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Chronik und Quellen
1936
Dezember 1936

Schreiben des Reichsinnenministeriums (Stuckart) an Reichsfinanzministerium (Reinhardt)

Staatssekretär Stuckart übermittelt dem Reichsfinanzministerium am 18. Dezember 1936 den Entwurf eines antijüdischen Sondersteuergesetzes:

Lieber Parteigenosse Reinhardt!

Seit einiger Zeit schweben Erörterungen über die Bildung eines Judengarantieverbandes. Nach dem bisherigen Ergebnis dieser Erörterungen erscheint die Durchführung eines solchen Plans nur auf steuerlichem Gebiet möglich. Zu ihrer Unterrichtung über den Stand der Sache füge ich Abschrift von Aufzeichnungen des Herrn Reichsministers Dr. Gürtner und Abschrift eines hier skizzierten Vorentwurfs entsprechender gesetzlicher Vorschriften bei.

Inzwischen hat der Führer und Reichskanzler auf Vortrag des Herrn Ministers Dr. Frick über die Fortführung der Judengesetzgebung den Plan der Erhebung einer Judensondersteuer grundsätzlich gebilligt und angeordnet, die Vorbereitungen eines entsprechenden Gesetzentwurfs so zu beschleunigen, daß die Möglichkeit gegeben wäre, das Gesetz bereits nach Ende des Gustloff-Prozesses zu verkünden. Das Gesetz wäre wohl vom Reichs-fmanzminister unter Beteiligung des Reichsinnenministers und des Stellvertreters des Führers einzubringen.

Ich darf Sie bitten, mir möglichst umgehend Ihre Stellungnahme mitzuteilen.

Mit den besten Grüßen
Heil Hitler!
Ihr sehr ergebener
gez. Stuckart.

Abschrift zu Nr. IB2112/5012 g

Entwurf eines Leistungsausgleichssteuergesetze

§1

(1) Als Ausgleich für die Befreiung von Gemeinschaftsleistungen, zu denen Staatsangehörige deutschen oder artverwandten Blutes verpflichtet sind, wird von Juden ein Zuschlag zur Einkommen- und Vermögensteuer erhoben.

(2) Von jüdischen Gewerbebetrieben, die körperschaftssteuerpflichtig sind, wird ein Zuschlag zur Körperschaftssteuer erhoben.

(3) Die Höhe der Zuschläge wird jährlich von dem Reichsminister der Finanzen im Einvernehmen mit dem Stellvertreter des Führers und dem Reichsminister des Innern festgesetzt.

§2

(1) Das Aufkommen aus den Zuschlägen (§ 1) ist eine Einnahme des Reichs, an der die Länder und Gemeinden (Gemeindeverbände) nicht teilhaben.

(2) Das Aufkommen wird als Sondervermögen des Reichs getrennt von dem übrigen Vermögen aufgeführt und verwaltet.

§3

(1) Über die Verwendung des Sondervermögens (§ 2) entscheidet der Reichsminister des Innern im Einvernehmen mit dem Stellvertreter des Führers und den beteiligten Reichsministern.

(2) Das Sondervermögen kann zur Förderung der Auswanderung der Juden aus dem Deutschen Reich verwendet werden.

(3) Das Sondervermögen kann auch herangezogen werden zum Ersatz eines Schadens, der dem Deutschen Reich durch die Handlung eines einzelnen Juden zugefügt wird.

§4

Der Reichsminister der Finanzen erläßt im Einvernehmen mit dem Stellvertreter des Führers und dem Reichsminister des Innern die zur Durchführung und Ergänzung des Gesetzes erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften.

Abschrift zu Nr. IB2112/5012 g

Gesamthaftung der Juden für Schäden an der deutschen Wirtschaft, soweit sie von Juden veranlaßt sind.

Daß es sich bei diesem Gedanken nicht um eine strafrechtliche, sondern um eine materielle Mithaftung handelt, scheint mir klar zu sein.

Der Gedanke, eine Mehrheit von Personen für einen Schaden haften zu lassen, ist in der Rechtsordnung vielfach verwirklicht (Haftung der offenen Handelsgesellschaft, Haftung des Ehemanns für die Ehefrau und ähnliche Fälle). In allen diesen Fällen besteht unter den Mithaftenden ein auf Rechtsverhältnisse oder Schuld begründeter Zusammenhang. Der Gedanke, eine Mehrheit von Personen haftbar zu machen, unter deren Angehörigen kein anderer Zusammenhang besteht als die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Rasse (einer bestimmten politischen oder sozialen Gruppe u. ä.), ist der Rechtsordnung fremd. Tatsächlich ist in der Geschichte beim Kampf zwischen zwei Völkern oder beim Bürgerkrieg innerhalb eines Volkes von dieser Art der Haftung oft und viel Gebrauch gemacht worden. Dahin gehört die Geiselbürgschaft der römischen Staatspraxis ebenso wie die zu allen Zeiten der Geschichte geübte Festsetzung und Haftung (mit Gut und Leben) von Personen, die an der schädlichen Handlung selbst nicht beteiligt und mit dem Schädiger nur durch gemeinsame Rassen-, Klassenzugehörigkeit etc. verbunden sind.

Eine solche Inanspruchnahme scheint mir als Kampfhandlung, aber schwer als Rechtssatz denkbar zu sein. Auch im Minderheitenrecht hat dieser Gedanke keinen Eingang gefunden. Ein Gedanke, der m. E. sehr ernst geprüft werden müßte, ist dieser: wenn Deutschland eine solche Sonderhaftung der Juden einführt, bereitet es damit nicht den Weg, daß die Staaten, die in ihrem eigenen Gebiet im Kampf mit deutschen Minderheiten liegen, sich diese Rechtsfigur zu eigen machen und die Gesamtheit der in ihrem Gebiet wohnenden Deutschen für alle Schäden haftbar machen werden, die ein Deutscher ihrer Volkswirtschaft zufügt? Dieser Gedanke scheint mir augenblicklich nicht ganz abwegig zu sein, wenn ich an die Tschechei und vielleicht auch an die Vereinigten Staaten denke.

Sollte man aber über alle diese Bedenken hinwegkommen, dann könnte das Problem nach meiner Überlegung nur auf steuerlichem Gebiet gelöst werden, etwa in folgender Weise:

1. Jeder deutsche Staatsangehörige haftet bei gewissenloser Schädigung der deutschen Wirtschaft dem deutschen Volk für den Schaden.

2. Ist der Täter ein Jude, so haftet zusätzlich die Gesamtheit der Juden deutscher Staatsangehörigkeit.

3. Durchführung dieser Gesamthaftung durch eine Sondersteuer, etwa anknüpfend an die Vermögen- oder Einkommensteuer. Aus dem Aufkommen dieser Sondersteuer werden die Schäden gedeckt.

4. Verfahren nach dem Vorbild des Revolutionsschädengesetzes, also nicht durch die Gerichte.

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