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Chronik und Quellen
1937
Mai 1937

Vermerk des Amtsleiters der Frankfurter Standesämter

Der Amtsleiter der Standesämter in Frankfurt a. M. berichtet dem Oberbürgermeister am 19. Mai 1937 über seinen Plan, jüdische Paare an besonderen Tagen zu trauen:

Ich setze als selbstverständlich voraus, dass es sich nicht, wie der Kreis Gross-Frankfurt/M schreibt, um die Gegenüberstellung von Juden und Christen handelt, sondern um die von Juden und Deutschen.

Gesetzliche Vorschriften darüber, wo die Eheschliessungen stattfinden sollen, bestehen nicht; die ministeriellen Anweisungen enthalten nur Vorschriften darüber, dass besondere Gebühren zu erheben sind, wenn die Eheschliessung „ausserhalb des Amtsraumes“ gewünscht wird. Solche Fälle werden hier nur dann berücksichtigt, wenn es sich z. B. um eine Eheschliessung am Krankenbett usw. handelt. Daneben werden vereinzelt auch Eheschliessungen im Dienstgebäude des Standesamtes (Mainkai 53) vorgenommen - namentlich dann, wenn das Paar ausserhalb der üblichen Eheschliessungszeit getraut sein will bezw. die vom Amt festgesetzte Zeit nicht eingehalten hat.

Wenn in der beiliegenden Anregung gesagt ist, dass die Juden „bisher wahllos zwischen den christlichen (d. h. = deutschblütigen) Paaren“ getraut wurden, so trifft dies nicht zu; es wurde schon seither versucht, derartige Eheschliessungen entweder an den Anfang oder an das Ende der vermutlichen Trauzeit zu setzen. Immerhin lässt sich dieser Zeitpunkt nicht genau vorausbestimmen, weil manche Paare schon mehrere Wochen vor der beabsichtigten Eheschliessung die Frist festsetzen lassen, während andere Paare erst kurz vor der gewünschten Zeit die Ansetzung beantragen.

Ein Vergleich mit dem Städt. Fürsorgeamt, wo die Betreuung sämtlicher Juden bei einer Kreisstelle jetzt durchgeführt wird, ist in dieser Form für das Standesamt nicht möglich, da die Standesamtsbezirke durch die höhere Verwaltungsbehörde festgesetzt sind. Jedenfalls könnte ohne gesetzliche oder ministerielle Regelung die Einrichtung besonderer Standesämter für die Beurkundung von Deutschen einerseits und Juden andererseits nicht getroffen werden. Es kommt hinzu, dass ausser den Eheschliessungen im Standesamt auch die Geburten- und Sterbefälle beurkundet werden und dass beispielsweise bei Aufgeboten erst im Laufe der Verhandlung auf Grund der vorgelegten Urkunden es sich erweist, ob die künftigen Ehepartner zu den Juden, den Deutschblütigen oder den Mischlingen ersten bezw. zweiten Grades zu rechnen sind.

Andererseits muss zugegeben werden, dass für die deutschdenkende Bevölkerung ein Zusammentreffen mit Juden im Warteraum zum Trausaal - also bei einem solch wichtigen Anlass - im höchsten Grade unerwünscht ist. Lediglich die Frage der Eheschliessung wäre daher wohl am besten dadurch zu regeln, dass Trauungen für jüdische Paare im Trausaal nur an einem bestimmten Wochentag und auch dies ausserhalb der sonstigen Trauungszeit - soweit ein anderer Tag (etwa wegen bevorstehender Auswanderung) nicht abgelehnt werden kann, im Dienstgebäude Mainkai 53 - stattfinden.

Trauungen für Juden grundsätzlich „in besonderen Räumen“ vorzunehmen, erscheint bedenklich, wenn man berücksichtigt, dass ja auch unter den jüdischen Paaren sich vielfach Ausländer befinden, und nicht bekannt ist, wie sich die Reichsregierung gegebenenfalls aus aussenpolitischen Gründen zu dieser Frage stellen würde.

Ich werde daher veranlassen, dass die Eheschliessungen für Juden künftig an einem besonderen Tag der Woche - und zwar getrennt von den übrigen Eheschliessungen - angesetzt werden.

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