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Chronik und Quellen
1937
April 1937

Brief von Paul Malsch (Venlo) an Sohn Willy in New York

Der Düsseldorfer Lederwarenvertreter Paul Malsch berichtet seinem Sohn am 17. April 1937 aus den Niederlanden über die politische Situation in Deutschland:

Mein lieber Willy,

da bin ich also heute nach hier gefahren u[nd] habe Deinen l[ieben] Brief in Empfang genommen. Um es gleich vorweg zu sagen. Es war nicht der Mühe & des Portos wert. Wir wussten sehr wohl, daß Dich die „La Guardia-Sache“ nervös gemacht hat. Du musst noch lernen, alle Dinge kühler zu betrachten. Es ist in all den Zeitungsausschnitten keinerlei Neuigkeit vorhanden, die ich nicht schon gewusst habe. Dass in deutschen Blättern immer Deutschland siegt, ist doch Idar. Alle diese Mitteilungen glaubt kein Mensch mehr. Jetzt ergehen sie sich in neuer Hetze gegen einen Film, der in Kirchen vorgeführt wird. Alles das bringt uns nicht aus der Ruhe. Es ist erfreulich, daß gerade die besseren Kaufleute nichts von Boycott jüdischer Firmen & Vertreter wissen wollen. Leder [,..] ist so knapp, daß es von allen Seiten genommen wird, wenn man es nur kriegen kann. Daß nicht alles schön ist, ja das viel recht grausam & gemein ist, wissen wir & wissen selbst die anderen. Denk mal nach, wie es mir erginge, wenn die Kunden nun auch den von Streicher gewünschten Boycott durchführen wollten! Sie tun es nicht aus dem Gefühl des Anstandes heraus & aus einer schweigenden Opposition.

Daß dort aus der Sache ein noch grösseres Gedöhns gemacht wurde als hier, ist doch klar. Mache, hier, wie dort. Warum protestiert denn der Herr Hull nicht mal gegen die Beschimpfungen seiner Millionen Untertanen jüdischen Glaubens, die alle mit getroffen, mitbeschimpft sind, wenn der Streicher mal wieder wie vor 14 Tagen mit Ritualmord kommt!? Das wäre ein Protest, der die gesamte Welt anginge, der dem Naziregime schwerste Wunden schlüge. Soll mal der Herr Dr. Stefan Wise die dortige Regierung dagegen scharf machen!

Ob da in Spanien die einen oder anderen „Sieger“ lügen, ist mir ganz schnuppe! Die Spanier haben seit 120 Jahren nur von Revolutionen gelebt. Weshalb sollten es die anders machen. Im spanisch amerikanischen Krieg waren wir, d. h. unsere Familie in Meiningen ganz auf amerikanischer Seite, obwohl alle Mitschüler & alle Gojims spanisch eingestellt waren! Wir hatten aber den Bruder Eugen in Amerika & Spanien seine Inquisition war für uns ein Begriff. Mögen sie sich ruhig gegenseitig die Köpfe einschlagen. Dann die Geschichte mit dem Hirtenbrief des Papstes! Was nützt uns das? Eine Simche, wenn auch andere stänkern! Lass dich weder aufregen noch ablenken. Du bist jung & nimmst rasch Partei, das ist verständlich, aber kühlen Verstand behalten. Also lass das Schreiben nach Holland sein, sieh zu, Dir erst mal eine gesicherte Unterlage im amerikanischen Leben zu schaffen. Erst dann kannst Du mitreden. Ich habe hier die Pariser Zeitung gekauft. Es steht auch nichts Sachliches drin!

Wir schreiben Dir morgen mit der Europa!

Also lass die Hand von der Politik. Ich lese viel zu viele Auslandblätter, was vorgeht, weiss ich schon! Bis auf ein paar Kleinigkeiten ist mir wirklich in all den Zeitungsausschnitten nichts Neues gesagt worden! Es tut mir leid, Dich damit vielleicht enttäuschen zu müssen. Nach 6 Wochen habe ich meinen Pass bekommen auf - 6 Monate. Vielleicht werden wir inzwischen Millionäre & steuerflucht-verdächtig. Heute ist nur „nebbich“ dazu zu sagen.

Herzl. Gruß-Kuss
Dein Dich l[iebender] Papa

Grüße Alle

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