Verordnung zur Durchführung der Verordnung über die Beschäftigung von Juden
Eine Verordnung des Reichsarbeitsministers vom 31. Oktober 1941 schränkt die Rechte von jüdischen Arbeitern und Angestellten drastisch ein:
Auf Grund des § 2 der Verordnung des Beauftragten für den Vierjahresplan über die Beschäftigung von Juden vom 3. Oktober 1941 (Reichsgesetzbl. I, S. 675) wird im Einvernehmen mit dem Leiter der Partei-Kanzlei und dem Reichsminister des Innern verordnet:
Abschnitt I
Arbeitsrechtliche Bestimmungen
§ 1 Der Jude kann als Artfremder nicht Mitglied einer Betriebsgemeinschaft sein, die sich auf dem Grundsatz der gegenseitigen Treuepflicht aller im Betrieb Schaffenden aufbaut.
§ 2
(1) Folgende Vorschriften finden auf das Beschäftigungsverhältnis von Juden keine Anwendung:
1. das Gesetz zur Ordnung der nationalen Arbeit (AOG) vom 20. Januar 1934 (Reichsgesetzbl. I, S. 45),
2. das Gesetz zur Ordnung der Arbeit in öffentlichen Verwaltungen und Betrieben (AOGÖ) vom 23. März 1934 (Reichsgesetzbl. I, S. 220),
3. das Gesetz über die Heimarbeit vom 23. März 1934 (Reichsgesetzbl. I, S. 214) in der Fassung vom 30. Oktober 1939 (Reichsgesetzbl. I, S. 2145),
4. das Gesetz über die Lohnzahlung am nationalen Feiertag des deutschen Volkes vom 26. April 1934 (Reichsgesetzbl. I, S. 337),
5. das Gesetz über einmalige Sonderfeiertage vom 17. April 1939 (Reichsgesetzbl I, S. 763),
6. die Verordnung zur Durchführung des Vierjahresplanes über die Lohnzahlung an Feiertagen vom 3. Dezember 1937 (Deutscher Reichsanz. u. Preuß. Staatsanz. Nr. 280)
mit den hierzu erlassenen Durchführungsbestimmungen.
(2) Anzuwenden sind jedoch die Vorschriften über den Erlaß, die Durchführung und den Schutz von Richtlinien, Tarifordnungen und Betriebs- (Dienst-) Ordnungen sowie über die Listenführung und die Entgeltbelege für Heimarbeit, soweit sich nicht aus den folgenden Vorschriften etwas anderes ergibt.
§ 3
(1) Jüdische Beschäftigte haben Anspruch auf Vergütung nur für die tatsächlich geleistete Arbeit.
(2) Die Fortzahlung des Arbeitsverdienstes ohne Arbeitsleistung ist unzulässig.
(3) Unberührt bleiben die Bestimmungen über die Fortzahlung des Lohns bei Arbeitsausfall infolge ungünstiger Witterung.
(4) Ein Anspruch auf Fortzahlung des Gehalts in Krankheitsfällen oder auf Zuschußzahlungen zum Krankengeld besteht nicht.
(5) Besteht ein Anspruch auf Urlaub oder Familienheimfahrt, so beschränkt er sich auf die Gewährung von unbezahlter Freizeit; ein Verzicht auf den Anspruch ist zulässig. Der Anspruch von Jugendlichen richtet sich nach den für Erwachsene geltenden Bestimmungen.
§ 4 Jüdische Beschäftigte haben keinen Anspruch auf Zuschläge zum Lohn oder Gehalt für Arbeit, die an Sonn- oder Feiertagen geleistet wird oder über die regelmäßige Arbeitszeit hinausgeht.
§ 5
(1) Familien- oder Kinderzulagen dürfen jüdischen Beschäftigten nicht gewährt werden.
(2) Das gliche gilt für Geburten- oder Heiratsbeihilfen, für Sterbegelder oder ähnliche Zuwendungen anläßlich des Todes des Beschäftigten.
(3) Die Gewährung von Weihnachtszuwendungen, von Abschlußgratifikationen, Jubiläumsgaben, Treugeld, eines dreizehnten Monatsgehalts, Abfertigungen sowie ähnlicher einmaliger Zuwendungen aus besonderen Anlässen an jüdische Beschäftigte ist unzulässig. § 6 Die Gewährung von tariflichen oder betrieblichen Leistungen aus Anlaß der Niederkunft (Wochenhilfe) ist unzulässig.
§ 7 Vereinbarungen über Altersversorgung neben den gesetzlichen Vorschriften dürfen mit jüdischen Beschäftigten nicht getroffen werden.
§ 8 Trennungs- und Unterkunftsgelder sowie Auslösungen und Zehrgelder dürfen jüdischen Beschäftigten nur mit Zustimmung des für den Betrieb zuständigen Reichstreuhänders der Arbeit gewährt werden.
§ 9 Der Beschäftigungsgeber kann das Beschäftigungsverhältnis der Juden - abgesehen von den Fällen der fristlosen Entlassung - jederzeit zum Schluß des folgenden Werktags kündigen, soweit nicht besondere Vorschriften über die Kündigung auch auf das Beschäftigungsverhältnis von Juden für anwendbar erklärt sind. Für die Kündigung des Beschäftigungsnehmers gelten die allgemeinen Vorschriften.
