert am 1. Dezember 1941 die Jüdischen Kultusvereinigungen, dass Juden künftig nicht mehr über ihr Eigentum und Vermögen verfügen dürfen:

Betr.: Verfügungsbeschränkungen über das bewegliche Vermögen für Juden Im Zusammenhang mit der Tatsache, daß in der letzten Zeit ohne allgemeine Veranlassung in beträchtlichem Umfang ein Besitzwechsel von Vermögenswerten, insbesondere auch von bewirtschafteten Gegenständen, die bisher Juden gehörten, festgestellt worden ist, wurde seitens der Aufsichtsbehörde zur Vermeidung von Störungen einer geordneten Marktregelung folgende Anordnung getroffen, die wir nachstehend bekanntzugeben haben.

Verfügungsverbot

1. Juden (vgl. u) ist es grundsätzlich verboten, über ihr bewegliches Vermögen zu verfügen.

2. Eine Verfügung über Vermögenswerte ist von einer behördlichen Erlaubnis abhängig. die nur in besonders begründeten Fällen erteilt wird.

3. Ohne behördliche Erlaubnis vorgenommene Verfügungen sind nichtig, ein ^(gläubiger Erwerb ist in solchen Fällen ausgeschlossen.

II. Umfang des Verfügungsverbots

[4] Verboten sind grundsätzlich sämtliche Verfügungen (vor allem Veräußerung, Verpfändung, Verschenkung, Verwahrung bei Dritten) über die im Eigentum oder im Besitz von Juden befindlichen beweglichen Vermögenswerte, wie z. B. über Möbel, sonstige Einrichtungsgegenstände und Hausgerät.

5. Dem Verbot unterliegen auch Verfügungen über sämtliche Forderungen und Rechte sowie über Wertpapiere (vgl. 7b), ferner über Konten (vgl. 7c) bei Banken, Sparkassen, anderen Kreditinstituten und Postscheckämtern, die mit Formblatt (vgl. 13) anzuzeigen sind.

6. Die von dem Verfügungsverbot betroffenen Gegenstände dürfen nicht in ihrem Wert vermindert und nicht aus der Wohnung verbracht werden; ihre Benutzung im Rahmen einer ordnungsmäßigen Haushaltsführung ist gestattet.

III. Ausnahmen

7. Von diesem Verfügungsverbot sind ausgenommen:

a) Vermögenswerte, die unter der Verwaltung von amtlich eingesetzten Treuhändern oder dergl. stehen bzw. von Amts wegen beschlagnahmt sind.

b) Verfügungen über Wertpapiere,

sofern in dem Auftrag an die depotführende Bank die Anweisung enthalten ist, daß der Gegenwert auf ein Bankkonto überwiesen wird, oder sofern es sich um die Anbietung von Aktien und Kuxen an die Preußische Staatsbank (Verfügung des Herrn Reichswirtschaftsministers III WOS 8/20348/41) bzw. den Umtausch in 3 ½% Deutsche Reichsschatzanweisungen handelt und wenn deren Gegenwert einer Bank überwiesen wird.

c) Verfügungen im Rahmen erteilter behördlicher Genehmigungen, insbesondere auch im Rahmen der monatlichen Freigrenzen bei beschränkt verfügbaren Sicherungskonten im Sinne des § 59 DevG.

d) Verfügungen

über in bar ausgezahltes Reineinkommen, sofern außerdem keine Verfügungen üb nichtgesicherte Konten erfolgen, über Konten, wenn kein Sicherungskonto (vgl. 7c) besteht, bis zur Höhe von monatlich insgesamt RM 150.-, sodann zur Bezahlung oder Sicherstellung von Steuern, Gebühren und anderen Abgaben an öffentliche Kassen, ferner von Beiträgen, Leistungsentgelten und Spenden an die Reichsvereinigung der Juden in Deutschland, deren Bezirksstellen und an die Jüdischen Kultusvereinigungen, sowie von Rechnungen zugelassener jüdischer Konsulenten, Kranken- und Zahnbehandler sofern der Rechnungsbetrag in diesen Fällen auf ein Bankkonto überwiesen wird weiterhin von Rechnungen für ärztlich verschriebene Arzneimittel, außerdem von Versicherungsprämien.

e) Die Mitnahme von zugelassenen Ausrüstungsgegenständen bei Evakuierungstransporten,

f) Spenden von Spinnstoffwaren und Schuhwerk an die Kleiderkammern der Reichsvereinigung, ihrer Bezirksstellen und der Jüdischen Kultusvereinigungen.

8. Die mit Rundschreiben vom 13.11.41 bekanntgegebene Erfassung von Schreibmaschinen, Fahrrädern, Fotoapparaten und Ferngläsern im Eigentum von Juden wird durch die Bestimmungen dieses Rundschreibens nicht berührt.

