Menü
Chronik und Quellen
1937
Mai 1937

Vermerk des Deutsche Gemeindetages

Der Deutsche Gemeindetag fasst am 21. Mai 1937 die Ergebnisse einer Umfrage zur Behandlung jüdischer Patienten in städtischen Krankenhäusern zusammen:

Ergebnis einer Rundfrage vom 14. April 1937 - III2205/37 - über die Aufnahme und Behandlung von Juden in städt. Krankenhäusern.

Einige Stadtverwaltungen sind um Beantwortung folgender Fragen gebeten worden:

1. Unter welchen Voraussetzungen und Beschränkungen erfolgt bei den dortigen städt. Krankenanstalten die Aufnahme von Juden

a) auf der allgemeinen Abteilung?
b) auf der Privatabteilung?

2. Werden die Juden von den nichtjüdischen Kranken stets abgesondert? Wie erfolgt die Absonderung insbesondere auf der allgemeinen Abteilung, d. h. in den Krankensälen?

3. Ist den leitenden Krankenhausärzten die Beratung und Behandlung von Juden in der Privatsprechstunde gestattet, wenn ja, unter welchen Voraussetzungen und Beschränkungen?

4. Wie erfolgt die Feststellung, dass sich unter den Besuchern der Privatsprechstunde keine Juden befinden?

5. In welchen Fällen dürfen die leitenden Krankenhausärzte Konsilien mit jüdischen Ärzten verabreden?

6. Wird die Untersuchung der von jüdischen Ärzten eingesandten Untersuchungsstoffe durch Ärzte, Laboratorien oder Institute der Krankenhäuser zugelassen, wenn ja, unter welchen Beschränkungen? (in Frage kommen hauptsächlich bakt.-serol., chemische und histologische Untersuchungen).

7. Welche Einschränkungen gelten für ambulante Untersuchung und Behandlung von Juden im Krankenhaus, z. B. Röntgenuntersuchung oder -behandlung, physikalische Behandlung usw.?

Als Juden im Sinne dieser Anfrage werden alle Personen jüdischen Bluts nach den Nürnberger Gesetzen, also auch Halb- oder Dreivierteljuden, betrachtet.

Auf diese Rundfrage sind folgende Antworten eingegangen:

Breslau:

Zu 1 a: Es bestehen keine Beschränkungen für die Aufnahme von Juden in der Heilstätte Breslau-Herrnprotsch (Tbc.) und Heilstätte Nord (Nervenkranke); in den anderen Krankenhäusern werden nur vom Fürsorgeamt betreute Juden aufgenommen.

Zu 1 b: Privatabteilungen bestehen in den städtischen Krankenhäusern nicht.

Zu 2: Die Juden werden nach Möglichkeit in besonderen Zimmern zusammengelegt, so-dass die Unterbringung in Krankensälen für gewöhnlich nicht in Frage kommt. Eine grundsätzliche Unterbringung in Einzelzimmern erfolgt nicht, da dies einer Bevorzugung jüdischer Kranker gegenüber arischen gleichkäme.

Zu 3: Besondere Bestimmungen bezüglich der Beratung von Juden in der Privatsprechstunde der Ärzte bestehen nicht. Die Privatsprechstunde wird außerhalb der Krankenhäuser abgehalten. Soweit hier bekannt, haben jüdische Patienten die Privatsprechstunde der Anstaltsärzte noch nicht aufgesucht. Im übrigen sind hierfür die Richtlinien der Ärztekammer maßgebend.

Zu 4: Die Feststellung würde der Arzt selbst treffen können.

Zu 5: Auch hierfür bestehen keine Bestimmungen, jedoch würden die leitenden Ärzte in den städtischen Krankenanstalten Konsilien mit jüdischen Ärzten vorkommendenfalls von sich aus ablehnen.

Zu 6: Die Laboratorien der Krankenanstalten nehmen nur Untersuchungen für stationäre Kranke vor.

Zu 7: Die ambulante Behandlung von Juden in den Polikliniken, Röntgenabteilungen usw. kommt nur dann in Betracht, wenn es sich um vom Fürsorgeamt Betreute handelt. Dortmund:

Zu 1: Seit 1922 nehmen die Juden die städt. Krankenanstalten kaum in Anspruch, sondern suchen die beiden grossen konf. Krankenhäuser auf. Ein Verbot für die Aufnahme von Juden besteht weder für die allgemeine Abteilung, noch für die Privatabteilung.