§ 10
(1) Über Streitigkeiten, die sich aus dem Beschäftigungsverhältnis eines Juden ergeben, entscheidet eine mit einem Richter besetzte Spruchstelle, die vom Reichsminister der Justiz am Sitz eines Arbeits-(Gewerbe-)Gerichts errichtet wird.
(2) Die für das arbeits-(gewerbe-)gerichtliche Verfahren geltenden Vorschriften finden auf das Verfahren und die Entscheidung der Spruchstelle entsprechende Anwendung. Gegen die Entscheidung der Spruchstelle ist ein Rechtsmittel nicht gegeben. Abschnitt II Arbeitseinsatz
§11
(1) Juden haben die ihnen von den Arbeitsämtern zugewiesenen Beschäftigungen anzunehmen.
(2) Die Verordnung über die Beschränkung des Arbeitsplatzwechsels vom 1. September 1939 (Reichsgesetzbl. I, S. 1685) gilt entsprechend.
§ 12
(1) Jüdische Beschäftigte dürfen nur gruppenweise zur Arbeit eingesetzt werden. das Landesarbeitsamt kann Ausnahmen zulassen.
(2) Jüdische Beschäftigte sind von der übrigen Gefolgschaft getrennt zu halten. Wer. den jüdische Beschäftigte außerhalb des Heimatorts gruppenweise eingesetzt, so sind sie in gesonderten Unterkünften unterzubringen.
§ 13 Juden dürfen nicht als Lehrlinge oder Anlernlinge vermittelt oder beschäftigt werden.
Abschnitt III
Arbeitsschutz
§ 14 Für jüdische Beschäftigte im Alter von 14 bis 18 Jahren gelten an Stelle des Gesetzes über Kinderarbeit und die Arbeitszeit der Jugendlichen (Jugendschutzgesetz) vom 30. April 1938 (Reichsgesetzbl. I, S. 437) die Arbeitszeitverordnung vom 30. April i938 (Reichsgesetzbl. I, S. 447) und die sonstigen für Erwachsene geltenden Vorschriften über die Arbeitszeit. Der dritte Abschnitt der Arbeitszeitverordnung findet sinngemäß auch auf männliche jüdische Beschäftigte unter 18 Jahren Anwendung.
§ 15 Auf erwachsene jüdische Beschäftigte findet die Verordnung über den Arbeitsschutz vom 12. Dezember 1939 (Reichsgesetzbl. I, S. 2403) keine Anwendung.
§16 Das Gewerbeaufsichtsamt kann besondere Bestimmungen über den Beschäftigungsschutz von Juden abweichend von den geltenden Vorschriften über den Arbeitsschutz erlassen.
Abschnitt IV
Arbeitslosenhilfe
§ 17 Die Arbeitslosenhilfe für Juden beschränkt sich auf das zum Lebensunterhalt unerläßlich Notwendige.
§ 18 Die Bestimmungen über die Kurzarbeiterunterstützung finden auf jüdische Beschäftigte keine Anwendung.
Abschnitt V
Sonstige Bestimmungen
§19 Die Vorschriften über die Beschäftigung Schwerbeschädigter gelten nur für schwer kriegsbeschädigte Juden.
§ 20 Für jüdische Beschäftigte gelten bis zum Erlaß besonderer Bestimmungen die Vorschriften der Reichsversicherung (einschließlich Beitragspflicht zum Reichsstock für Arbeitseinsatz) zunächst weiter.
Abschnitt VI
Schlußbestimmungen
§ 21 Die §§ 3,4,5 Abs. 3, die §§ 6 bis 9 und 12 Abs. 1 sowie die §§ 17 und 18 finden keine Anwendung
a) auf den in einer Mischehe lebenden jüdischen Ehegatten, sofern Abkömmlinge aus der Ehe vorhanden sind und diese nicht als Juden gelten, und zwar auch dann, wenn die Ehe nicht mehr besteht oder der einzige Sohn im gegenwärtigen Kriege gefallen ist;
b) auf die jüdische Ehefrau bei kinderloser Mischehe während der Dauer der Ehe.
§ 22 Die §§ 3 bis 9 finden keine Anwendung, wenn der Beschäftigungsgeber Jude ist.
§ 23 Wer den Vorschriften dieser Verordnung zuwiderhandelt, wird mit Gefängnis und Geldstrafe, letztere in unbegrenzter Höhe, oder mit einer dieser Strafen bestraft.
§ 24
(1) Diese Verordnung gilt einstweilen nicht in den eingegliederten Ostgebieten.
(2) Sie tritt zugleich mit der Verordnung über die Beschäftigung von Juden vom 3. Oktober 1941 (Reichsgesetzbl. I, S. 675) in Kraft. Zum gleichen Zeitpunkt treten die von den Reichstreuhändern der Arbeit erlassenen Anordnungen über die arbeitsrechtliche Behandlung der Juden sowie sonstige Sonderbestimmungen, die dieser Verordnung entgegenstehen, außer Kraft.
Berlin, den 31. Oktober 1941
Der Reichsarbeitsminister
In Vertretung des Staatssekretärs
Dr. Engel