IV. Verfügungserlaubnis

9. Die Erlaubnis zur Verfügung über bewegliche Vermögenswerte wird in besonders begründeten Fällen durch die zuständige Staatspolizei(leit)stelle erteilt; sie ist auf einem Formblatt (Anlage 1) zu beantragen.

10. Der Antrag ist bei der für den Wohnort des Antragstellers zuständigen Jüdischen Kultusvereinigung oder Bezirksstelle der Reichsvereinigung einzureichen, die den Antrag mit ihrem Prüfungs- und Befürwortungsvermerk der zuständigen Staats-polizei(leit)stelle zur Entscheidung vorzulegen hat.

V. Personenkreis

11. Der Verfügungsbeschränkung unterliegen (Staatsangehörige und staatenlose) Juden im Sinne des §5 der Ersten Verordnung zum Reichsbürgergesetz vom 14.11.1935 (RGBl. I, S. 1333).

12. Die Verfügungsbeschränkung erstreckt sich nicht

a) auf den in einer Mischehe lebenden jüdischen Ehegatten, sofern Abkömmlinge aus der Ehe vorhanden sind und diese nicht als Juden gelten, und zwar auch dann, wenn die Ehe nicht mehr besteht oder der einzige Sohn im gegenwärtigen Kriege gefallen ist.

b) auf die jüdische Ehefrau bei kinderloser Mischehe während der Dauer der Ehe,

c) auf Juden ausländischer Staatsangehörigkeit, es sei denn, daß sie Staatsangehörige eines besetzten und eingegliederten Gebiets sind (also belgische, französische, früher jugoslawische, früher luxemburgische, früher polnische, sowjetrussische Staatsangehörige sowie Protektoratsangehorige).

VI. Rückwirkende Meldung über bereits getroffene Verfügungen

13. Verfügungen, die Juden über Gegenstände oder über sonstige Werte ihres beweglichen Vermögens, auch in der Form der Abtretung von Rechten, nach dem 15.10.1941 troffen haben, sind sofort unter Benutzung eines Formblatts (Anlage 2)10 bei der Jüdischen Kultusvereinigung oder Bezirksstelle der Reichsvereinigung zu melden mit einem Verzeichnis der Gegenstände oder Werte, über die verfügt worden [ist], im Falle von Verfügungen über Bankkonten, die einer Sicherungsanordnung gemäß DevG nicht unterliegen, wenn der Betrag, über den verfügt worden ist, insgesamt 300,- RM übersteigt, mit entsprechenden Angaben über Art der Verfügung, Art und Höhe der Gegenleistung, Verwendung und Verbleib des Erlöses, Name [und] Anschrift des Empfängers, Anlaß der Verfügung (vgl. Anlage 2). Auf diesem Formblatt sind auch die bestehenden Konten (vgl. 5) anzuzeigen.

14. Die Jüdischen Kultusvereinigungen und Bezirksstellen der Reichsvereinigung haben die bei ihnen eingegangenen Meldungen über seit dem 15.10.1941 getroffene Verfügungen nachzuprüfen (hierzu ergehen noch besondere Anweisungen) und dann Listen in fünffacher Anfertigung herzustellen, und zwar nach Wohnorten der Anmeldenden, innerhalb der [... ] alphabetisch nach Namen, mit einem Prüfungsvermerk und der Unterschrift der Bezirksstellen bzw. Kultusvereinigung, unter Beifügung [der] eingegangenen Meldungen.

15. Von den fünf Listen verbleiben zwei bei der Bezirksstelle bzw. Kultusvereinigung, eine ist der zuständigen Staatspoli-zei(leit)stelle mit den urschriftlichen Meldungen einzureichen, zwei sind der Zentrale der Reichsvereinigung einzusenden.

VII. Vordrucke

16. Formblätter für Anträge auf Verfügungserlaubnis (vgl. 9) sowie für Meldungen über seit dem 15.10.1941 erfolgte Verfügungen (vgl. 13) sind den Bezirksstellen bzw. Jüdischen Kultusvereinigungen auszuhändigen.

VIII. Inkrafttreten

17. Diese Verfügung tritt mit sofortiger Wirkung in Kraft. Ein entsprechender Hinweis wird im „Jüdischen Nachrichtenblatt“ veröffentlicht.

IX. Übergangsregelung

18. Soweit im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Anordnung Verfügungen ähnlicher Art von örtlichen Behörden (wie z. B. in Berlin durch den Herrn Oberbürgermeister der Reichshauptstadt) ergangen waren, hat es bei diesen Verfügungen sein Bewenden, jedoch mit der Maßgabe, daß auch die örtlich ergangenen Verfügungen [der] Gesamtregelung dieser Anordnung (mit ihren weitergehenden Bestimmungen, ihren Ausnahmen und ihrer Verfahrensregelung) unterliegen.

X. Strafbestimmung

19. Zuwiderhandlungen gegen diese Regelung werden mit schärfsten staatspolizeilichen Maßnahmen geahndet.

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