Zu 2: Wenn Juden in der Privatabteilung aufgenommen werden, dann werden sie in Einzelzimmer gelegt. In der allgemeinen Abteilung erfolgt die Aufnahme im allgemeinen nur noch, wenn es sich um Patienten handelt, die den städt. Krankenanstalten vom Wohlfahrtsamt überwiesen werden. Auch dort wird dann eine abgesonderte Unterbringung durchgeführt.

Zu 3: Vorschriften über die Beratung und Behandlung von Juden in der Privatsprechstunde bestehen für die leitenden Krankenhausärzte noch nicht.

Zu 4: Bei den Feststellungen, ob es sich um Juden handelt, sind sowohl die Ärzte wie auch die Aufnahmeschwestern auf die Aussagen der Patienten angewiesen.

Zu 5: Beschränkungen für die Untersuchung der von jüdischen Ärzten eingesandten Untersuchungsstoffe bestehen nicht. Ebenso bestehen auch keine Einschränkungen für die ambulante Behandlung der Juden im Krankenhaus.

Frankfurt a.M.:

Zu 1: Die Aufnahme von Juden in die städtischen Krankenanstalten erfolgt unter den gleichen Voraussetzungen wie für Kranke arischer Abstammung. Beschränkungen bestehen nicht. Im allgemeinen handelt es sich aber um die Aufnahme auf Fach- oder Infektionsabteilungen, da jüdische Kranke im Regelfall das hier bestehende Krankenhaus der israelitischen Gemeinde aufsuchen. Auf den Privatabteilungen besteht keine Beschränkung.

Zu 2: Eine Absonderung der Juden von den nichtjüdischen Kranken erfolgt, wenn sie von den letztgenannten gewünscht wird. Wenn sich in solchem Fall eine Entlassung vom ärztlichen Standpunkt aus nicht vertreten lässt, erfolgt die Unterbringung in einfachen, kleinen Einzelzimmern.

Zu 3: Den leitenden Ärzten ist die Beratung von Juden in der Privatsprechstunde nicht verboten; auch Beschränkungen sind nicht auferlegt. Behandlung findet in der Privatsprechstunde im Krankenhaus grundsätzlich nicht statt, auch nicht bei Kranken arischer Abstammung.

Zu 4: fällt nach den Ausführungen zu 3 ohne weiteres fort.

Zu 5: Ein Verbot besteht nicht. Konsilien mit jüdischen Ärzten kommen aber in einer Universitätsklinik kaum vor.

Zu 6: Die Untersuchung ist ohne Beschränkung zugelassen, zumal sie oft im Interesse der Seuchenbekämpfung nicht abgelehnt werden kann.

Zu 7: keine Einschränkungen!

Leipzig:

Die Aufnahmen von jüdischen Patienten in die städtischen Krankenhäuser sind so vereinzelt, dass sie keine Rolle spielen. Die Dinge liegen aber so, dass die Aufnahme nicht verweigert werden kann. Unter Umständen wird sie, wie z. B. bei der Bekämpfung von Infektionskrankheiten, aus allgemeinen gesundheitlichen Interessen erforderlich. Es ist deshalb für die hiesigen städtischen Krankenanstalten in keiner Weise irgendeine besondere Anordnung getroffen worden, weder für die allgemeine noch für die Privat-Abteilung, noch für die ambulante Behandlung. Im übrigen besteht in Leipzig ein jüdisches Krankenhaus mit 92 Betten, das von den Juden in der Regel aufgesucht wird, wenn nicht gerade eine Behandlung auf einer Fachabteilung (Dermatologische oder Otologische) notwendig ist. Auch in anderer Beziehung sind keine allgemeinen Regelungen von hier aus erfolgt. München:

Für den Bereich der städtischen Krankenanstalten besteht lediglich die Vorschrift, dass Juden, die in ein städtisches Krankenhaus aufgenommen werden wollen oder von einer Kasse oder einem Arzt eingewiesen werden, in besonderen Zimmern, also getrennt von arischen Patienten, untergebracht werden. Eine Benachteiligung von arischen Kranken in Bezug auf die Zuweisung von Krankenräumen darf natürlich durch diese Regelung nicht eintreten; damit ist ausgedrückt, dass - von Notfällen (Lebensgefahr, Ansteckungsgefahr) abgesehen -bei Mangel an entsprechenden Räumen eine Abweisung von Juden erfolgen kann. Vorschriften oder Richtlinien, die Fälle nach den Fragen 3 [bis] 7 regeln, sind nicht erlassen.

Baum wird geladen...